Wer ist die „Neue“? Luxemburgs neue LSAP-Ministerin Paulette Lenert im Gespräch

Wer ist die „Neue“? Luxemburgs neue LSAP-Ministerin Paulette Lenert im Gespräch

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Paulette Lenert ist die ganz große Überraschung der neuen Regierung. Die Quereinsteigerin hatte nicht an den Nationalwahlen teilgenommen. Musste sie auch nicht. Aber Quereinsteiger wurden in Luxemburg schon immer mit Skepsis betrachtet.

Die neue Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit und Verbraucherschutz hat das alte Büro von Romain Schneider gerade bezogen, als wir sie treffen. Ihre E-Mail-Adresse wurde eben erst eingerichtet. Richtig in der Regierung angekommen ist sie noch nicht. Das merkt man. Das sagt sie selbst.

Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass sie Ministerin geworden ist? „Es war für mich sehr unerwartet“, meint sie. „Ich habe mich aber über die neue Herausforderung gefreut. Ich arbeite seit Jahren im Dienst des Landes und bekomme nun die Möglichkeit, noch mehr gestalterisch mitzuarbeiten. Das freut mich sehr.“ Konkreter: „Die Parteileitung hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Ministerin zu werden. Kurz danach war es auch schon öffentlich. Alles ging sehr schnell und ich habe nicht viel Bedenkzeit gebraucht.“

Lenerts Biografie liest sich unspektakulär. Keine Eskapaden. Jurastudium. Richterin. Staatsdienst. Erster Regierungsrat. Geschäftsführung des Nationalen Instituts für öffentliche Verwaltung. Ist die neue Ministerin eine typische Luxemburgerin? Sie sieht das anders: „Meine Laufbahn ist eher atypisch. Ich habe als Anwältin begonnen und bin ins Justizministerium gewechselt. Als 1997 das Verwaltungsgericht gegründet wurde, hatte ich das Glück, ein Teil davon sein zu können. Danach war ich 13 Jahre lang Richterin und habe diesen Pfad dann wieder verlassen. Das ist atypisch, sehr wenige Richter gehen diesen Schritt.“

„Déformation professionnelle“

Wenn Lenert über ein Thema nicht Bescheid weiß, dann schwafelt sie nicht, sondern sagt es geradeheraus. Mit vielen Dossiers ihrer neuen Aufgabe konnte sie sich – ob der kurzen Zeit – noch nicht beschäftigen. „Ich will zuerst alle Details kennen, bevor ich mir eine Meinung bilde und mich äußere“, sagt sie. Eine positive Eigenart aus ihrem früheren Leben als Richterin. „Déformation professionnelle“ nennt sie es selbst.

„Als Richter hört man immer zwei Seiten einer Geschichte. Da gewöhnt man es sich auch an, zu warten, bis man beide Seiten gehört hat, um sich dann erst eine Meinung zu bilden. Diese Art des Arbeitens habe ich vor zehn Jahren auch mit zum Staat gebracht.“ Und weiter: „Sie werden selten zu hören bekommen, dass ich einfach so eine Meinung äußere.“ Jeder Versuch, sie nach ihren Visionen und Plänen zu befragen, ist deshalb müßig. Wenn Lenert sagt, dass sie nichts sagt, dann ist das mehr als nur eine Phrase.

Feiertage zum Einarbeiten

Die Zeit zwischen den Jahren will sie nun nutzen, um sich ausgiebig mit der Materie auseinanderzusetzen. „Ich weiß auf jeden Fall, was ich während der Feiertage zu tun habe.“

Als Pierre Gramegna 2013 als Quereinsteiger in die Regierung berufen wurde, hatte er keine Parteikarte. Der neue Finanzminister legte sich dann doch eine Karte der DP zu. Bei Paulette Lenert ist das anders. Sie ist seit drei Jahren Mitglied der Sozialdemokraten.

„Mein Herz schlägt seit jungen Jahren links“, antwortet Lenert auf die Frage nach ihrer Parteizugehörigkeit. „Der Richterberuf setzt eine sehr hohe Neutralität voraus. Für mich wäre es damals ethisch nicht vertretbar gewesen, eine Parteikarte zu haben. Es gibt Leute, die das anders sehen. Für mich war das nie ein Thema, sodass ich erst viel später den Weg in die Partei gefunden habe.“

„Der Staat muss intervenieren“

Was unterscheidet sie als Sozialdemokratin von einer konservativen oder liberalen Politikerin? „Ich glaube fest daran, dass der Staat – in Maßen – intervenieren muss. Der Verbraucherschutz ist dafür ein gutes Beispiel. Ich glaube nicht an die unsichtbare Hand, die, wenn man die Märkte in Ruhe lässt, alles sowohl im Sinne des Einzelnen als auch im Sinne des Allgemeinwohls reguliert. Es gibt immer Bereiche, in denen staatliche Eingriffe gefordert sind, damit jeder die gleichen Chancen hat.“

Um sich von konservativer Politik abzugrenzen, sagt sie: „Ich bin offen für Innovationen. Die Lösungen von gestern können nicht die Herausforderungen von morgen bewältigen. Die Umstände verändern sich und es braucht eine große Offenheit, um nach vorne zu blicken und sich die Werte der jungen Leute anzusehen.“

Zweifache Ministerin mit einem Ministerium

Lenert ist zwar nun zweifache Ministerin – allerdings mit nur einem Ministerium. Die Entwicklungszusammenarbeit ist Teil des Außenministeriums – eine sogenannte „Direction“. Aber auch das Ministerium für Verbraucherschutz existiert noch nicht so richtig. Es befindet sich derzeit im Aufbau. Verschiedene Teile aus den Ministerien für Gesundheit, Nachhaltige Entwicklung und Landwirtschaft sollen zusammengelegt werden, um das neue Ministerium zu bilden. „Ich werde noch einen Moment benötigen, um mir ein besseres Bild davon zu machen, was darunter fällt“, sagt Lenert. „Es ist ein wichtiges Zeichen, dass der Verbraucherschutz jetzt sein eigenes Ministerium erhält. Die öffentliche Hand muss hier eine Rolle spielen.“

Der Verbraucherschutz liegt Lenert sichtlich am Herzen: „Heute ist es extrem schwer, den Überblick darüber zu behalten, was mit unseren Daten und unseren Lebensmitteln geschieht.“ Das Regierungsprogramm unterstreiche besonders die Ernährung. Allerdings werden sich die Aufgaben des neuen Ministeriums wohl kaum auf nur dieses Thema begrenzen. Als Verbraucherschutzministerin muss sich Lenert mit Dossiers zu Themen wie dem Dieselskandal und den Schaltergebühren auseinandersetzen. Ob es ihr bereits vor solchen Dossiers graut? „Mir graut es im Allgemeinen nie vor neuen Aufgaben. An meinem alten Arbeitsplatz werden die Kollegen aufatmen, wenn sie vor meinen neuen Ideen ihre Ruhe haben.“

Große Verantwortung Entwicklungszusammenarbeit

Von der Entwicklungszusammenarbeit spricht Lenert mit großem Respekt: „Wenn ich mir vor Augen führe, wie viel Geld in die Entwicklungszusammenarbeit fließt, dann bin ich beeindruckt über die Verantwortung, die auf mich zukommt. Es ist kein unbedeutendes Ressort.“ Seit Jahren rühmt sich Luxemburg damit, 1 Prozent seines Bruttonationalprodukts in die Entwicklungszusammenarbeit zu stecken – mehr als viele andere Länder. „Luxemburg hat eine große Tradition in der Entwicklungszusammenarbeit“, weiß auch Lenert. „Es wäre prätentiös, zu behaupten, ich hätte bereits eine Vision, was die Entwicklungszusammenarbeit angeht. Selbstverständlich werde ich in einer ersten Phase weitermachen wie mein Vorgänger und mich einarbeiten.“

Innovationen kann sich Lenert hier aber durchaus vorstellen: „In der Entwicklungszusammenarbeit bietet der digitale Bereich viele Möglichkeiten. Ich komme gerade aus Kenia. Dort besitzt sogar in den Slums fast jeder ein Handy. Das eröffnet neue Wege, um an die Menschen heranzutreten und etwa Bildung zu gestalten. Man muss nur offen genug sein und sich überlegen, in welchen Bereichen man diese neuen Möglichkeiten einsetzen kann.“

roger wohlfart
19. Dezember 2018 - 13.54

Das dürfte ja mittlerweile jeder mündige, wahlberechtigter Bürger wissen.

J.C.KEMP
16. Dezember 2018 - 15.44

Nochmal zum mitdenken: Ein Minister muss nicht Kandidat gewesen sein und muss auch nicht Abgeordneter sein. Ist nun mal Gesetz.

Jang
15. Dezember 2018 - 8.54

Loost mer der Madame eng Chance ginn. Hoffentlech hölt Si deen Job do serieus an bleiwt mat den Féis um Buedem. Bonne Chance.

Schullerpiir
15. Dezember 2018 - 2.48

Wen interressierts? War nie Kandidatin!

roger wohlfart
14. Dezember 2018 - 19.08

Neue Ministerin in alten Räumen. Die Quereinsteigerin hat eine Chance verdient. Abwarten und Tee trinken. Bin eher skeptisch.