Weltdiabetestag – Ein Betroffener erzählt: „Ich fühle mich nicht, als wäre ich krank“

Weltdiabetestag – Ein Betroffener erzählt: „Ich fühle mich nicht, als wäre ich krank“

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Diabetes Typ 1 ist die seltenere Form der Zuckerkrankheit. Im Gegensatz zu Typ 2 lässt sie sich ausschließlich mit Insulininjektionen behandeln. Frank Ziegler lebt seit drei Jahren mit dieser Autoimmunerkrankung. Dank moderner Technologie beeinflusst die Krankheit seinen Alltag nur wenig.

Tageblatt: Wann und wie haben Sie herausgefunden, dass Sie an Diabetes leiden?

Zur Person

Frank Ziegler ist 41 Jahre alt. Die Diagnose „Diabetes Typ 1“ erhielt er vor drei Jahren. Obwohl die Autoimmunerkrankung zu 50 Prozent erblich bedingt ist, leidet keiner seiner Eltern daran. Der Vater und gelernte Mediengestalter hat sich inzwischen an den Alltag mit Diabetes gewöhnt. Moderne Technologie macht ihm das um einiges einfacher.

Frank Ziegler: Das war vor drei Jahren. Meine Symptome waren sehr typisch. Ich hätte eigentlich nur einen Satz auf Google eintippen müssen und wäre auf Diabetes gestoßen. Ich verlor extrem viel Gewicht, ohne dass ich meine Ernährung umgestellt habe, und hatte extremen Durst. Ich habe fünf bis sieben Liter Wasser am Tag getrunken und bin dementsprechend oft aufs Klo gegangen. Das ging drei bis vier Monate so. Damals habe ich tatsächlich nicht gegoogelt, sondern bin sofort zum Arzt gegangen. Der hat eine Blutanalyse verordnet. Dort war ich am Freitagmorgen. Die Resultate sollten eigentlich am Montag kommen. Meine Werte waren aber so beunruhigend, dass mir noch am Samstag mitgeteilt wurde, ich müsse sofort ins Krankenhaus.

Was wäre passiert, wenn Sie nicht ins Krankenhaus gefahren wären?

Mein Blutzuckerspiegel wäre unaufhörlich weiter gestiegen. Irgendwann wäre ich dann in ein Zuckerkoma gefallen. Es gibt keinen festgelegten Wert, bei dem das passiert, aber er muss schon sehr hoch sein. Ich hatte einen Wert über 400 Milligramm pro Deziliter. Normalerweise liegt dieser bei zwischen 80 und 140. Ich habe aber auch schon von Menschen gehört, die mit Werten von 700 mg/dl nicht umgekippt sind.

Was ist dann passiert?

Zuerst wurde ich beschimpft, weil der Arzt dachte, ich wüsste von meiner Zuckerkrankheit und hätte nicht aufgepasst. (lacht) Als er herausgefunden hat, dass ich zu dem Zeitpunkt völlig ahnungslos war, behielt er mich zwei Wochen im Krankenhaus – erstens, um meinen Blutzuckerspiegel wieder auf ein normales Niveau zu bekommen, und zweitens, damit ich eine Art Schulung mache. Ich musste ja erst lernen, wie ich mir das Insulin spritze, wie ich meine Werte überwache und wie ich meine Ernährung einschätzen soll. Das Insulin muss ich immer in Funktion zum Zuckergehalt der Lebensmittel, die ich zu mir nehme, dosieren.

Wie sieht Ihr Alltag jetzt aus?

Bevor ich etwas esse, schätze ich, wie viel Zucker darin ist. Dabei hilft mir eine App. Ansonsten ist mein Alltag normal. Ich esse, worauf ich Lust habe, und muss nur immer darauf achten, mein Insulin bei mir zu haben. Traubenzucker führe ich auch stets mit mir, um nicht in ein Zuckertief zu geraten. Ich fühle mich eigentlich nicht, als wäre ich krank.

Und ansonsten?

Ich muss zugeben, dass ich weniger Süßes zwischendurch esse als noch vor der Diagnose – aus dem ganz einfachen Grund, dass ich vor jedem noch so kleinen Essen Insulin spritzen muss. Das nervt dann doch zu sehr, sodass ich mir Snacks verkneife. Was ja nicht unbedingt schlecht ist. (lacht) Mein Geschmackssinn hat sich inzwischen meiner Zuckerkrankheit angepasst. Früher habe ich meinen Kaffee zum Beispiel mit drei Würfeln Zucker getrunken, seit drei Jahren trinke ich ihn schwarz. Viele Dinge wie Süßigkeiten oder Gebäck schmecken mir nicht einmal mehr, weil ich sie einfach als zu süß und dadurch als unangenehm empfinde.

Sie tragen eine Art Patch am Oberarm. Was hat es damit auf sich?

Das Patch wird wie ein Pflaster aufgeklebt und nennt sich „Freestyle Libre“. Es ist seit drei Jahren auf dem Markt, die Kosten werden seit knapp einem Jahr von der Krankenkasse zurückerstattet. In der Mitte dieses Pflasters befindet sich eine kleine Nadel, die bis in die Fettschicht der Haut eindringt. Diese misst meinen Blutzuckerspiegel rund um die Uhr. Anhand einer App auf meinem Handy kann ich, wenn ich das Gerät gegen das Patch halte, ablesen, wie hoch oder niedrig mein Blutzuckerspiegel gerade ist.

Davor mussten Sie sich täglich in den Finger pieksen.

Ja, „Freestyle Libre“ ist schon eine sehr praktische Innovation. Bevor es das gab, musste ich mir jeden Tag ganze siebenmal in den Finger stechen. Dazu kommt, dass manchmal kein Blut kam, sodass ich noch einmal pieksen musste. Das wird schnell schmerzhaft und führt mit der Zeit dazu, dass man das Gefühl in den Fingern verliert. Deshalb soll man auch nur an Mittel-, Ring- und dem kleinen Finger messen, damit der Daumen und der Zeigefinger intakt bleiben. Ich kenne Menschen, die das über viele Jahre machen mussten und dadurch keine Gitarre mehr spielen können. Das Patch hingegen muss nur alle zwei Wochen gewechselt werden. Das ist ein großer Gewinn an Lebensqualität.

Ein zusätzliches Plus: Im Sommer erkennt man Diabetes-Kranke an dem Patch. Fallen sie in Ohnmacht, wissen die Menschen um sie herum schneller, was zu tun ist.

Wie genau funktioniert das Messgerät?

Das Messgerät speichert die Daten der letzten acht Stunden. Das ist auch deshalb wichtig, weil ich eine Übersicht darüber habe, wie sich mein Blutzuckerspiegel nachts verhält. Viele haben das Problem, dass sie im Schlaf in ein Zuckertief geraten. Das kann sehr gefährlich werden. Dank der Kurve, die in der App angezeigt wird, sehe ich, wie ich mein Insulin abends vor dem Schlafengehen dosieren muss. Das ist ein zusätzlicher Sicherheitsgewinn.

Sie können also sozusagen auf sich selbst aufpassen.

Genau. Die diesbezüglichen Fortschritte sind riesig. Noch vor 30 Jahren mussten Diabetes-Patienten einmal die Woche zum Arzt. Der konnte dann auch nur eine Momentaufnahme ihres Blutzuckers messen, die eigentlich überhaupt nichts aussagt. Die Gegebenheit, dass Diabetiker heute viel besser auf sich und ihre Krankheit achten können, spiegelt sich vor allem darin wider, dass weniger Menschen Spätfolgen entwickeln. Ich denke dabei an Augenprobleme oder sogar an Amputationen.

Der Weltdiabetestag steht in diesem Jahr in Luxemburg unter dem Motto Familie. Inwiefern spielt Familie für Sie eine Rolle im Zusammenhang mit der Krankheit?

Für meine neunjährige Tochter besteht eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass sie auch einmal an Diabetes erkrankt. Sie sieht ja jetzt an ihrem Vater, wie das wäre und worauf sie sich einstellen müsste. In unserem Kühlschrank liegt eine Glukagon-Spritze für den Notfall. Falls ich einmal umfallen würde – was zum Glück noch nie passiert ist –, muss meine Frau mir die ins Bein jagen. (lacht)

Ich glaube, für meine Frau war es besonders am Anfang schwerer als für mich, damit umzugehen. Als Betroffener habe ich schließlich keine andere Wahl, als damit zu leben. Die Menschen um dich herum haben es in dem Sinne schwerer, weil sie nicht wissen, wie sie dir helfen können. Sie können eigentlich auch nicht viel tun und fühlen sich dann hilflos. Inzwischen haben wir uns aber super eingependelt.


Die Aufgabe des Insulins im Körper

Am heutigen Mittwoch ist Weltdiabetestag. Diabetes – im Volksmund auch die Zuckerkrankheit genannt – betrifft 25.000 Menschen in Luxemburg. Weltweit sind es 425 Millionen. Die „Fédération internationale du diabète“ spricht von einer regelrechten Pandemie. Doch was passiert genau bei der Krankheit im Körper?

Es gibt zwei Typen von Diabetes. Beide haben etwas gemeinsam: Mit dem sogenannten Insulin im Körper stimmt etwas nicht. Das Insulin ist ein Hormon, das alle Wirbeltiere zum Überleben brauchen. Es ist maßgeblich an der Regulation des Stoffwechsels, insbesondere der Kohlenhydrate im Körper, beteiligt. Insulin regt die Körperzellen dazu an, Glukose, also Zucker, aus dem Blut aufzunehmen. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel und die Zellen wandeln den aufgenommenen Zucker in Energie um.

Insulin wird von sogenannten Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse produziert. Leidet ein Mensch nun unter Diabetes Typ 1, einer Autoimmunerkrankung, greift sein Körper die eigenen, insulinproduzierenden Beta-Zellen an. Dadurch wird die Produktion des überlebenswichtigen Hormons immer weniger, bis sie schließlich komplett stockt. Der Patient kommt in diesem Fall nicht drum herum, sich Insulin zu spritzen.

Typ 2 häufigste Form

Bei Diabetes Typ 2 produziert die Bauchspeicheldrüse immer noch Insulin, der Körper kann dieses allerdings nicht verwerten. Der Zucker bleibt im Blut. Das Blut wird folglich dickflüssiger. Sylvie Paquet von der „Association luxembourgeoise du diabète“ vergleicht es dann mit Honig oder Sirup: „Ist zu viel Zucker im Blut, schädigt das die Organe und die Augen.“

Diabetes Typ 2 ist bei Weitem die häufigste Form der Krankheit. Es ist gleichzeitig aber auch die Form, die sich mit einer gesunden Ernährung, regelmäßiger Bewegung und Gewichtsreduktion und/oder oraler Medikation behandeln lässt. „Dennoch gibt es Menschen, die sehr gesund leben und trotzdem unter Diabetes Typ 2 leiden“, betont Sylvie Paquet. „Woran das liegt, muss noch erforscht werden. Derzeit wird aber bereits darüber debattiert, ob Typ 2 nicht in mehrere Unterkategorien unterteilt werden muss.“