Wenn Träume wahr werden: Erster Titel nach 72 Jahren für Gréngewald Hostert

Wenn Träume wahr werden: Erster Titel nach 72 Jahren für Gréngewald Hostert

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Am 11. April teilte Gréngewald-Coach Hermann Paar auf Facebook ein Bild mit dem Satz „Alle Träume klingen verrückt, bis sie wahr werden“. Seit Samstag ist die stolze neue Meistermannschaft im Damenbasketball mit dem Pokal in der Hand auf seinem Profil zu sehen. Der Weg vom Traum zur Realität aus der Sicht des Hosterter Trainers.

Von Pierrot Feltgen

Tageblatt: Wie kam es zu der Aussage mit dem verrückten Traum?

Hermann Paar: Man muss ja Ziele haben und das hat etwas mit Träumen zu tun. Es sagt aus, wo man hin möchte. Als Trainer ist es wichtig, das zu vermitteln. Man muss für etwas kämpfen und etwas wollen. Aber man muss auch wissen, dass Niederlagen dazugehören. Man muss sich darauf konzentrieren, was man erreichen will. Das ist meine Lebensphilosophie. Ich denke, das ist auch der Grund, weshalb wir die Saison so erfolgreich abgeschlossen haben.

Das minimale Ziel hieß Halbfinale. Wurde vor der Saison schon vom Titel geträumt?

Ja. Ich will schon den Titel gewinnen, wenn ich antrete. Aber man muss auch realistisch sein. Ich kannte die Mannschaft gar nicht und wusste nicht, wie das alles zusammenwachsen würde. Wir hatten zwei Ausländerinnen, die Rookies waren und erst einmal Erfahrungen im Profibereich sammeln mussten. Viel Unbekanntes demnach zu Beginn der Saison. Aber das Halbfinale war schon mein Anspruch.

Und dann startete die Meisterschaft beim Titelverteidiger Steinsel mit einer richtigen Klatsche …

Aber ordentlich. Nach dem Spiel war die Euphorie aus der Vorbereitung gedämpft, aber dies hat uns letztendlich geholfen. Wir wussten, dass wir es besser können. Die Partie hat uns gelehrt, dass wir mehr machen müssen, um etwas zu erreichen.

Steinsel hat dann mehrfach Lehrstunden ausgeteilt, wie im Pokalfinale …

Da haben wir es Steinsel leicht gemacht, mit zu viel Einzelaktionen. Wir haben die Verteidigung vernachlässigt und dachten, wir könnten es locker über die Offensive regeln, wie im Halbfinale gegen die Sparta. Danach sind wir in ein Loch gefallen. Am Ende hat jeder verstanden, dass es nur klappt, wenn sich jeder vollkommen in den Dienst der Mannschaft stellt.

Den absoluten Tiefpunkt gab es mit dem schlechten Spiel bei den Musel Pikes …

Das war der Wendepunkt. Daraufhin wurde Sarah (Saba, d. Red.) mit Alex (Louin, d. Red.) getauscht. Es tut mir leid für Sarah, die eine gute Spielerin ist, aber nicht in das System in Luxemburg gepasst hat. Alex hat dann nach einer Eingewöhnungsphase voll eingeschlagen. Es war also Schritt für Schritt und kein ständiges Hoch, sondern viele Up und Downs.

Gab es zwischendurch nicht große Zweifel bei den Spielerinnen?

Wir haben die Rückschläge ja aufgearbeitet. Es ist wichtig, sie da abzuholen, wo sie gut sind. Der unbedingte Wille war ja da. Ein Faktor, dessen ich mir zu Saisonbeginn nicht bewusst war, ist die außergewöhnliche Fan-Unterstützung. Diese Energie hat die Spielerinnen richtig beflügelt und sie motiviert, zu kämpfen. Das war spitze.

Aus Rückschlägen lernt man bekanntlich. War die Euphorie nach dem glatten Einzug ins Finale nicht gefährlich?

Das zweite Halbfinalspiel gegen Steinsel war sehr emotional. Wir sind nachher in ein Loch gefallen. Und dann hatten wir eine Woche Zeit. Die Energie und der Fokus waren plötzlich weg. Im ersten Finalspiel in Düdelingen war kaum Feuer vorhanden. Glücklicherweise waren wir nach der Pause im zweiten Spiel wieder auf dem Level angekommen wie gegen Steinsel. Wir wussten, wenn wir das durchspielen, dann haben wir alle Chancen, zu gewinnen, egal wie weit wir zurückliegen. Natürlich gehört am Ende auch ein bisschen Glück dazu. Wir haben uns diesen letzten Wurf mit der gesamten Teamleistung und mit den Fans gemeinsam erarbeitet.

Als Trainer haben Sie schon viel erlebt. Ist dies mit irgendetwas vergleichbar?

Es ist ein unglaubliches Gefühl. Dafür trainieren wir. Das Gewinnen ist unsere Droge. Ich bin super stolz auf die Truppe. Das hier war von 0 auf 100. Mit Wuppertal haben wir Euro League gespielt und den deutschen Meister gemacht, aber das war eine relativ einfache Geschichte. Wir waren damals viel besser als die Konkurrenz. Emotional waren auch die Spiele der kleinen Staaten mit dem Heimsieg gegen Island. Aber hier waren wir vor der Saison ein Niemand – und dann Meister zu werden und im Pokalfinale zu stehen, das ist schon etwas Besonderes.

Hilft dies dem Stellenwert des Damenbasketballs im Land?

Es ist wie der Tropfen auf den heißen Stein. Man muss immer wiederholen, dass man genauso viel in die Mädchen und die Frauen investieren soll wie in die Männer. Diese Finalserie war ein gutes Beispiel dafür, dass es sich lohnt. Man muss die Finals zelebrieren, da dürfen keine anderen Spiele ausgetragen werden. Ansonsten schadet man sich selbst.

Wie geht es weiter in Hostert? Mit Anne Simon verlässt ja immerhin eine Leistungsträgerin den Klub …

Wir versuchen uns zu verstärken. Wir hätten gerne junge Spielerinnen, aber das scheint schwierig zu werden. In Hostert gibt es eine Unmenge an Talenten im weiblichen Nachwuchs, aber es dauert halt noch etwas, bis sie reif genug sind. Es ist mein Anliegen, dass es kein einmaliges Highlight bleibt. Mit den Profis sind wir in Verhandlungen und möchten beide gerne behalten. Aber mit den Leistungen bekommen sie natürlich andere Angebote. Wir schauen uns auch alternativ um.


Grün soll nachhaltig wirken

Hostert ist durch seinen Fußballverein US Hostert, der letztes Jahr im Pokalfinale knapp im Elfmeterschießen unterlag, und jetzt auch durch den BBC Gréngewald Hostert in aller Munde. Dabei ist Hostert neben Ernster die kleinste Ortschaft der 6.200 Einwohner starken Gemeinde Niederanven, die bereits herausragende Sportler wie die Radsportlegende Kim Kirchen und die junge Karateka Kimberly Nelting feiern konnte. Nach 72 Jahren tritt der 1947 gegründete Basketballverein nun aus seinem Schattendasein heraus. „Dieser Erfolg gibt uns sicherlich einen neuen Aufschwung“, so der Schriftführer des Vereins, Claude Wilwerding. „Das Finale war eine große Werbung für den Damenbasketball und hoffentlich auch für unseren Verein. Direkt hatten wir mit diesem Ausgang nicht gerechnet.“

320 Lizenzen zählt der Klub, die Jugend ist mit 200 Aktiven gut vertreten, wobei der weibliche Nachwuchs überwiegt. Hostert ist für seine gute Jugendarbeit bekannt, kann auf viele Titel zurückschauen, aber seine Talente haben sich oft anderen Klubs angeschlossen. Ein Dilemma, weil Hostert nie den Sprung nach oben geschafft hat, abgesehen von einigen bedeutungslosen Gastspielen bei den Damen. Mit einigen Transfers wollte man im letzten Jahr die Liga halten und langsam vorne mitmischen. Die Nachwuchsspielerinnen sollen eine Perspektive im eigenen Verein finden, immerhin agieren alle weiblichen Mannschaften erstklassig. Längerfristig sollen die Eigengewächse auf höchster Ebene erfolgreich sein. Es gilt also, die Zeit zu überbrücken, bis diese Talente bereit sind. Mit dem Titelgewinn der Damen ist ein Signal gesetzt. Grün soll nachhaltig wirken.

Diese strukturierte Arbeit, mit Erfolgen auf höchster Ebene, aber ohne den wichtigen Blick auf die Jugend zu verlieren, soll auch im Männerbereich Anwendung finden. Die Verpflichtung von Trainer Frank Baum gewährleistet eine solche Herangehensweise. Mittelfristig peilen die Herren ebenfalls den Aufstieg in die höchste Liga an.


Schrittweise nach oben

Zu Beginn der Saison hatte kaum jemand damit gerechnet, dass der Meister 2019 aus Hostert kommen wird. Die Damen des Gréngewald mussten sich erst einmal finden. Am ersten Spieltag gab es eine 50:80-Klatsche beim Titelverteidiger Steinsel, Anfang Dezember eine weitere bittere Niederlage gegen die Musel Pikes (49:77). Als Tabellenfünfter mit einer Bilanz von zehn Siegen und acht Niederlagen zogen die Spielerinnen von Trainer Hermann Paar in die Titelgruppe ein. Auch in dieser blieb die Bilanz ausgeglichen – fünf Siege und fünf Niederlagen.

Doch Anne Simon und Co. waren in der entscheidenden Phase bereit. Im Meisterschaftshalbfinale schaltete Hostert Titelverteidiger Steinsel in der Best-of-three-Serie glatt mit 2:0 aus und ging am Freitagabend im entscheidenden dritten Finalspiel gegen den großen Favoriten Düdelingen als Sieger hervor. In einem wahren Krimi setzte sich Hostert in letzter Sekunde in der Verlängerung durch (63:62).