Von Luxemburg an die Türkei ausgeliefert: Geht das?

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Immer wieder werden ausländische Bürger in der Türkei festgenommen. Auch Auslieferungsgesuche an andere Länder sind keine Seltenheit. Wie steht es jedoch um Luxemburg? Könnte ein türkischer Bürger von Luxemburg an die Türkei ausgeliefert werden?

In der Türkei wird seit dem gescheiterten Putschversuch „gesäubert“. Ob Staatsbeamter, Richter, Lehrer, Schriftsteller, Mitglied des Militärs oder Journalist: Präsident Recep Tayyip Erdogan geht brutal gegen seine Gegner vor. Zu welchen Auswüchsen diese „Säuberungen“ führen, zeigt der Blick auf die Zahlen: Alleine bis Juli 2017 wurden 150.000 Beamte vom Dienst suspendiert. 149.833 juristische Prozesse werden mittlerweile geführt. 48.636 dieser Menschen sind inhaftiert.

Vorwurf: politisch motiviert

Der Vorwurf ist immer der gleiche: die Anklagepunkte der türkischen Justiz seien politisch motiviert. Das aktuellste Beispiel ist der türkischstämmige Schriftsteller Dogan Akhanli aus Deutschland, der in Spanien festgenommen wurde.

Die Türkei hatte bei der internationalen Polizeibehörde Interpol einen „Dringlichkeitsvermerk“ („Red Notice“) gegen Akhanli hinterlegt. Die „Red Notice“ wird auf Antrag eines der 190 Inerpol-Mitgliedstaaten erlassen, basiert aber auf einem nationalen Haftbefehl. In diesem Fall also auf einem türkischen Haftbefehl.

Die „Red Notice“ ergeht an Polizeibehörden weltweit. Der wichtige Punkt: Jeder Staat entscheidet selbst, wie eine solche „Red Notice“ in das nationale Fahndungssystem einfließt und ob bzw. wie die Justiz vorgeht. Dass Akhanli in Spanien festgehalten wurde, schockierte die deutsche Öffentlichkeit. Denn er kam erst, nachdem das Auswärtige Amt intervenierte, wieder frei.

Noch heikler: In anderen Ländern geriet Akhani polizeilich nie in den Fokus. Dass er bei diesen Aufenthalten zu keinem Zeitpunkt in Kontakt mit irgendwelchen Behörden kam, ist mehr als unwahrscheinlich. Der Fall verdeutlicht, dass jeder Interpol-Staat – zu denen Luxemburg gehört – durch die Türkei in eine brenzlige Situation gerät. Denn sobald das rote Licht des „Dringlichkeitsvermerks“ bei der Kontrolle eines türkischen Staatsbürgers in Luxemburg aufleuchtet, wird es angesichts der aktuellen politischen Lage heikel für die hiesige Justiz.

Die Situation in Luxemburg

Das Tageblatt hat sich mit Henri Eippers, dem Pressesprecher der luxemburgischen Staatsanwaltschaft, über die Problematik unterhalten. Er bestätigt, dass die luxemburgische Justiz erst in einer zweiten Etappe über die Festnahme eines per „Red Notice“ gesuchten Staatsbürgers informiert wird.

„Wir erhalten diese Information nicht als Justizautorität. Selbst wenn die Türkei einen ihrer Staatsbürger im Ausland sucht, wird ein Mandat erteilt, das von Interpol verwaltet wird. Wir erfahren aber als Justiz nicht, wen die türkischen Behörden bei Interpol signalisiert haben und wen sie eigentlich suchen“, so Eippers. Es werde erst ab dem Moment konkret, wenn die luxemburgischen Behörden einen per „Red Notice“ gesuchten Türken vor Ort identifizieren würden.

„Ich denke hier z.B. an eine Personenkontrolle. Wenn wir beim Beispiel bleiben, läuft die erste Etappe über die Luxemburger Polizei. Sie kontrolliert den türkischen Staatsbürger, tippt seinen Namen in den PC und sieht dann die „Red Notice“, die vonseiten der Türkei bei Interpol vorliegt.“

Aber wir wissen als Justiz nicht per se, wen die Türkei per Auslieferungsgesuch mittels Interpol sucht

Erst nach dieser Etappe werde die Information von der Polizei an die luxemburgische Justiz weitergeleitet, dass es sich um eine Person handele, für die ein Auslieferungsgesuch aus der Türkei oder einem anderen Land vorliege. „Aber wir wissen als Justiz nicht per se, wen die Türkei per Auslieferungsgesuch mittels Interpol sucht“, unterstreicht Eippers.

Insofern drängt sich die Frage auf, ob in Luxemburg seit dem gescheiterten Putschversuch vom letzten Jahr ein türkischer Bürger, der per „Red Notice“ gesucht wurde, identifiziert wurde.

Hier beruft sich Eippers auf Generalstaatsanwältin Martine Solovieff. „Frau Solovieff hat mir bestätigt, dass wir in den letzten drei Jahren kein Auslieferungsersuchen der Türkei erhalten haben.“ Dies gelte aber nicht für andere Länder.

Was wäre, wenn…

Was aber passiert, falls denn doch irgendwann einmal das rote Licht bei einem türkischen Staatsbürger bei einer Kontrolle in Luxemburg leuchtet? Der luxemburgische CSV-Abgeordnete Laurent Mosar richtet in einer parlamentarischen diese Frage an Außenminister Jean Asselborn und Justizminister Felix Braz.

In ihrer gemeinsamen Antwort beschreiben die beiden Minister, dass es zunächst keine Rolle spiele, welchen Beruf ein türkischer Staatsbürger ausübe, wenn er von Interpol gesucht werde und auf luxemburgischem Territorium identifiziert würde. In einer ersten Phase würde der türkische Staatsbürger provisorisch festgenommen, um seine Flucht wie bei jedem anderen Staatsangehörigen zu vermeiden.

Die Straftat

Was ein Gesuch enthalten muss, beantworten die Minister ebenfalls: Es muss sich auf Taten beziehen, die im Staat, in dem das Gesuch gestellt wurde, strafbar sind. Außerdem muss eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder eine noch schlimmere Strafe damit verbunden sein.

Die Auslieferung findet nicht statt, wenn es sich um eine politische Straftat oder um eine damit verbundene Tat handele. Werde eine Person festgenommen, habe sie das Recht, in einer ihr verständlichen Sprache informiert zu werden. Sie habe u.a. Anspruch auf einen Anwalt, einen Übersetzer und das Recht auf Übersetzung.

Die Entscheidung über die definitive Auslieferung liege aber letztlich beim Justizminister. Dies jedoch erst nach Konsultation mit der Ratskammer des Berufungsgerichts. Die Anhörung der Ratskammer ist öffentlich. Das Ministerium, die betroffene Person und ihr Anwalt werden gehört. Die Kammer gibt danach ihre Einschätzung, ob es sich um eine politische Straftat handelt.

Bekannter Fall aus Luxemburg

Im Jahr 2006 hatte der Fall „Zübeyde Ersöz“ Wellen geschlagen. Die Türkei versuchte damals, die türkische Journalistin aus Luxemburg ausliefern zu lassen. Allerdings erteilte die Ratskammer ein negatives Gutachten. Daraufhin verweigerte der Luxemburger Justizminister die Auslieferung.