Wasserbillig – Mehr als nur Tank und Rast

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Wasserbillig, am Zusammenfluss von Sauer und Mosel gelegen, ist über die Landesgrenzen hinaus in erster Linie durch den seit Jahrzehnte anhaltenden Tanktourismus bekannt. Günstiger Treibstoff, Zigaretten, Kaffee sind die Objekte der Begierde, insbesondere bei unseren deutschen und französischen Nachbarn. Dass die 3.000-Seelen-Gemeinde jedoch auch Historisches zu bieten hat, wissen wohl nur geschichtlich interessierte Zeitgenossen. Bei einem geführten Stadtrundgang erfuhren wir Erstaunliches.

Von Herbert Becker

Tourist-Guide Piet Kanstein vom „Office du tourisme Miselerland“ erwartet unsere wissbegierige Gruppe am wohl bekanntesten Platz der Gemeinde, „Op der Spatz“, an der Mündung von Sauer und Mosel. Hier, wo alljährlich das beliebte „Spatzfest“ stattfindet und wo sich tagtäglich Dutzende Tierfreunde einfinden, um Enten und Schwäne zu füttern und zu beobachten, startet unsere Exkursion.

Hier in Wasserbillig, erklärt Piet, stießen gleich zwei Römerstraßen aufeinander, eine aus Richtung Norden von Lellingen herkommend, die andere aus Thionville. Aber bevor die Römer hier sesshaft wurden, gab es schon vorchristliche Siedler mit Kelten und Merowingern, wie zahlreiche Ausgrabungsfunde belegten. Erste urkundliche Erwähnung fand der seinerzeit „Billiacum“ genannte Ort im Jahr 916.

Auf der „Spatz“ stand auch die erste Kirche des Ortes, deren Abriss aber schon 1790 erfolgte, da sie zu klein geworden war. Grund dafür war in erster Linie die Tatsache, dass die Gemeinde Oberbillig (heute auf der deutschen Flussseite gelegen) zu Wasserbillig gehörte, jedoch keine eigene Kirche und keinen Friedhof besaß, seit dem 17. Jahrhundert funktioniert daher auch schon der rege Fährverkehr zwischen beiden Orten. Nach dem Wiener Kongress wurden die Landesgrenzen neu festgelegt, Oberbillig war fortan preußisches Territorium.

Monumentales Mosaik auf der „Spatz“

Piet führt uns zu dem monumentalen Mosaik auf der „Spatz“, gestiftet von der ehemals in Wasserbillig ansässigen Firma „Cérabati“. Das Mosaik zeigt die zwölf Luxemburger Kantone. „Cérabati“, erklärt Piet, wurde 1873 als Tonplattenfabrik gegründet, war größter Arbeitgeber der Gemeinde und hatte Bestand bis 1990.

Wir gehen entlang der Esplanade zum im Ortskern gelegenen Bahnhof. Gleich zwei seinerzeit bedeutende Bahnlinien führten nach oder über Wasserbillig. Der erste Bahnhof wurde 1861 für die Wilhelm-Luxemburg-Bahn eröffnet, eine für Preußen strategisch wichtige Strecke in Richtung Frankreich.

Die aus Diekirch kommende Prinz-Heinrich-Bahn wurde 1874 eröffnet, ihre Stilllegung erfolgte 1963. Seither wurde das imposante Bahnhofsgebäude als Rathaus verwendet.

Bedeutung erfuhr Wasserbillig auch im Postwesen: Die erste Poststelle im Großherzogtum wurde hier 1875 eröffnet.

Unser Weg führt hinter die „Mairie“ in einen kleinen Park. Hier erinnert ein Kalksteinmonument an dramatische Zeiten des Zweiten Weltkrieges, als sich 1.500 Bewohner im Herbst 1944 vier Wochen lang in den Kalksteinhöhlen vor den Besatzern versteckten.

Weltweit bekannte Rosenzucht

Ein weiteres dunkles Kapitel, berichtet Piet, war das Jahr 1842, als ein verheerendes Feuer fast den kompletten Ort zerstörte. Nur elf von 54 Häusern blieben verschont, fortan durften beim Hausbau kein Stroh und keine Schindeln mehr verbaut werden. Sogar weltweite Bedeutung erfuhr die kleine Gemeinde Mitte des 19. Jahrhunderts. Viele Bewohner zog es nach Deutschland, um dort die Kunst der Rosenzucht zu erlernen. Mehr als 1.200 Sorten wurden in Wasserbillig gezüchtet, ein Großhändler in der Hauptstadt vertrieb diese weltweit.

 

Weiter geht es zum landesweit bekannten Aquarium, in dem Fische aus aller Welt zu sehen sind. Eine Besonderheit stellt das größte Becken mit allen Arten aus Mosel und Sauer dar.

 

Gleich dahinter, direkt am Sauerufer gelegen, zeigt Piet uns die „Schützwiese“. Diese fungierte den Soldaten in früheren Zeiten als Exerzierplatz, später diente er den Waschfrauen als Bleiche für die Wäsche.

Unser letzter Stopp ist die ehemalige Pumpstation aus dem 19. Jahrhundert, die erbaut wurde, um die Dampflokomotiven mit Wasser zu befüllen. Unser Rundgang endet an der Brücke, einst von den Römern erbaut, dann durch eine Holzbrücke ersetzt, seit 1800 etwa steht hier eine Steinbrücke.

Am Ende gibt Piet noch eine Anekdote zum Besten. Im November 1918 begab sich der aus Langsur stammende Schreiner Matthias Schlerp auf seinen täglichen Weg zur Arbeit. Ein preußischer Offizier fragte ihn nach seinem Passierschein, worauf Schlerp entgegnete: „Ich Matthias Schlerp, brauche keinen Passierschein mehr, ab heute bin ich Europäer und ihr werdet es auch irgendwann sein!“
Fürwahr, er sollte recht behalten.