/ Wenn der Bandname Programm ist
Auf der Bühne schlängeln sich scheinbar hunderte von Kabeln aus diversen Mischpulten und Effektgeräten gen Boden, wo sie zu einem undefinierbaren Wirrwarr verschmelzen. Für den Laien wird es im Laufe des Konzertes manchmal so wirken, als wären Holy Fuck irgendwelche Magier, die den zahlreichen, obskuren Geräten fremde, ätherische Klänge entlocken. Wie nette, etwas unbeholfene Klangschamanen treten sie auf, sobald sie aber die Knöpfe an den Effektgeräten, Gitarren und Bässen malträtieren, weicht jede Spur dieser vermeintlichen Ungeschicklichkeit.
Genauso präsentiert sich dann auch die Musik von Holy Fuck, deren Set aus 14 Songs irgendwo zwischen den elektronischen Jams der Vessels, der perkussiven Effizienz von 65daysofstatic, den Litaneien der Liars und den atmosphärischen Parts von Mogwai anzusiedeln ist. Denn die Musik der Band schlängelt sich an einer oftmals groovenden Rhythmus-Sektion entlang, bevor sie sich zu einer sehr tanzbaren Mauer aus Krach und/oder eleganten Riffs auftürmt.
Zurückhaltung und Verspieltheit
Holy Fuck teilen etwas mit der amerikanischen Band Brand New, die vor kurzem ihre neue Platte herausgebracht haben: Sie verwirren (wohl bewusst) die Suchprogramme. Googelt man die Band, findet man sie zwar mittlerweile sofort – zu Anfangstagen der Band dürfte man wohl aber eher auf enzyklopädische Erklärungen des Ausdrucks „Holy Fuck“ gestoßen sein.
Diesem Willen zur Internet-Anonymität steht aber auch die Absicht gegenüber, einen sprachlichen Ausdruck mithilfe des Bandnamens in den Schatten zu stellen. Googelt man z.B. heutzutage „Brand New T-Shirt“, stößt man erstaunlich schnell auf Band-T-Shirts – und nicht auf x-beliebige Shirts, die mit ihrer Aktualität werben. Holy Fuck inkarnieren sehr wohl diese Mischung aus Zurückhaltung, Verspieltheit und Wissen um das eigene Talent.
Spektakulärer als im Studio
Holy Fuck sind eine Band, die man live gesehen haben sollte. Einerseits, weil ihre Platten zwar sehr empfehlenswert sind, die Energie und Detailverliebtheit der Konzerte im Studio jedoch nur annähernd vermittelbar sind. Andererseits aber auch, weil sie live einfach überragend sind. Ein Track wie „Stay Lit“ vom Album „Latin“ kriegt hier durch die ausgeprägte Melodieführung und Gesangparts eine viel spektakulärere Dichte als auf der Platte, das energische Schlagzeug, das ein bisschen an Rob Jones von 65daysofstatic erinnert. „Shimmering“ gegen Ende des Sets wartet mit elektronischen Arpeggi auf und klingt ein bisschen wie eine viel spannendere Version eines Vitalic-Songs und bei „Neon Dad“ zeigt die Band, dass ihnen der klarere Gesang auch steht (vorher und danach wird eher Mogwai-artig genuschelt, die Stimme mit Effekten verfremdet). Im Allgemeinen klingt das Set wie eine lange Jam, aus der immer wieder neue grandiose Ideen herausragen. Es war Holy Fucks erster Auftritt in Luxemburg, die Jungs sollte man aber unbedingt gleich mal wieder einladen – auf einem Festival wie dem Out of the Crowd wären sie z.B. sehr gut besetzt.
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