Wenn unsere Helfer zu Opfern werden

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Ihr Job ist zu helfen. Doch Rettungskräfte sind immer öfter Beleidigungen, Drohungen und körperlichen Übergriffen ausgesetzt. Auch in Luxemburg.

Von Melody Hansen

Ihr Job ist zu helfen. Dabei sind Rettungskräfte immer öfter Beleidigungen, Drohungen und sogar körperlichen Übergriffen ausgesetzt. Auch in Luxemburg.

Brenzlige Situation für zwei Sanitäter in Differdingen: Im Mai des vergangenen Jahres hielt ein Mann die beiden in seiner Wohnung fest und bedrohte sie mit einem Messer. Eine Stunde lang drohte der Betrunkene, die beiden Retter umzubringen. Erst dann ließ er sie frei. Die Sanitäter informierten umgehend die Polizei. Mehrere Beamte rückten aus und nahmen den Mann schließlich fest.

In unseren Nachbarländern machen Nachrichten von Übergriffen auf Sanitäter und Feuerwehrleute immer häufiger die Runde. In der vergangenen Silvesternacht wurden in mehreren Großstädten Deutschlands Rettungskräfte mit Steinen und Böllern beworfen und sogar mit Feuerwerksraketen beschossen.

Luxemburg bleibt von diesem Negativ-Trend nicht verschont. Die Rettungskräfte sehen sich immer mehr Aggressivität und Gewaltbereitschaft ausgesetzt. Genaue Zahlen werden zurzeit noch von der Verwaltung der Rettungsdienste erhoben. Bente Olinger, Juristin des Einsatzzentrums 112, erklärt: „Besonders im Süden des Landes und in Luxemburg-Stadt gibt es Handlungsbedarf.“

Null Toleranz

Beim Neujahrsempfang der Rettungskräfte am 16. Januar sprach auch Innenminister Dan Kersch (LSAP) das Thema Gewalt gegen Rettungskräfte an. Es gehe ihm nicht darum, zu dramatisieren: „Es soll allerdings auch nicht verharmlost werden“, sagte er. „Es ist wichtig, jetzt zu reagieren, bevor die Situation schlimmer wird.“ Der Politiker will sich in „nächster Zeit“ mit Justizminister Felix Braz zusammensetzen, um über eine mögliche Verschärfung der aktuellen Strafen zu diskutieren. „Ich fordere konsequenten Respekt und Wertschätzung gegenüber dieser wichtigen Arbeit. Bei Gewalt gegen Menschen im Rettungswesen darf es null Toleranz geben.“

Ob nun gegenüber einer Rettungskraft oder jeder anderen Person – derzeit wird Gewalt laut Strafrecht immer gleich belangt. Hier könnte sich in Zukunft etwas ändern. Wie zum Beispiel in Deutschland, wo Anfang des vergangenen Jahres der neue Strafbestand des „tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte“ geschaffen wurde. Zusätzlich kündigte Kersch an, eine Kampagne in Zusammenarbeit mit der Uni Luxemburg ins Leben zu rufen. In einer ersten Phase soll dabei eine Bestandsaufnahme der Situation gemacht werden. Danach soll eine Sensibilisierungskampagne den Respekt gegenüber Rettungsdiensten in der Bevölkerung wiederherstellen.

Mangelt es an Respekt?

Respekt ist das Zauberwort. Daran mangele es der Bevölkerung laut den Rettungskräften nämlich immer mehr. Besonders Personen in Uniform werde immer weniger Anerkennung entgegengebracht.

Nach dem Zwischenfall in Differdingen hat der Verwaltungsrat der Rettungsdienste Konsequenzen gezogen. Die Codes, die dazu dienen, der Polizei über Funk mitzuteilen, dass Hilfe benötigt wird, wurden überarbeitet. Und: „Wir haben ein Meldeformular ausgearbeitet, das die betroffenen Rettungskräfte nach einem Vorfall ausfüllen können“, sagt Paul Schroeder, Direktor der Verwaltung der Rettungsdienste, gegenüber dem Tageblatt. Zwei gerichtliche Untersuchungen laufen bereits, die von einer solchen Meldung ausgelöst wurden.

Eine davon übrigens über den Fall der festgehaltenen Sanitäter in Differdingen. Außerdem reicht auch der Verwaltungsrat der Rettungsdienste Nebenklage ein, wenn es zu einem Prozess kommt. Paul Schroeder ist dennoch ernüchtert: „Ich finde es traurig, dass es zu härteren Sanktionen kommen muss, damit die Menschen mehr Respekt vor Rettungsdiensten haben.“


„Wir müssen ein klares Signal setzen“

Thierry Ternes spricht aus Erfahrung, wenn er sagt, dass die Hemmungen der Menschen schneller fallen, wenn sie einer Person mit Uniform gegenüberstehen. Seit seinem zehnten Lebensjahr ist er bei den Rettungsdiensten aktiv.

Angefangen hat Thierry Ternes bei der Jugendfeuerwehr in Differdingen. Mit 16 wechselte er aus Interesse an der medizinischen Komponente zur „Protection civile“. Vor drei Jahren wurde er zum stellvertretenden Chef des Einsatzzentrums in Differdingen ernannt, kurze Zeit später besetzte er bereits den Chefposten. Seit Januar 2018 ist der mittlerweile 24-Jährige Chef des fusionierten Einsatzzentrums SaDiff (Sanem und Differdingen). Er blickt auf acht Jahre Erfahrung im Rettungswesen zurück. Ternes sagt: In dieser Zeit ist die Gewaltbereitschaft gegenüber seiner Berufsgruppe angestiegen.

Tageblatt: Stimmt es, dass die Aggressionen gegenüber Rettungskräften immer mehr werden?
Thierry Ternes: Wir sind hier in einer Region aktiv, in der die Bevölkerungsdichte relativ hoch ist. In Sanem und Differdingen decken wir um die 44.000 Menschen ab. Da kommen natürlich auch einige zusammen, um Feste zu feiern. Das führt dazu, dass wir regelmäßig eingreifen müssen, wenn es Schlägereien gibt oder wenn Personen unter Alkoholeinfluss stehen. In den vergangenen Jahren mussten wir feststellen, dass die Wut und die Gewaltbereitschaft massiv steigt. Die Leute verlieren ihre Hemmungen und das Wort „Respekt“ steht nicht mehr im Mittelpunkt. Sie sehen uns oft nicht als jemanden, der helfen will, sondern denken: Wer eine Uniform trägt, will etwas Schlechtes. Je nach Situation müssen wir extrem aufpassen, wie wir Sätze formulieren. Denn sonst kann das kleinste Wort zur Eskalation führen. Wir sind in den vergangenen Jahren um einiges vorsichtiger geworden.
Sehr oft sind die Aggressionen verbal. Das reicht von herablassenden Beleidigungen bis hin zu Drohungen. Körperliche Übergriffe sind zwar eher selten, kommen aber leider auch vor.

Wie gehen die Rettungskräfte damit um? Gibt es bestimmte Maßnahmen?
Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es natürlich nie. Aber es gibt präventive Maßnahmen. Unser Personal weiß, wie es in verschiedenen Situationen handeln muss. Dazu nehmen unsere Rettungskräfte an Schulungen teil, in denen ihnen Deeskalations-Techniken beigebracht werden. Sowohl verbal als auch physisch.
Wenn jemand eine reale Gefahr für einen von uns darstellt, wird er von den Sanitätern „neutralisiert“. Er wird also außer Gefecht gesetzt, bis die Polizei vor Ort ist. Dazu muss man allerdings sagen, dass es sehr selten so weit kommt.
Wenn der Zuständige von der Einsatzzentrale 112 bereits während des Notrufs ein Gewaltrisiko aus der Situation heraushört, wird gleichzeitig ein Streifenwagen losgeschickt. Es gibt aber immer wieder Situationen, in denen unerwartet Spannungen entstehen.

Wie geht das Personal emotional mit solchen Situationen um?
Die Mitarbeiter unseres Teams stehen sich sehr nahe. Sie sind den verschiedensten Situationen ausgesetzt. Darunter fallen nicht nur verbale oder körperliche Attacken. Sie werden auch regelmäßig mit dem Tod konfrontiert, sehen schlimme Unfälle. Sobald es hier im Einsatzzentrum SaDiff Anzeichen gibt, dass jemand psychisch nicht mit einer Situation fertig wird, greifen wir ein. Wir kontaktieren dann unsere „Groupe de support psychologique“, die sich um den Betroffenen kümmert.

Halten Sie es für eine sinnvolle Maßnahme, die Strafen für aggressives Verhalten gegenüber Rettungskräften zu erhöhen?
Ich begrüße diese Idee und hoffe, dass Minister Dan Kersch gemeinsam mit dem Justizminister in dieser Sache etwas bewegen kann. Wir müssen ein klares Signal setzen, und das funktioniert am besten auf gesetzlicher Basis. In unserem Einsatzzentrum kommt diese Initiative sehr gut an.

Wieso steigt Ihrer Meinung nach die Bereitschaft zur Aggressivität in der Gesellschaft?
Diese Frage stelle ich mir jedes Mal wieder, wenn ich in einer solchen Situation bin. Unsere Gesellschaft ist im Wandel. Ich glaube, das Wort Respekt wird heute anders interpretiert, als das früher der Fall war. Dadurch fallen die Hemmungen – besonders, wenn es um verbale Äußerungen geht. Dem ist auch die Polizei ausgesetzt. Menschen, die heutzutage eine Uniform tragen, sind angreifbarer. Das ist allerdings ein globales Phänomen.

Den Pingelechen
26. Januar 2018 - 13.06

@Anne Richteg !!!

Sheriff
26. Januar 2018 - 11.19

"Unsere Gesellschaft ist im Wandel"

Mephisto
26. Januar 2018 - 11.13

Ich bin nicht der Meinung, dass früher alles besser war. Was dieses Phänomen anbelangt muss ich allerdings sagen, dass die beschriebene Aggressivität gegenüber Polizei, Sanitätern , Ärzten, Feuerwehr usw relativ neu ist. Sowohl im benachbarten Ausland als auch in Luxembourg. Ich führe das auf Erziehungsmängel zurück. Zu vielen werden heute pur egoistische Ansichten vermittelt. Dazu gehört auch : Lass dir von keinem was sagen, stelle deine Bedürfnisse stets an erste Stelle. Sorge dich nicht um andere selbst wenn sie im Sterben liegen. Mache so viel wie möglich Selfies von der Not und stelle sie sofort auf die bekannten Medien. Scham scheint nicht mehr in zu sein.

Anne
26. Januar 2018 - 11.06

Ween huet haut nach Respekt, net méih vill .Leider bemierkt en dass et emmer méih schlemm ged. Virun e pur Deeg ,stoung ech bei 1.rouder Lucht ze warden dass et grëng soll gin.Dun koum 1.Mamm mat dem Kand daat vläicht 5Joer haat an as einfach bei rout iwert Stross gang.Et stoungen nach Leid do a hun Madame drop opmierksam gemacht dass daat waat sie gemacht hätt net OK wier. Waat war Entwert bekemmert ierch em är Sachen ech machen wéih ech wöll. Reaktioun vun der Mamm fannen ech miserabel,well Kand daat jo och matkrut ,a wouh soll daat Kand dann herno Respekt vun aneren hun wann en geseid wéih Mamm reagéiert huet. An esou as et haut an villen Familien ,wouh géint jiddereen gefacht ged,an dofir brauchen mer ons guer net ze verwonneren dass haut Agressivitéit vis a vis vun den aneren Leid net méih existéiert