Was Sie schon immer über den Index wissen wollten …

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Indextranche fällig! Heute steigen sämtliche Einkommen um 2,5 Prozent. Doch warum ist das eigentlich so? Wie funktioniert der Indexmechanismus? Und warum lässt sich Etienne Schneider dafür feiern? Der Index für Anfänger.

Was ist der Index?

Es handelt sich um eine wissenschaftliche Kennzahl für die Preisentwicklung. Der Index misst anhand eines Korbs die durchschnittliche Preisveränderung ausgewählter Waren und Dienstleistungen. In Luxemburg werden alle Löhne, Gehälter und Renten an die Steigerungen der Verbraucherpreise angepasst. Dieses politische Instrument der automatischen Anpassung der Einkommen an die Lebenshaltungskosten wird hierzulande auch „Indexregelung“ genannt.

Seit wann gibt es den Index?

Seit 1921. Damals wurde ein erster Preisindex und eine entsprechende Indexregelung in Luxemburg für Gehälter und Renten von Eisenbahnbeamten eingeführt. Das Indexsystem wurde in den folgenden Jahren ausgedehnt und schließlich per Gesetz am 27. Mai 1975 durchgängig vorgeschrieben. Seither unterliegen alle Einkommen im privaten und öffentlichen Sektor sowie Renten und Ausbildungsvergütungen der Indexregelung.

Wie wird der Index berechnet?

Auf Basis eines Warenkorbs. In den 1920er Jahren beruhte die Berechnung noch auf einem überschaubaren Warenkorb mit 19 Konsumgütern – darunter Bier, Brot und Butter. Mittlerweile sind die Dinge komplexer geworden: Der Warenkorb enthält laut Statec rund 20.000 Dienste und Produkte. Jeden Monat zeichnet Statec die Preise auf und vergleicht sie mit dem Monat zuvor. Die Aufzeichnung geschieht dabei zum Teil noch manuell – die Beamten laufen durchs Land und registrieren die Preise, z.B. von Friseurläden, Autoverkäufern oder Restaurants. Mittlerweile werden aber auch viele Preise digital über das Internet erhoben oder direkt durch Scannerkassen in Supermärkten.

Warum kommt die Indextranche gerade jetzt?

Nun wird’s etwas kompliziert. Nachdem die Beamten die Preise ermittelt haben, errechnen sie einen Punktwert. Sie unterteilen die Waren in unterschiedliche Kategorien und gewichten sie je nach gesellschaftlicher Relevanz. Der Punktwert beruht dabei auf der Basis der Preise vom 1. Januar 1948. Wenn der Punktwert nun einen gewissen Stand überschreitet, wird automatisch eine nächste Indexerhöhung fällig. Als Faustregel gilt: Wenn die Preise um 2,5 Prozent steigen, wird auch eine Indextranche von 2,5 Prozent fällig. So war es auch diesmal: Im Juli ist der vorher definierte Punktwert überschritten worden, eine Indextranche steht automatisch an.

Hat die Regierung etwas damit zu tun?

Nein. Die Indexregelung ist zwar ein politisches Instrument, allerdings funktioniert sie unabhängig vom Willen der Politiker. Sie beruht lediglich auf der Preisentwicklung. Steigen die Preise, greift die Indexregelung. Es ist demnach unsinnig, der aktuellen Regierung politisches Kalkül zu unterstellen, dass die Indextranche so kurz vor den Wahlen fällt. Ebenso unsinnig ist es jedoch, dass sich Regierungsparteien für die Indextranche selbst feiern.

Die Politik hat also keinen Einfluss darauf?

Nicht ganz. Die Politik kann qua Gesetz natürlich Eingriffe vornehmen oder das Instrument völlig abschaffen. So wurden etwa 2006, nachdem die Tabakpreise stark anstiegen, die Akzisen auf Tabakprodukte neutralisiert und nicht mit in den Warenkorb genommen. Zudem hat die Politik nach den Krisenjahren 2012 ein Gesetz erlassen, um die Indextranche trotz Inflation nach hinten zu verschieben. Man sprach von Indexmodulierung. Zudem gab es in dieser Zeit Diskussionen über eine neue Zusammensetzung des Warenkorbs bzw. der Berechnung des Indexwerts. Benzin- und Dieselpreise sowie Alkohol sollten ausgenommen werden. Aktuell wird dabei das Indexsystem von keiner politischen Partei ernsthaft angefochten.

Wie oft wird eine Indextranche fällig?

Das hängt von der Preisentwicklung ab. Steigen die Preise auf dramatische Weise, können auch mehrere Indextranchen innerhalb eines Jahres anfallen. So zum Beispiel 1982, als vier Indexanhebungen anfielen. 1991 gab es zwei, 2015 und 2016 keine. Seit 2000 ist grob gesagt rund jedes Jahr eine Indextranche angefallen.

Gibt es den Indexmechanismus in jedem Land?

Nein. Im Gegenteil. Luxemburgs flächendeckendes Indexsystem ist so ziemlich einzigartig. Innerhalb der Europäischen Union gibt es nur in Belgien ein vergleichbares System, in dem es einen entsprechenden Mechanismus zur gesetzlichen Inflationsanpassung der Löhne gibt. In den meisten Ländern sind Indexklauseln jedoch in Tarifverträgen verbreitet.

Was sind die Argumente für das gesetzliche Indexsystem?

Die Indexregelung dient dazu, die Einkommen der Bürger an die Inflation anzupassen. Damit soll der Wohlfahrts- und Kaufkraftverlust der Menschen verhindert werden. Zudem gilt der Index als soziale Errungenschaft und Instrument, das einen stabilen sozialen Frieden garantiert. Die Gewerkschaften in Luxemburg müssen nicht wie etwa in Frankreich oder Deutschland heftige Kämpfe mit den Arbeitnehmern austragen, damit die Löhne angehoben werden. Kurz: Eine institutionalisierte Einkommenserhöhung beugt Streik vor und sorgt für Ruhe.

Was sagen die Kritiker?

Viele Ökonomen raten von der Lohnindexierung ab – das System entspricht nicht der geläufigen Lehrbuchmeinung. Ökonomen sprechen von einem kumulativen Effekt – einer Spiralwirkung der Inflation. Auf Preiserhöhung folgt Lohnerhöhung, hierauf folgt Preiserhöhung usw. Statec hat jedoch vor Kurzem die Auswirkungen der Indexregelung zwischen 1970 und 2012 in Luxemburg analysiert. In einem Konjunkturbericht von 2017 kommt die Behörde zum Fazit, dass sich ein solcher kumulativer Effekt für Luxemburg nicht feststellen lasse. „Une tranche indiciaire ne contribuerait que marginalement au déclenchement de la suivante.“

Die Arbeitgeberseite sieht zudem durch die dirigistische Wirtschaftspolitik die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Ein weiteres Argument der Kritiker bezieht sich auf den Einheitswert von 2,5 Prozent für alle Löhne. Demnach sei es ungerecht, dass alle Einkommen mit dem gleichen prozentualen Wert angehoben werden. Als Beispiel: Ein Mindestlohnempfänger mit rund 2.000 Euro brutto erhält nach einer Indextranche 2.050 Euro brutto. Eine Person, die 10.000 Euro monatlich verdient, bekommt hingegen 10.250 Euro. Wer mehr hat, kriegt mehr – wer weniger hat, kriegt weniger. Kurz: Die Indexregelung trage dazu bei, dass die soziale Schere auseinandergeht. Deshalb fordern manche Kritiker eine Indexdeckelung: Menschen mit hohen Einkommen sollen weniger als 2,5 Prozent erhalten. Befürworter hingegen sagen, dass die Indexregelung kein Umverteilungssystem sei.