Wasser statt Kohle – und am Ende nix: Die Geschäftsideen des Grafen De Saintignon

Wasser statt Kohle – und am Ende nix: Die Geschäftsideen des Grafen De Saintignon

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Eisenerz gab es in unserem Land. Das stellte man so um 1840 fest. Doch es fehlte der Brennstoff, nämlich Steinkohle, die das Minette-Gestein im Hochofen zum Schmelzen bringen soll. Die gab es nicht in unseren Gegenden. Deshalb mussten sich die neuen Hütten, die Ende des 19. Jahrhunderts überall im Süden des Landes entstanden, die Zufuhr von Kohle sichern.

Von Roby Fleischhauer

Die Schmelzen kauften Kohlezechen in Deutschland oder Frankreich oder schlossen Verträge für eine durchgehende Lieferung. So ging bereits im Jahre 1899 die „S.A. des hauts-fourneaux de Differdange“ eine Fusion mit den Kohlengruben „Dannenbaum“ von Bochum ein und nannte sich fortan „S.A. des hauts-fourneaux forges et charbonnages de Differdange-Dannenbaum“. Es gab darum auch eine „Dannenbaum“-Straße in Oberkorn (heute rue Prince Henri). Der Graf Fernand de Saintignon, vormaliger Besitzer der „forge de Lasauvage“, der dortigen Erzgruben sowie eines Hüttenwerkes in Longwy, machte sich so seine Gedanken. Er fragte sich, warum es keine Kohleflöze in Luxemburg bzw. im nahen Longwy gab, wo doch Kohle im nahen Frankreich, im Saarland und in Belgien gefördert wurde. Eine heimische Steinkohle würde ganz sicher die Produktion der Hütten um vieles verbilligen.

Der Graf zögerte nicht lange und gab im Jahre 1907 Probebohrungen in Longwy in Auftrag, genauer im „Parc des Récollets“, der ihm gehörte („Les Récollets“ sind ein französischer katholischer Orden). Die Bohrgesellschaft von Erkelingen (unser Bild) richtete hier ihren Bohrturm auf. Und tatsächlich stieß sie auf ein etwa 20 Zentimeter dickes Kohleflöz. Der Jubel war groß. Die Zeitungen berichteten voller Begeisterung darüber. Schon stellte man sich das ganze Erzbecken mit einer neuen Kohleindustrie vor. Das Minette-Bassin wäre dann die erste Gegend auf der Welt, wo Kohle und Eisenerz beisammen seien. Man vermutete, dass es sich um eine Fortsetzung der Kohleschichten des Saarlandes handelte.

Die Schicht müsste allerdings mächtiger sein, wurden Stimmen laut. Die Begeisterung war nicht einhellig im Land. Die bestehenden Hütten hatten bereits ihre Kohlelieferanten oder besaßen eigene Zechen und wollten sich nicht selbst Konkurrenz machen. Am 3. Januar 1909 behauptete Villain, Kohlengruben-Direktor in Lothringen, bei einer Versammlung luxemburgischer Ingenieure, dass eine Förderung von Luxemburger Steinkohle niemals rentabel sein könne. Diese Aussage war jedoch mit Vorsicht zu genießen, galt es doch, den Lothringern keine unnötige Konkurrenz zu verschaffen.

Kohle oder Heilwasser

De Saintignon bohrte weiter im „Parc des Récollets“ – und siehe da, bei 353 Metern sprudelte der Bohrmannschaft aus einem artesischen Brunnen ein 24 Grad warmes Wasser entgegen, also richtiges Mineralwasser. Die Quelle lieferte 15 Kubikmeter pro Stunde. Der Graf, der nie um eine Idee verlegen war, sah jetzt eine neue Herausforderung auf sich zukommen. Aus der Industriestadt Longwy könnte man ein Thermalbad machen, „Longwy-les-Bains“ sozusagen. Die Quelle wurde überdeckt, es wurde eine Abfüll- und Versandstation in Longwy-Bas gebaut, die noch heute steht. Auf dem großen Platz errichtete man das „Hôtel des Récollets“ (die heutige „mairie“). Zusätzlich dachte der Graf an das schöne Tal Lasauvage. Hier errichtete er ein Bäderhaus für die Kurgäste. Sie sollten mit der kleinen Privatbahn des Grafen dorthin gebracht werden. Das Gebäude – der sogenannte „Balcon“ links, wenn man von Niederkorn nach Lasauvage hinunterfährt – steht noch heute.

Weil sich die Quelle im „Parc des Récollets“ befand, nannte der Graf das Wasser „Eaux des Récollets“, zu Deutsch „Recolletten-Sprudel“. Ob das Wasser gesundheitsfördernd war, ist schwer einzuschätzen. Die „Commission des eaux minérales“ der „Académie nationale de médecine“, an die sich De Saintignon wandte, untersuchte den Mineralgehalt des Wassers. Sie schrieb in ihrer Einschätzung: „La Commission propose à l’Académie de déclarer que la source ‚des Récollets‘ ne paraît présenter, par sa minéralisation, aucune indication précise de propriétés thérapeutiques, et que, dans ces conditions, l’autorisation ne pourrait être éventuellement accordée que si des travaux établissant nettement la valeur thérapeutique de cette eau étaient soumis à l’appréciation de l’Académie.“ Andere Institute stellten ebenfalls fest, dass das Wasser des Grafen eigentlich keine speziellen Mineralstoffe enthielt.

Wie man jedoch in der Anzeige in den Tageszeitungen lesen kann, sollte der „Recolletten-Sprudel“ fast alle Gebrechen und Krankheiten heilen: Die Nieren- und Harnorgane würden gereinigt, das Wasser wirke gegen Darmträgheit und Verstopfung, stelle ein Mittel gegen Harngries (Blasensteine), Gicht und sogar sog. „Frauenkrankheiten“ dar. Doch es sollte nicht so weit kommen: Der Erste Weltkrieg zerstörte alle Träume einer Bäderstadt in Longwy und einer neuen Einnahmequelle für den Grafen De Saintignon. Die Quelle versiegte irgendwann. So blieb am Ende weder Kohle noch Mineralwasser übrig.