Von Fußballschuhen und Panaschieren

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Jeder kennt es: Wenn mal wieder im Job alles drunter und drüber geht, bleibt kaum Zeit für Bewegung. Wieso sollte es Politikern anders ergehen? Der DP-Politiker Max Hahn (36) erzählt, weshalb er die Fußballschuhe an den Nagel hängen musste – und Panaschieren Luxemburgs politischer Nationalsport ist.

„Ich glaube, dass Doppelmandate funktionieren. Ganz sicher. Aber das klappt nicht, wenn man nur 40 Stunden pro Woche arbeitet. Wenn man beides ernsthaft machen will, geht das Ganze noch stärker auf Kosten der eigenen Freizeit.“ Und genau hiervon hat Hahn mittlerweile, wie viele seiner Kollegen, weniger. Der Elektroingenieur aus Bettingen/Mess ist seit 2011 Erster Schöffe in seiner Gemeinde, 2013 gelang ihm der Sprung in die Chamber. Dass Hahn sportbegeistert ist, sieht man ihm an. Allerdings bedeutet Kommunalpolitik, seine sportlichen Interessen anpassen zu müssen.

Spätabends joggen

„Wenn man sich gemeindepolitisch engagiert, gibt man sehr viel Freizeit auf. Ich habe zum Beispiel vor zwölf Jahren angefangen, Kommunalpolitik zu betreiben. Das war es dann mit Fußballspielen. Ich musste zu Versammlungen anstatt zum Training oder zum ‚Match‘.“ Für Hahn gehört dieser Lebensstil mittlerweile zum Alltag. Seine Ehefrau hat ihn so kennengelernt und auch die Freunde wissen um seine Lebenssituation. Der Griff zum Kalender gehöre jetzt zur Normalität, spontane Treffen mit Freunden könne man sich als Gemeindepolitiker abschminken.

Dass Gemeindepolitik jedoch nicht Alternativlosigkeit mit Blick auf die eigenen Hobbys bedeutet, ist Hahn wichtig. „Man sucht nach Alternativen: Ich gehe mittlerweile laufen. Wenn ich zwischen zwei Versammlungen gerade eine freie Stunde habe, nutze ich diese Zeit. Ich brauche niemanden dafür und kann das auch abends um zehn noch nach einer Versammlung tun.“ Die Logik dahinter ist klar. Sport dient als Ausgleich. Aber auch die Ferienplanung vieler Politiker dreht sich um Bewegung, da der Urlaub der einzige Zeitraum ist, in dem sie ungestört Sport treiben können. „Danach ist mein Kopf immer frei. Ich nutze auch die Ferien, wenn ich wandere oder Ski fahre. Ich mag die Berge, weil ich zur Ruhe komme. Das gibt mir neue Ideen und ich kann die Batterien aufladen.“

Sich erstmal einfinden

Dass Hahn auch im politischen Betrieb ins Schwitzen kommt, zeigt vor allem sein Anfang. Er habe sich wie alle anderen Neuankömmlinge zunächst in der Chamber einarbeiten müssen. „Ich hatte es wie jeder neuer Abgeordneter am Anfang sehr schwer. Die Arbeit in der Chamber ist interessant, aber auch enorm anstrengend, weil man sich mit vielen verschiedenen Gebieten erst vertraut machen muss.“ Dass die Gemeindewahlen nicht nur ein Sprungbrett für die eigene Karriere sind, liegt für den DP-Abgeordneten auf der Hand.

Wer keine kommunale Erfahrung in die Chamber mitbringe, verliere mehr Zeit. „Man muss sich weniger einarbeiten, wenn man Know-how aus den Kommunen mitbringt. Das bedeutet jedoch nicht, dass man sich gar nicht mehr vorbereiten muss. Aber im Idealfall hilft die Erfahrung aus dem Schöffenrat oder als Bürgermeister.“

Unproblematische Doppelmandate

Während viele Politiker Doppelmandate ablehnen und eine Reform des Luxemburger Wahlsystems anstreben, hält Hahn sie für unproblematisch. Man könne zwei Mandate gleichzeitig ausüben, dafür müsse dann aber auch der persönliche Einsatz umso mehr stimmen. In einer mittelgroßen Gemeinde sei der Beruf Bürgermeister zudem kein Vollzeitjob. Der Bürgermeister habe dort neben seinem Amt auch noch einen Beruf, den er gerne und richtig ausüben wolle.

Deswegen ist Hahns Forderung klar: „Wenn man Doppelmandate abschaffen will, muss man auch über die Einführung des Vollzeit-Bürgermeisters sprechen. Dann darf man überhaupt nichts mehr neben dieser Tätigkeit tun. Aber die Realität ist, dass es Bürgermeister gibt, die nebenbei noch in der ‚Crèche‘, als Anwalt, in einem mittelgroßen Unternehmen usw. arbeiten.“ Erst in Kommunen mit über 10.000 Einwohnern gebe es Vollzeit-Bürgermeister. Alle anderen, die zwei Mandate ausübten, müssten ganz einfach darauf achten, ihr politisches Amt und ihren Beruf genauestens aufeinander abzustimmen.

Köpfe wählen

Für Hahn ist Kommunalpolitik deshalb kein reines politisches Sprungbrett. Wer unter diesen Umständen trotzdem in die Gemeindepolitik einsteige, tue es aus Überzeugung: „Ich glaube, dass Kommunalpolitik eine Erfüllung ist, wenn man sich wirklich dafür einsetzt.“ Genau hieran knüpfe der Slogan der DP („Mat Häerz a Séil“) an. Allerdings hatte der Spruch auch für ein paar Negativschlagzeilen gesorgt. Die rechtspopulistische FPÖ aus Österreich hatte 2016 mit dem gleichen Slogan geworben. Dass die DP nichts mit dieser Form von Politik zu tun hat, liegt auf der Hand.

Dennoch drängt sich die Frage nach der Beliebigkeit solcher Wahlslogans auf. „Ich glaube, dass unsere Wahlkampagne und der Slogan gut bei den Menschen ankommen – auch wenn der Wahlspruch bereits anderswo genutzt wurde. Es gibt bald keine Slogans mehr, die es noch nicht gibt“, lacht Hahn und ergänzt: „Da kann es schon mal passieren, dass ein Spruch bereits irgendwo anders benutzt wird. Er sagt ja lediglich aus, dass wir unsere Politik mit vollem Engagement machen.“

Austauschbare Kampgnen

Ob denn nicht gerade in dieser Austauschbarkeit das Problem vieler Kampagnen liegt? Hahn glaubt das nicht. Er kontert: „Ich glaube, dass sich der Wähler am Ende nicht wegen einer Kampagne für eine Partei entscheidet. Man entscheidet sich für Leute, denen man bereits das Vertrauen geschenkt hat und die ihre Wahlversprechen erfüllt haben.“

Auch die Projekte einzelner Politiker seien zentral. Die Menschen ließen sich von individuellem Engagement begeistern: „Oder die Menschen entscheiden sich für Politiker, die mit den richtigen Ideen an den Start gehen, wo sie sich sagen: ‚cool, so was kann ich mir für die nächsten sechs Jahre in meiner Gemeinde vorstellen‘. Die Arbeit der einzelnen Menschen ‚um Terrain‘ in den einzelnen Sektionen ist wichtig.“

Für Hahn ähnelt der nationale Wahlkampf deshalb dem Gemeindewahlkampf. Auch das Wahlverhalten sei in Luxemburg auf beiden Ebenen ähnlich: „In Luxemburg wird bereits auf nationaler Ebene viel panaschiert. Aber auf Gemeindeebene passiert das noch viel mehr. Ich glaube deshalb, dass Kampagnen nicht wahlentscheidend sind, aber dafür etwas verkörpern müssen.“

Neue Medien, neuer Wahlkampf

Der DP-Politiker blickt jedoch mit gemischten Gefühlen auf die letzte Phase des Wahlkampfs, wenn es darum geht, die Botschaft an den Wähler zu bringen. „Internet wird immer stärker genutzt – den meisten Facebook-Nutzern wahrscheinlich viel zu viel.“ Fast alle Parteien setzen auf Facebook, weil sie bedauern, dass viele Wähler nicht mehr zu ihren Events kommen. Immer weniger Menschen seien bei Wahlversammlungen anwesend.

„Dann bleiben nur noch Flyer oder das Internet. Das Web scheint mir das umweltfreundlichere Medium zu sein, aber auch jenes, das enorm nerven kann.“ Denn mittlerweile können nicht nur Politiker, mit denen man auf Facebook „befreundet“ ist, einen mit politischer Werbung zumüllen, sondern jeder, der über ein gewisses Budget verfügt und Bezahlwerbung schaltet („Sponsored Posts“).

Zu was das führt, erfährt Hahn in seinem eigenen Umfeld: „Ich habe einen Bekannten, der mir gesagt hat, dass er sich von Facebook zurückziehen würde, weil das Ganze ihm schon viel zu politisch geworden sei. Er werde sein Profil erst ab dem 9. Oktober wieder aktivieren.“ Vor sechs Jahren sei dies noch nicht der Fall gewesen. Wenn man den Prozentsatz der Kandidaten, die vor sechs Jahren Facebook genutzt haben, mit dem heutigen Anteil vergleichen würde, käme ein interessantes Ergebnis heraus. „Damals war fast kein Kommunalpolitiker auf Facebook aktiv. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass heute 90 Prozent von ihnen ein Facebook-Profil haben.“