Warum die Diskussion um den pränatalen Bluttest keine leichte ist

Warum die Diskussion um den pränatalen Bluttest keine leichte ist

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Ein spezieller Bluttest informiert darüber, ob Ungeborene das Down-Syndrom haben. Das Ergebnis stellt Eltern vor eine heikle Entscheidung.

Für Martine Eischen ist ihr Kind ein Geschenk. Ihre Tochter Catalina ist 21 Jahre alt – und lebt mit dem Down-Syndrom. Nach der Geburt war Martine Eischen verzweifelt. Im ersten Jahr habe sie oft geweint. Sie hat sich Sorgen um die Zukunft ihres Kindes gemacht. „Aber aufgegeben hätte ich meine Tochter nie“, sagt sie.

Seit 2012 gibt es in Luxemburg einen Gentest, der ab der zwölften Schwangerschaftswoche möglich ist. „Non-Invasive Prenatal Testing“ (NIPT) heißt das Verfahren, bei dem Laborexperten in wenigen Millilitern Blut der werdenden Mutter nach Erbmaterial des ungeborenen Kindes suchen. Genauer gesagt: nach genetischen Anomalien im Fötus.

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar von Melody Hansen

Die Tragweite eines Nadelstichs

Risiken für Mutter und Kind gelten beim Test als nahezu ausgeschlossen. In weniger als drei Wochen gibt die Untersuchung Auskunft darüber, ob das 21. Chromosom in den Zellen des Fötus dreifach vorhanden ist. Falls ja, deutet das auf eine Trisomie 21 hin, auch Down-Syndrom genannt. Es ist noch keine definitive Diagnose, aber die Eltern wissen dann, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Kind mit einer geistigen Behinderung erwarten. Aber was tun mit diesem Wissen? Hilft es den werdenden Eltern, sich auf die Zukunft vorzubereiten, ein Kind mit Behinderung großzuziehen? Oder legt ein positiver Befund den Frauen implizit nahe, das Kind nicht zu bekommen?

In Deutschland hat sich um den nichtinvasiven pränatalen Test vor kurzem eine Debatte entfacht. Es geht um die Frage, ob der Test eine Kassenleistung werden soll oder nicht. Ob der Staat, und damit die Gesellschaft, die pränatale Diagnose fördern und für ihre Kosten aufkommen soll oder nicht.

In Luxemburg ist der Bluttest hingegen in manchen Fällen schon seit Jahren eine Kassenleistung. Die CNS übernimmt die Kosten von aktuell 300 Euro bei Müttern, die über 35 Jahre alt sind, sowie bei Risikoschwangerschaften. Dazu gehören schwangere Frauen, die ein auffälliges Ergebnis beim Ersttrimester-Test haben, bei denen eine Chromosomen-Abweichung bei einer früheren Schwangerschaft oder in der Familie bekannt ist.

Trisomie 21 ist keine Krankheit

„Werdende Eltern müssen sich vorher im Klaren darüber sein, wieso sie den Test machen“, sagt Martine Eischen, „oder vielmehr, was sie davon erwarten.“ Auch 20 Jahre nach der Geburt ihrer Tochter werden Eltern mit einem positiven Ergebnis alleine gelassen. Die Entscheidung, den Bluttest zu machen, fällt dagegen leicht – es ist schließlich eine einfache Blutanalyse, nichts Besonderes. „Dadurch wird ein falsches Bild vermittelt“, sagt Eischen. Oft sind sich die werdenden Eltern der möglichen Tragweite nicht bewusst.

Eischen hat sich schon lange das Ziel gesetzt, über das Down-Syndrom aufzuklären. Deshalb gründete sie nach der Geburt ihrer Tochter mit anderen betroffenen Eltern die „Trisomie 21 asbl“. Menschen fürchten schließlich immer das, was sie nicht kennen, so Eischen. Doch: „Trisomie 21 ist keine Krankheit.“ Sie appelliert an die Verantwortung der Ärzte. Diese informieren ihrer Auffassung zufolge zu wenig über die möglichen Konsequenzen des Bluttests.

Ein positiver Bluttest bringt viele weitere Tests mit sich. Und die führen für die Eltern zu Stunden, Tagen und Wochen der Ungewissheit – und zu der vielleicht schwersten Entscheidung ihres Lebens: Bekommen wir dieses Kind?

Zwei von drei Frauen machen den Test

Dr. Marc Peiffer ist Gynäkologe im CHL und Mitglied der „Association des médecins et médecins-dentistes Luxembourg“. Seit zwei Jahren hatte er keine Schwangere mehr, deren Bluttest auf eine Chromosomen-Anomalie hindeuten würde. Dabei schätzt der Arzt, dass sich zwei von drei Frauen für den Bluttest entscheiden. „Das zeigt, wie selten es eigentlich vorkommt“, sagt Peiffer. Laut internationalen Statistiken soll etwa jedes 650. Kind eine Chromosomenstörung haben.

Der Arzt betont, dass der Bluttest keine Diagnose ist, sondern eine Früherkennung. Fällt diese also positiv aus, wird in der Regel eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) durchgeführt – früher die einzige und zudem riskante Möglichkeit, Trisomie 21 bei einem ungeborenen Kind festzustellen. Hierbei wird mit einer langen Nadel Fruchtwasser aus dem Bauch der Mutter entnommen. Es kann zu Verletzungen des Kindes und sogar zur Fehlgeburt kommen.

Selektion statt Inklusion?

Belastbare Statistiken zu Abtreibungen infolge des NIPT gibt es in Luxemburg nicht. Allerdings gehen Ärzte und Pränataldiagnostiker allgemein davon aus, dass sich neun von zehn Schwangeren gegen ein Trisomie-21-Kind entscheiden. Der Test führt dazu, dass weniger Menschen mit Down-Syndrom zur Welt kommen. Das ist Fakt. Aber ist das auch gut? Und was sagt das eigentlich über unser Gesellschaftsbild aus?

Auch die Politik stellt sich diese Fragen. Und sie schwankt in ihren Antworten zwischen zwei Positionen. Auf der einen Seite das Recht jeder Frau, über ihr eigenes Leben zu bestimmen. Dazu gehört auch der berechtigte Anspruch, so viel wie möglich zu erfahren über das ungeborene Kind und die Verantwortung, die die Geburt mit sich bringen wird. Und auf der anderen Seite das Recht des ungeborenen Kindes sowie die Sorge um eine fragwürdige gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer regelrechten Geburtenauslese.

Ein Spagat der Politik

Josée Lorsché, Fraktionschefin von „déi gréng“, bezeichnet es als einen „Spagat“. Ein Spagat zwischen Selbstbestimmung der Frau und inklusiver Gesellschaft. So sinnvoll und wichtig sie den Test für Frauen in Einzelfällen findet, so warnt sie jedoch ausdrücklich vor den gesellschaftlichen Konsequenzen eines unreflektierten Umgangs mit Gentests.

Ein flächendeckendes „Screenen“ von schwangeren Frauen unterwandere die inklusive Gesellschaft. Denn Trisomie-Tests sind nur der Anfang: In Zukunft können Föten wahrscheinlich auf die Glasknochenkrankheit getestet werden, auf Mukoviszidose oder Chorea Huntington. Auch Tests auf Autismus sind denkbar. Für Lorsché eine durchaus bedenkliche Entwicklung, denn Menschen mit Behinderungen gehören zu ihrem inklusiven Gesellschaftsbild.

Diese Meinung teilen auch Politiker aus anderen Parteien. Fernand Kartheiser (ADR), der sich ebenso für den Bluttest in der aktuellen Form ausspricht, warnt vor einer „systematischen Selektionspolitik“. Das würde an „dunkelste Stunden der Vergangenheit“ erinnern, als Gesellschaften zwischen „lebenswertem und nicht lebenswertem Leben“ entschieden.

Überparteilicher Konsens

Ähnlich sieht es auch Marc Baum von „déi Lénk“. Die Konsequenz eines durchaus sinnvollen Bluttests dürfe auf keinen Fall Selektion bedeuten. „Eine Gesellschaft sollte alles dafür tun, dass jedes Leben sich nach seinen Möglichkeiten innerhalb der Gesellschaft entfalten kann.“

Damit herrscht nahezu ein überparteilicher Konsens im Parlament. Auch die Positionen von LSAP, CSV und DP sind vergleichbar. Alle sprechen sich für den Test in der aktuellen Form aus, warnen jedoch vor exzessivem oder standardmäßigem Gebrauch. Der Test soll nicht die Norm werden.

Allerdings spricht sich die DP für eine flächendeckende Rückerstattung aus. Sie warnt vor einer „Zweiklassenmedizin“, bei der sich lediglich Wohlhabende den Bluttest leisten können. Für sozial Schwache soll der Bluttest keine Hürde sein.

Für Martine Eischen stellt sich nicht die Frage der Rückerstattung des Bluttestes, sondern vielmehr die der Aufklärung und Begleitung der werdenden Eltern. „Ist es denn so schlimm, ein Kind mit Trisomie 21 zu bekommen?“, so die rhetorische Frage der zweifachen Mutter. Ihr Sohn ist 30 Jahre alt und hat ihr mindestens so viele Sorgen bereitet wie ihre Tochter Catalina. „Und geärgert hat er mich umso mehr.“

 

Von Melody Hansen und Pol Schock

Nomi
15. Mai 2019 - 15.14

Ech wir dofir, mat ev. Oofdreiwung, wann d'Elteren daat so'u wellen ! Et ass jo eng Privaat Entscheedung ! Den Staat soll do naischt verbidden, an den "libre choix" loosen ! Par contre sinn ech geint GPA, well mir hun schons zevill Bevoelkerung ob der Aerd ! Wann een keen Kand kann zeugen, ass daat di natierlech Evolutio'un dei' daat net meiglech mecht ! Loosen mer an dem Fall d'Natur respektei'eren !