„Welcome to Lëtzebuerg“ – Luxemburg und die Macht der Namen

„Welcome to Lëtzebuerg“ – Luxemburg und die Macht der Namen
2016 wurden die meisten Mädchen in Luxemburg Emma getauft.

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Sie heißen „Luxembourg for Finance“, „House of Entrepreneurship“ oder auch „Lëtzebuerg City Museum“: Immer mehr luxemburgische Institutionen erhalten englische Namen. Ist das nur Zufall oder doch ein Zeichen für eine sprachliche Veränderung? Nomen est omen oder Schall und Rauch?

Als Luxemburg 1841 seine eigene Verfassung erhielt, machten sich wohlhabende Bürger daran, einen eigenen Staatsapparat zu erschaffen: Bildungs- und Verkehrswesen sowie Verwaltungen und Gesellschaften sind aus dem Boden gestampft worden. Das Land erlebte ein „Gesetzgebungsfeuerwerk“, wie der Historiker Norbert Franz diesen Prozess in den 1840er-Jahren treffend zusammenfasst.

Und die neuen Institutionen erhielten Namen in den beiden damaligen Landessprachen: „Administration des travaux publiques“ bzw. „Einrichtung der Bauverwaltung“, „Administration des Postes“ bzw. „Einrichtung der Postverwaltung“ oder auch „Société archéologique“ bzw. „Archäologische Gesellschaft“.

Wenn heute mehr als 175 Jahre später neue Institutionen in Luxemburg entstehen, heißen sie hingegen „House of Entrepreneurship“, „Digital Luxembourg“ oder auch „Lëtzebuerg City Museum“. Es sind meistens englischsprachige Namen oder hybride Formen auf Luxemburgisch und Englisch. Französische Namen kommen hingegen nur noch selten vor – deutsche überhaupt nicht. Doch warum ist das eigentlich so? Ist das nur eine Modeerscheinung oder steckt dahinter doch eine Veränderung der Sprachinstitution in Luxemburg?

Sprache als Habitus

Wenn es nach Soziologen geht, dann handelt es sich jedenfalls nicht um Zufall. Denn hinter Namen und Begriffen verstecken sich Machtstrukturen. Die Art und Weise, wie wir reden, uns ausdrücken und artikulieren, verrät einiges über den gesellschaftlichen Status und Stellenwert. Sprache ist Habitus, und Namensgebung ebenso.

Zudem gelten Namen als Instrument zur Reproduktion von Herrschaftsverhältnissen. Während der NS-Besatzung (1940-1944/45) sind Namen zwangsweise eingedeutscht worden. Aus „Jean“ wurde „Johann“, aus „Pierre“ „Peter“. In patriarchischen Gesellschaften überträgt der pater familias seinen eigenen Namen an den männlichen Erstgeborenen. Und der Streit um den Namen „Mazedonien“ hat Griechenland und das Land Mazedonien bis vor Kurzem über Jahrzehnte zutiefst gespalten. Kurz: Namen sind nicht nur „Schall und Rauch“, wie es in Goethes „Faust“ heißt, sondern auch Omen – sie können so einiges offenbaren.

Wenn luxemburgische Institutionen in der Gegenwart zunehmend englischsprachige Namen tragen, dann deutet das schlichtweg darauf hin, dass diese Sprache an Stellenwert gewonnen hat.

Neue Lingua franca

So sieht es auch Fernand Fehlen, emeritierter Soziolinguist der Universität Luxemburg. „Das Gleichgewicht der Mehrsprachigkeit wird gerade in Luxemburg neu ausgehandelt“, so der Soziologe. „Und das manifestiert sich auch an den Namen der Institutionen.“
Dabei plädiert Fehlen dafür, die Sprachensituation historisch zu analysieren. Bis zum Ersten Weltkrieg dominierte in Luxemburg die deutsche Sprache. Erst nach den beiden Weltkriegen übernahm das Französische diese Rolle. Und gleichzeitig entwickelte sich die Vorstellung der Dreisprachigkeit. Das Luxemburgische emanzipierte sich vom Dialekt zur Eigensprache.

Zeitleiste: Der Geschmack der Luxemburger Eltern änderte sich im Wandel der Zeit.

Dabei stellt Fehlen seit Längerem fest, dass die Vorherrschaft des Französischen gebrochen ist. „Die Sprache ist immer noch von gesellschaftlicher Bedeutung, aber sie hat den Status der Elitensprache verloren.“

Fehlen führt dafür drei Gründe an. Zum einen die Globalisierung: Die internationale Verflechtung der Wirtschafts- und Finanzwelt führe dazu, dass Englisch an Bedeutung gewinnt. „Englisch ist die Sprache der Finanzwelt.“ Deshalb haben global denkende Unternehmen oder Institutionen auch englischsprachige Kampagnen sowie englische Namen.

Je mehr Sprachen desto mehr Englisch

Ein zweiter Grund liegt laut Fehlen in der Osterweiterung der Europäischen Union. „The more languages, the more English“, so der Soziologe. Je mehr Sprachen hinzustoßen, desto gewichtiger die Rolle von Englisch als Lingua franca. Und der dritte Grund für den englischen Aufstieg liegt in der Popkultur. Ob Kino, Romane oder Netflix und Youtube – Englisch ist die unumstrittene Königin der Popkultur.

Der meistgewählte Jungenname war 2016 „Gabriel“

Auch Linguist Peter Gilles (Universität Luxemburg) will einen Bedeutungsgewinn des Englischen bei gleichzeitigem Bedeutungsverlust des Französischen in Luxemburg feststellen. Der Wandel der institutionellen Namen sei ein klarer „Indikator“ dafür.
So ist zum Beispiel vor Kurzem das „Office national du tourisme“ in „Luxembourg for Tourism“ umgetauft worden, das „Musée d’histoire de la ville de Luxembourg“ in „Lëtzebuerg City Museum“ und das „Centre de recherche public Henri-Tudor“ nach der Fusion mit anderen „Centres“ in „Luxembourg Institute of Socio-Economic Research“.

Dieser Wandel ist dabei schleichend. Wer mit den Verantwortlichen redet, erhält pragmatische Antworten: Englisch würde mehr Menschen ansprechen und den weltgewandten Charakter der eigenen Institution unterstreichen. Dahinter steckt also kein Masterplan, die Sprache gezielt zu fördern oder das Französische zu verdrängen – es hat sich schlichtweg so ergeben. Aber es stellt dennoch die Dreisprachigkeit infrage. Laut Fehken gehöre zum neuen elitären Habitus in Luxemburg „‚à l’aise‘ in mehreren Sprachen zu sein – und vor allem im Englischen“.

Emma, Mia, Luca

Dabei zeigt auch ein Blick auf die Vornamen von Neugeborenen, dass es einen deutlichen Wandel in Luxemburg gibt. Noch um das Jahr 1900 bis in die 1950er Jahre waren französische Namen wie „Jean“ und „Marie“ Standard. Ab den 1970-Jahren stoßen zunehmend englische bzw. amerikanische Namen wie „Tom“ und „Steve“ hinzu. Und seit dem 21. Jahrhundert sind die Namen zunehmend internationalisiert. Kurze Namen ohne klare definierbare Herkunft.

„Emma“ war 2016 bei den Mädchen der beliebteste Vorname in Luxemburg

„Es fehlt noch an Forschung“, sagt Linguist Gilles. Aber dennoch können sich einige Tendenzen aufzeigen lassen. So sind die Menschen im vorwiegend katholischen Luxemburg (#Marienland) lange Zeit nach Heiligen genannt worden oder erhielten die Namen ihrer Pateneltern. Dadurch haben sich die Namen „Marie“, „Jean“ und „Anne“ so lange reproduziert. Für Gilles ergibt sich jedoch eine Luxemburger Eigenheit. Offiziell tragen bzw. trugen die Menschen zwar die französischen Namen „Catherine“, „Joseph“ oder „Jean“ – aber von Freunden, Bekannten und Familie werden sie „Ketty“, „Jos“ oder „Jang“ genannt.
Nach 1968 macht sich dann der Einfluss der englischsprachigen Popkultur sichtbar und die katholische Dominanz beginnt zu bröckeln. Die neuen Heiligen sind Popstars wie etwa Tom Jones oder der Kater aus „Tom und Jerry“, Patrick Swayze, Kevin Costner oder Kevin aus „Home Alone“.

Seit Kurzem gehe der Trend hingegen zu kürzeren und internationalen Namen. Der Einfluss von Migration spiele hier ebenso eine Rolle wie die einfache Aussprache. Es gäbe immer noch kurzfristige Modeerscheinungen, aber Linguist Gilles geht davon aus, dass auch in Zukunft noch Neugeborene Emma und Noah genannt werden. Eine Präferenz für englische oder gar luxemburgische Namen lasse sich anders als bei Institutionen dabei nicht erkennen.

Übrigens: Der Name „Pol“ soll eine Anomalie sein. Es sei der einzige Name, der luxemburgisiert wurde. „Das Pol-Syndrom ist meines Wissens eine Ausnahme“, so Gilles, „aber es fehlen leider genaue Zahlen.“ Pol ist also nur Schall und Rauch.

roger wohlfart
17. August 2018 - 18.48

Diese Verenglischung findet in fast allen Ländern statt, sogar in Frankreich. Es kommt grösstenteils daher, dass die Computersprache Englisch ist und diese technischen Begriffe schwer in eine andere Sprache zu übersetzen sind. Aber machen wir uns nichts vor, Englisch ist die Weltsprache schlechthin ob man das jetzt gut findet oder nicht. Trotzdem sollen wir Luxemburger unsere Sprache, unseren moselfränkischen Dialekt, nicht vernachlässigen sondern pflegen und hochschätzen. Das eine schliesst das andere nicht aus. Schliesslich ist Französisch ja auch unsere Amtssprache , was uns nicht daran hindert Luxemburgisch zu sprechen und zu schreiben. " Zu Lëtzebuerg schwätze mer Lëtzebuergesch ".