Von Kasachstan bis in den Kongo: Wie ein Luxemburger Unternehmen den Kobalt-Markt aufmischt

Von Kasachstan bis in den Kongo: Wie ein Luxemburger Unternehmen den Kobalt-Markt aufmischt

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das Metall Kobalt bewegt derzeit die Wirtschaft und die Gemüter. Für die gewünschte E-Mobilität ist es unverzichtbar. In jedem Smartphone ist es enthalten. Ziemlich unbekannt ist jedoch, dass die „Eurasian Resources Group“ (ERG), ein in Luxemburg beheimatetes Unternehmen, dabei ist, zum zweitgrößten Kobalt-Produzenten der Welt zu werden. Eine gute Gelegenheit, sich mit Geschäftsführer Benedikt Sobotka zu unterhalten.

Tageblatt: Können Sie das Unternehmen kurz vorstellen?
Benedikt Sobotka: Wir produzieren ein breit gefächertes Sortiment an Materialien für einige der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige. Ferrochrom ist ein Schlüsselbestandteil für die Herstellung von rostfreien Edelstählen, während Aluminium für die Luft- und Raumfahrtindustrie unerlässlich ist. Kupfer und Kobalt sind dagegen von größter Bedeutung, um die elektrische Leitfähigkeit und die Stromspeicherung für Lithium-Ionen-Batterien zu ermöglichen, die immer wichtiger werden, insbesondere wegen ihrer Verwendung in Elektrofahrzeugen, Gadgets und bei der dezentralen Energieerzeugung.

Diese drei Rohstoffe – Ferrochrom, Kobalt und Aluminium – sind mit unsere wichtigsten Wachstumstreiber. Sie tragen außerdem wesentlich zu einem schnelleren und umweltfreundlicheren Wirtschaftswachstum bei. Wir sind stolz auf unseren führenden Marktanteil von rund 20% bei kohlenstoffreichem Ferrochrom und 10 bis 15% bei Kobalt. In diesem Jahr wird unser neues Projekt „Metalkol Roan Tailings Reclamation“ an den Start gehen. Dabei geht es um die Aufbereitung von historischen Rückständen aus früheren Bergbauaktivitäten in der Demokratischen Republik Kongo. Dieses Werk alleine wird genügend Kobalt nachhaltig herstellen, um 2 Millionen Elektromobile mit Batterien auszustatten. In der Republik Kasachstan steht die ERG für ein Drittel der Metall- und Bergbauindustrie. Zudem stellen wir hochwertige Eisenerzprodukte, Kohle und Strom bereit. In Kasachstan tragen wir zudem rund 17% zur gesamten Stromversorgung bei.

Für jedes Material setzen wir auf eine voll integrierte Produktionskette: vom Abbau der Rohstoffe bis hin zur Aufbereitung und Herstellung von High-End-Produkten sowie vom Transport bis hin zum Vertrieb. In Zentralasien sind wir mit rund 12.000 Waggons der größte Bahnbetreiber, wobei wir jährlich viele Millionen Tonnen Produkte transportieren, auch für den Export in die Nachbarländer. In Afrika steuern wir unsere eigenen Logistik- und Transportaktivitäten und sind eines der größten Logistikunternehmen. Im Rahmen unseres in der Entwicklung befindlichen Projektes in Südamerika (Eisenerzmine Pedra de Ferro und Porto Sul) werden wir nun auch zum Tiefwasserhafen-Betreiber.

Sie sind nun seit fünf Jahren eine Luxemburger Firma. Warum Luxemburg?
Als wir über einen Standort für unsere Konzernzentrale nachdachten, gab es in Europa einige Optionen. Aber am Ende hat Luxemburg das Rennen gemacht: Neben der strategisch günstigen Lage ist Luxemburg ein dynamisches, offenes und unternehmerfreundliches Land. Einen weiteren Standort haben wir in Amsterdam, z.B. für Mitarbeiter, die oft nach Kasachstan oder nach Afrika reisen müssen. Luxemburg bietet leider (noch) keine Direktflüge zu diesen Zielen.

Ihre Vorgängerfirma aus London hatte einen sehr gemischten Ruf …
Ich war damals nicht in diesem Vorgängerunternehmen involviert und kann nur kommentieren, was geschah, als ich 2014 zum CEO ernannt wurde. Die Vorgängerfirma war ein anderes Unternehmen. Es wurde von der Londoner Börse genommen, und wir haben seine Vermögenswerte gekauft. Die Aktionärsstruktur hat sich seitdem verändert. ERG ist nun eine nicht-börsennotierte Gesellschaft, deren Hauptaktionär die Regierung von Kasachstan ist.

Welchen Aktivitäten gehen Sie in Luxemburg nach? Sind Sie mit dem Standort zufrieden?
In Luxemburg befinden sich unser globaler Hauptsitz, das CEO-Büro, viele Mitglieder der Geschäftsleitung, der Compliance- und Rechtsabteilung sowie die Abteilungen für Geschäftsentwicklung und Außenbeziehungen. Insgesamt beschäftigen wir in Luxemburg rund 40 Mitarbeiter. Die meisten sind jedoch häufig unterwegs. Wir schätzen die lange Geschichte Luxemburgs im Bereich Metall und Bergbau und arbeiten seit vielen Jahren mit ArcelorMittal zusammen. Es gibt auch eine gute technische Universität. Auch habe ich persönlich sehr positive Erinnerungen an Luxemburg. Als ich als Kind in Köln lebte, schätzte ich es immer, wenn wir samstags nach Luxemburg zum Einkaufen fuhren.

Kommt die Regierung Kasachstans regelmäßig zu Besuch nach Luxemburg? Immerhin ist der Staat ein wichtiger Aktionär.
Ja, die Regierung der Republik Kasachstan ist mit 40% an ERG beteiligt. Der Außenminister Kasachstans sowie der ehemalige Finanzminister, der heutige Bürgermeister von Astana, gehören unserem Verwaltungsrat an. Die Sitzungen unseres Verwaltungsrats finden in Luxemburg statt.

Und Sie nehmen in Luxemburg auch am Space Mining teil …
Wir unterstützen die Initiative, da sie uns visionär und zukunftsträchtig erscheint. Ich habe schon früh die Vorträge von Premierminister Xavier Bettel und von Minister Schneider zu diesem Thema gehört: Es ist beeindruckend, wie professionell und weitsichtig die Regierung im Erkennen und Besetzen solcher neuer Trends ist. Luxemburg agiert schneller und flexibler als viele andere Länder und besitzt Eigenschaften, die dem Land künftig in vielen Bereichen eine führende Rolle verschaffen können. Das haben wir bereits bei Investmentfonds und bei den Satelliten gesehen. Ich glaube, dass der Weltraumbergbau ebenfalls erfolgreich sein kann. Deshalb haben wir im vergangenen November auch die Weltraumkonferenz in Luxemburg gesponsert.

Ihr Unternehmen hat auch ein praktisches Interesse am Space Mining …
Wir sind im Bergbausektor tätig. Daher interessieren wir uns für alle technologischen Entwicklungen, die unsere Arbeit erleichtern können. Entwicklungen aus der Raumfahrt wie beispielsweise die Automatisierung oder der ferngesteuerte 3D-Druck von Ersatzteilen können ebenfalls nützlich für uns sein. Wir wollen über den Tellerrand hinausblicken, gleichzeitig die Sicherheit unserer Anlagen erhöhen und die Kosten reduzieren. Überall können wir von der Raumfahrt lernen.

In Davos wurden uns im letzten Jahr einige Ersatzteile gezeigt, die mit einem 3D-Drucker gedruckt worden waren. Wir waren sehr beeindruckt. Diese Anwendungen werden derzeit für die Raumfahrt entwickelt und erprobt. Für uns auf der Erde sind diese Optionen mit Sicherheit besser, als Wochen zu warten, bis ein Ersatzteil geliefert wird. Wir glauben, dass Bergbau im Weltall und hier vor allem die Gewinnung von Wasser und einigen Metallen noch in dieser Generation Realität werden wird.

Wie kommt es, dass ein 38-Jähriger ein Unternehmen mit mehr als 85.000 Angestellten leitet?
Ich denke, diese Frage müssten sie eher den Aktionären des Unternehmens stellen, die mir das Vertrauen ausgesprochen haben. Das Alter spielt bei meiner Funktion keine Rolle. Wichtig ist vielmehr, zu verstehen, welche Herausforderungen auf unsere Branche zukommen. Zudem halte ich es für vorteilhaft, die Energie der Jüngeren mit der Erfahrung der älteren Mitarbeiter zu verbinden. Dies ist eine gute Philosophie, die auch von unserem Managementteam geteilt wird. Zuvor war ich für die Boston Consulting Group im Öl-, Gas-, Metall- und Bergbausektor tätig. Ich hatte außerdem das Glück, Russisch zu lernen, in unterschiedlichen Unternehmen zu arbeiten und unterschiedliche Funktionen kennenzulernen.

Wie steht es in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo um die Rechtssicherheit sowie um die Sicherheit im Allgemeinen? Wie können Sie sich sicher sein, dass eine Mine auch morgen noch Ihnen gehören wird?
Das Bergbaugeschäft erfordert langfristige Investitionsentscheidungen. Viele Projekte sind so strukturiert, dass sie sich erst nach über zehn Jahren auszahlen werden. Dabei können wir nur hoffen, dass die Situation während dieser zehn Jahre in dem jeweiligen Land stabil bleibt. Leider ist dies nicht immer der Fall. In vielen Ländern werden Gesetze und Vorschriften einfach zu oft geändert. Manchmal wird eine größere Beteiligung des lokalen Partners erforderlich, manchmal werden die Steuern erhöht oder es geschehen andere Dinge. Das kann mitunter schwierig sein.

Häufig werden Bergbauunternehmen als reich und rentabel gesehen. An die Preisschwankungen, die hohen Investitionskosten und die vielen Risiken, die außerhalb unserer Kontrolle liegen, wird dabei nicht gedacht. Bergbauprojekte müssen daher hohe Gewinne abwerfen, damit sie sich lohnen. Ein profitables Projekt muss daher oft die Verluste von weniger erfolgreichen Projekten decken, die zwangsläufig entstehen.

Die ERG veröffentlicht einen Nachhaltigkeitsbericht. Wie einfach oder schwierig ist es beispielsweise in Afrika, Nachhaltigkeit zu gewährleisten?
Wir sind transparent. Die Welt soll sehen, welchen Beitrag wir leisten. Auch wenn wir kein börsennotiertes Unternehmen sind, stellen wir der Öffentlichkeit viele Informationen zur Verfügung. Wir legen alle unsere Zahlungen an Regierungen offen sowie das, was wir für soziale Projekte ausgeben, sei es im Gesundheits- oder Sportbereich oder bei der Unterstützung von Schulen. In Kasachstan haben wir in den letzten fünf Jahren mehrere Hundert Millionen Dollar für soziale, sportliche und kulturelle Projekte ausgegeben. In Afrika haben wir Schulen für mehr als 10.000 Schüler finanziert – nicht nur für die Kinder unserer eigenen Mitarbeiter, sondern auch für die der lokalen Bevölkerung in den Regionen, in denen wir tätig sind. Mit dem christlichen Orden Good Shepherd Sisters und Pact (NGO) pflegen wir strategische Partnerschaften.

Zudem kooperieren wir mit allen Interessenvertretungen (stakeholders). Während zwischen vielen Bergbauunternehmen und NGOs eine eher feindselige Beziehung besteht, sitzen wir beispielsweise in Davos alle am gleichen Tisch und reden miteinander. ERG ist ein strategischer Partner des Weltwirtschaftsforums und Gründungsmitglied der Global Battery Alliance (Initiative zur verantwortungsvollen Herstellung von Batterien.

Wir möchten als positiver Bestandteil der Gesellschaft wahrgenommen werden. In vielen europäischen Ländern ist man sich häufig nicht mehr bewusst, welche Rolle Metall- und Bergbauunternehmen für unseren Wohlstand gespielt haben und auch heute noch spielen. ERG steht für sauberen und nachhaltigen Bergbau. Unsere Geschäftspraktiken entsprechen allen relevanten Gesetzen und Vorschriften. Schließlich ist es im Interesse aller, dass der gesamte Produktionsprozess nachhaltig ist. Wir möchten zeigen, dass es möglich ist, Rohstoffe richtig und nachhaltig abzubauen.

Was plant ERG für die Zukunft?
Wir wachsen derzeit in den meisten Bereichen. Wir sehen viel Potenzial bei Ferrochrom, Kobalt und Kupfer. Wir haben interessante Projekte in jeder unserer Hauptregionen, in denen wir aktiv sind: Kasachstan, Afrika und Brasilien. Wir haben ein ambitioniertes Investitionsprogramm. Wir planen, in den nächsten zehn Jahren etwa 15 bis 20 Milliarden US-Dollar zu investieren. Digitalisierung und Big Data gehören ebenfalls zu unseren Plänen. In Luxemburg werden wir weiterhin das Thema Bergbau im Weltraum unterstützen.


Benedikt Sobotka über den Markt für Kobalt

Wofür wird Kobalt benötigt?
Kobalt ist ein faszinierendes Metall, das vielfältig eingesetzt werden kann. Es wird beispielsweise für Lithium-Ionen-Batterien verwendet. Kobalt kann eine maximale Energiemenge speichern und stabilisiert die Chemie in Batterien. Kobalt schützt damit vor unkontrollierten Reaktionen in Batterien und damit Explosionen. In Flugzeugturbinen wird es wegen seiner Hitzebeständigkeit verwendet. Es wird außerdem für die Herstellung von Autoreifen eingesetzt. Jedes Elektroauto enthält 10 bis 20 Kilogramm Kobalt und jedes Smartphone 8 bis 10 Gramm. Wenn Sie ein Mobiltelefon in der Hand halten, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass zumindest ein Teil des darin enthaltenen Kobalts von uns stammt. Meistens wird es mit anderen Materialien kombiniert. Bei Kobalt für Akkus beispielsweise werden wir dieses Jahr einen Marktanteil von fast 30% erreichen.

Wer sind Ihre wichtigsten Kunden?
Zu unseren wichtigsten Kunden gehören große Elektronikkonzerne, Turbinenhersteller und Produzenten von Elektroautos. Zwischen der ERG und dem Endkunden gibt es oft Zwischenhändler, die das Material bearbeiten. Nahezu alle von ihnen sitzen in Asien – China, Korea und Japan.

Welche Rolle spielt China im Kobaltmarkt?
China ist der größte Markt für Elektroautos. Gleichzeitig ist das Land der wichtigste Hersteller von Akkus (und zwar sowohl im Fahrzeug- als auch im Elektronikbereich). 90% der weltweiten Kobalt-Verarbeitungskapazität befindet sich in China. Europa sollte diesen Markt nicht vernachlässigen, zumal der Automobilsektor einen erheblichen Anteil an der Wirtschaftsleistung in Europa ausmacht. Wenn Europa nicht aufpasst, könnte es gegenüber China ins Hintertreffen geraten.

Viele Menschen assoziieren Kobalt mit Kinderarbeit …
Es ist mittlerweile bekannt, dass ungefähr 25% des globalen Angebots an Kobalt aus dem Kleinbergbau stammen. Häufig sind damit auch Kinderarbeit, erhebliche Umweltverschmutzung und fürchterliche Arbeitsbedingungen verbunden. Diese Art des Abbaus, nein, besser Raubbau, ist so weit verbreitet, dass man die Schäden, die er verursacht, sogar aus dem Weltall sehen kann. Da alles in der Produktionskette gemischt wird, muss man leider davon ausgehen, dass jedes Mobiltelefon etwa 25% Kobalt aus unklaren und unsauberen Quellen enthält. Dies stellt eine erhebliche Herausforderung dar, weil viele Käufer von Elektromobilen und Mobiltelefonen nicht wissen, woher das Kobalt für Ihre Batterien stammt. Auf der anderen Seite stehen die großen industriellen Produzenten wie zum Beispiel die ERG, die sich zu Nachhaltigkeit verpflichten, hohe Löhne zahlen und sichere Arbeitsbedingungen sicherstellen. Selbstverständlich arbeiten bei ERG auch keine Kinder. Wir stellen keine Kinder ein und in unsere Bergwerke kommen auch keine Kinder rein. Das ist eine völlig andere Welt. Im Gegenteil, wir finanzieren allein im Kongo Schulen für über 10.000 Schüler.

Wie stellt die ERG sicher, dass keine Rohstoffe verwendet werden, die aus Kinderarbeit stammen?
‚Es ist heute fast unmöglich, zurückzuverfolgen, woher das Kobalt in Ihren Batterien stammt. Aus diesem Grund verarbeiten wir nur Kobalt aus unseren eigenen industriellen Minen und Fabriken. Schließlich können wir nicht akzeptieren, dass die Technik des 21. Jahrhunderts unter Arbeitsbedingungen des 16. Jahrhundert hergestellt wird. Wir haben auch eine IBM-Blockchain-Plattform-basierte Lösung entwickelt, anhand derer die Herkunft des Rohstoffs für die gesamte Produktionskette zu 100% zertifiziert werden kann. Bei Diamanten funktioniert das gut. Es gibt keinen Grund, warum es nicht auch bei Kobalt gehen sollte. Unser Kobalt wird nachhaltig und sauber hergestellt und ist garantiert frei von Kinderarbeit.