Viandener Schloss: Burg-Experte John Zimmer kritisiert neuen Aufzugmechanismus des Brunnens

Viandener Schloss: Burg-Experte John Zimmer kritisiert neuen Aufzugmechanismus des Brunnens

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Der Aufzugmechanismus des Brunnens im Schloss von Vianden sorgt für Diskussionen. Er wurde neu installiert – originalgetreu, wie die Projektverantwortlichen betonen. „Glatte Lüge“, kontert John Zimmer, der unter anderem als Vermesser maßgeblich an dem Wiederaufbau der Burg beteiligt war. Erklärungen.

John Zimmer ist immer noch aufgebracht, als das Tageblatt ihn besucht. Der 76-jährige Burgenspezialist versteht nicht, wie man solch ein „Monstrum“ im Schloss aufbauen konnte. „Das Objekt hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Das gehört in einen Indiana-Jones-Film“, so sein vernichtendes Urteil. Aber um was geht es eigentlich?
Die Viandener Schlossfreunde, die Vereinigung, die das historische Bauwerk verwaltet, hatten beschlossen, den Brunnen mit einem neuen Aufzugmechanismus auszustatten. Dieser sollte veranschaulichen, wie man im 17. Jahrhundert das Wasser aus der Tiefe des Brunnenschachtes holte. Das Projekt kostete 50.000 Euro und wurde von „Ars et cultura“ konzipiert. Es wurde ein doppelläufiges Hebewerk mit einer etwa 60 m langen Kette und zwei Schöpfgefäßen mit einem Fassungsvolumen von 70 bis 80 Liter gebaut. Die Arbeiten schritten gut voran.

Die Projektleiter stützen sich beim Bau auf eine Rechnung aus dem Jahre 1621, in der sämtliche Bauteile genau beschrieben sind. „Die Idee, die Rechnungsbücher als Basis für die Rekonstruktion zu benutzen, ist gut, bei der Umsetzung ist aber quasi alles schiefgelaufen“, so Zimmer. Er hat daraufhin selbst einen Entwurf auf Basis der in den Rechnungsbüchern enthaltenen Daten ausgearbeitet. Und dieser sieht ganz anders aus wie die Konstruktion im Schloss. „Die Einrichtung, die man jetzt in der Burg bewundern kann, ist nicht originalgetreu. Sie sah mit Sicherheit nie so aus. Die Leute werden getäuscht. Das ist Geschichtsfälschung“, ärgert sich der Burgenspezialist. Dabei hätte man noch viele Originalteile in der Burg wiedergefunden, wie einen der beiden Steintröge, in die das Wasser hineinlief.

„Veianer Schlassfrënn“ haben eigenen Experten

Die Hebetechnik sei nicht konform mit der Charta von Venedig von 1964, so Zimmer weiter. Das Dokument gilt als zentrale und international anerkannte Richtlinie in der Denkmalpflege. Er stützt sich bei seiner Aussage des Weiteren auf mehrere Expertenberichte. Dr. Werner Meyer von der Universität Basel und Dr. Cord Meckseper aus Hannover bezeichnen den Brunnenaufzug in ihren Stellungnahmen als „monströses Gebilde“. Er sei unter anderem viel zu groß. Sie raten, ihn durch eine originalgetreue Version zu ersetzen oder zumindest eine Abbildung der von John Zimmer gezeichneten originalgetreueren Einrichtung hinzuzufügen.

Das aber wollen die „Veianer Schlassfrënn“ nicht tun. Alles sei in geordneten Bahnen abgelaufen, sagen sie und führen ihren eigenen Spezialisten, den Ingenieur Dr. Axel Gleue, ins Feld. Er sei ein ausgewiesener Experte für Wasserfragen im Zusammenhang mit historischen Bauwerken wie Burgen und habe das Projekt in Vianden deshalb wissenschaftlich begleitet. John Zimmer bleibt jedoch skeptisch – und wütend. Das Problem sei „globaler“, so der langjährige Mitarbeiter der Denkmalschutzbehörde mit bebender Stimme. Denn bei dem Projekt seien die obligatorischen Prozeduren nicht eingehalten worden. Das „Unglück“ hätte nämlich vermieden werden können, wenn das Dossier im Kuratorium des Schlosses und im Denkmalschutz-Ausschuss zur Sprache gekommen wäre. Das war aber nicht der Fall. Weder die Denkmalschutz-Kommission Cosimo noch das Kuratorium seien darüber informiert worden.

Burgverantwortlichen: Zimmers Konstruktion funktioniert nicht

Der Chef der nationalen Denkmalschutzbehörde, Patrick Sanavia, weist wie die Viandener Schlossfreunde diese Kritik aber entschieden zurück. Alles sei „konform“ abgelaufen. Jede zuständige Stelle sei auf dem Laufenden gehalten worden. Seine Behörde habe sich auch nicht direkt am Projekt beteiligt. Sie hätte lediglich ein Gutachten darüber abgegeben, betont Sanavia weiter.

Er versucht, die erhitzten Gemüter anschließend zu beruhigen, indem er erklärt, dass das Projekt der Schlossfreunde lediglich als Ziel hatte, den Besuchern zu zeigen, wie man das Wasser aus dem Brunnen holte. „Man ist sich nicht ganz sicher, wie der Aufzug damals ausgesehen hat. Bei der Konstruktion handelt es sich daher nur um eine mögliche Interpretation“, so Sanavia zum Tageblatt. Es handele sich zudem um eine mobile Konstruktion, die keinen Einfluss auf das Gemäuer habe und neben ihrer didaktischen Aufgabe zu Dekorationszwecken diene. Sie könne ohne Probleme jederzeit entfernt werden. Er sehe im Augenblick aber nicht den Sinn, den Aufzugmechanismus zu entfernen. In dieselbe Kerbe schlagen die Verantwortlichen der Burg. Sie argumentieren unter anderem, dass der von John Zimmer entworfene Mechanismus nicht funktionieren würde, weil er die Wassermassen bis zu 80 Liter pro „Eimer“ nicht hätte heben können. Sie verteidigen die von ihrem Experten ausgearbeitete Anlage mit einem doppelten, gegenläufigen Eimeraufzug.

Die Burg als Disneyland

Wer hat denn nun recht? Mit Sicherheit kann man es nicht sagen. Und auch bei den Besuchern gehen die Meinungen auseinander: „Der Eimer-Aufzug ist schon imposant. Ich habe etwas in dieser Größe noch nicht gesehen. Ich kann aber auch nicht sagen, wie so etwas aussehen muss“, so Marc (30), der am vergangenen Wochenende die Burg besuchte. Seine Frau Mara (28) ergänzt: „Solange nicht bei den Informationen über die Technik der damaligen Zeit geschummelt wird, ist es o.k. Die Schloss-Betreiber wollen ja schließlich auch viele Leute anziehen. Und das geht nur, wenn sie Spektakuläres bieten können.“ Gaston (54) ist Franzose und Fan alter Burgen. Er besteht auf die Authentizität der Bauwerke. „Will man den Menschen vermitteln, wie man damals gelebt hat, muss man bei der Wahrheit bleiben und alles originalgetreu wieder aufbauen.“

Eine Einwohnerin der Stadt warnt indes, man solle die Burg nicht „vergewaltigen“ und zu einem Disneyland machen. Ihr Bekannter, der neben ihr im Café sitzt, kontert, sie übertreibe. Die Anlage sei noch weit von einem Vergnügungspark entfernt.
Vielleicht muss ein weiterer Experte in diesem Historiker-Streit schlichten.


Falsch informiert?

Harsche Kritik übt John Zimmer auch an dem Besucherzentrum der Burg. Hier wird die Entwicklung des Bauwerks im Laufe der Jahrhunderte veranschaulicht. Die Besucher haben unter anderem die Möglichkeit, auf einem „Pfad“ die Geschichte des Bauwerks zu durchlaufen. Es werden Fragmente vom Wehrgang und den Fundamenten gezeigt. 3D-Modelle und ein Film geben Aufschluss über die verschiedenen Bauphasen sowie die Restaurierungsarbeiten des Schlosses.

„Im Besucherzentrum werden aber etliche Fehler weitergegeben“, so Zimmer mit einem Kopfschütteln. Ein Vorwurf, den die Burg-Verantwortlichen und der Direktor der Denkmalschutzamtes aber strikt von sich weisen. Die Geschichte der Burg Vianden und seinen Einwohnern sei von Historikern, Architekten, Archäologen und Bauforschern genau erforscht und dokumentiert worden. Auf der Basis dieser Erkenntnisse habe man das Besucherzentrum konzipiert. Sanavia bleibt hier aber gesprächsbereit. „Wenn dennoch Fehler festgestellt werden, was die Informationen betrifft, die wir dem Besucher vermitteln wollen, kann man uns jederzeit darüber in Kenntnis setzen. Dann reden wir darüber.“


Die Burganlage 

Die Burg Vianden wurde vom 11. bis 14. Jahrhundert auf den Fundamenten eines zwischen 360 und 450 nach Christus erbauten römischen Kastells und eines karolingischen Refugiums gebaut. Sie ist eine der größten Residenzen der romanischen und gotischen Zeit in Europa. Bis zum 15. Jahrhundert war sie der Wohnsitz der Grafen von Vianden, die Verbindungen zum deutschen Kaiserhof pflegten. 1417 gingen die Grafschaft und das Schloss an das deutsche Haus Nassau. Dieses verleibte sich 1530 ebenfalls das französische Fürstentum Oranien ein. Die Kapelle, der kleine und der große Pallas wurden Ende des 12. bzw. Anfang des 13. Jahrhunderts gebaut. Der „Jüliche Bau“ westlich des großen Pallas besteht heute nicht mehr. Der Bau geht aber auf den Anfang des 14. Jahrhunderts zurück. Der „Nassauer Bau“ wurde indes erst Anfang des 17. Jahrhunderts errichtet.

1820 verkaufte König Wilhelm I. der Niederlande dem Prinzen von Oranien-Nassau das Schloss. Der damalige Viandener Bürgermeister und Händler Wenzeslas Coster erwarb die Burganlage und verkaufte die Materialien der Burg. Die Folge der Ausschlachtung: Die Burganlage verfiel. Sie diente fortan nur noch als „Steinbruch“ für die Häuser der Stadt. 1890 dann kaufte Großherzog Adolf das Bauwerk und wollte es restaurieren. Dies kam aber nie zustande. Nachdem der Staat die Burg dann im Jahr 1977 übernahm, wurde sie endlich komplett restauriert.

roger wohlfart
28. November 2018 - 13.21

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