EU-GipfeltreffenUnion soll bis 2050 klimaneutral werden

EU-Gipfeltreffen / Union soll bis 2050 klimaneutral werden
Tschechien fordert Ausbau der Atomkraft bei EU-Klimagipfel Foto: DPA

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Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs wollten sich bei ihrem gestrigen Gipfeltreffen auf ein hehres Ziel einigen: Bis 2050 sollte die EU klimaneutral sein. Damit wollten die 28 ein Zeichen an die in Madrid versammelte internationale Gemeinschaft senden, die dort bei einer UNO-Konferenz über den Kampf gegen den Klimawandel diskutiert.

Noch am gestrigen Nachmittag, als die EU-Staats- und Regierungschefs im Ratsgebäude eintrafen, waren nicht alle bereit, dem Ansinnen, bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität zu erreichen, zuzustimmen. Nicht nur standen dem Differenzen darüber im Wege, auf welche Weise dieses Ziel erreicht werden soll. Es ging, wie so oft in der EU, ebenfalls um die Finanzierung des Übergangsprozesses. Immerhin, diesen will die neue EU-Kommission, die am Mittwoch ihren „Green Deal“ vorgelegt hat, das Hauptstück ihrer noch jungen Amtszeit, mit einem Transitionsfond begleiten. 100 Milliarden Euro sollte dieser enthalten.

Der neue EU-Ratspräsident Charles Michel gab sich entschlossen, noch am Abend eine Einigung herbeizuführen. Wohl wollte er vermeiden, dass gleich das erste Gipfeltreffen unter seinem Vorsitz ergebnislos endet. Denn es stand von vorneherein fest, dass bei den Verhandlungen über das zweite wichtige Gipfelthema, den mehrjährigen EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027, keine nennenswerten Ergebnisse erzielt werden würden. Also sollte zumindest im Kampf gegen den Klimawandel, der derzeit die Gemüter beschäftigt, eine Erfolgsgeschichte her.

Dem standen bis dahin jedoch vor allem einige osteuropäische Mitgliedstaaten entgegen: Polen, Ungarn und die Tschechische Republik. Ihnen ist gemeinsam, dass sie noch zu großen Teilen zur Stromgewinnung auf Kohlekraftwerke setzen, die bekanntlich zu den größten CO2-Schleudern gehören. Der Verzicht auf Kohle, die insbesondere in Polen noch massiv gefördert wird, würde nicht nur den Abbau zigtausender Arbeitsplätze bedeuten. Es müssten auch Alternativen her, um die Stromproduktion aufrechtzuerhalten.

Zumindest der tschechische Regierungschef Andrej Babiš hat für sein Land bereits eine Lösung gefunden. Er setzt auf den Bau neuer Atomkraftwerke, erklärte er gestern unumwunden. Nur so könne Tschechien seine CO2-Reduktionsziele erreichen. „Atomenergie ist eine saubere Energie, ohne Emissionen“, meinte er gestern wie selbstverständlich. Und er sparte dabei nicht mit Seitenhieben auf den Nachbar Österreich, der sich gegen Atomenergie ausspricht, jedoch 25 Prozent seines Strombedarfs aus Tschechien bezieht, wie der Tscheche erklärte. „Ohne tschechischen Strom würde Wien ohne Strom sein“, bemerkte Andrej Babiš genüsslich. Der die Kosten für die nukleare Aufrüstung für die heimische Stromgewinnung auf 30 bis 40 Milliarden Euro veranschlagt. Wobei er selbstverständlich im Sinn hat, dass ein Teil davon aus der Brüsseler Kasse finanziert wird.

Tschechien setzt auf Atomkraft

Dagegen wehrt sich der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel. „Wir sollen keine europäischen Gelder nehmen, um Atomenergie zu finanzieren.“ Sollte dieser Vorschlag dennoch auf den Tisch kommen, „dann werde ich, wenn es sein muss, mein Veto einlegen“, versprach Bettel, der noch während eines Mittagessens bei einem Treffen der Liberalen mit Andrej Babiš und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron das Thema besprochen hatte. „Wir sind der Überzeugung, dass Atomenergie weder nachhaltig noch sicher (ist) und vor allem wissen wir noch nicht, was wir mit dem Abfall machen sollen“, so der Luxemburger.

Im Entwurf der Schlusserklärung zum Gipfel war vorgesehen, dass jedes Land seinen Energiemix, das heißt die verschiedenen genutzten Energiequellen, selbst bestimmen darf. Luxemburg und Österreich sprachen sich dagegen aus, dass in diesem Zusammenhang irgendein Bezug zur Atomenergie gemacht werden sollte.
Emmanuel Macron sei mit ihm auf einer Linie, was seine strikte Weigerung, den Gebrauch der Atomenergie mit EU-Geldern zu fördern, anbelange, versicherte Bettel. Der Franzose wies dennoch darauf hin, dass sein Land über 60 Prozent seines Strombedarfs aus heimischen Atomkraftwerken beziehe und der Weltklimarat die Atomenergie als Bestandteil des Transitionsprozesses zu einer CO2-freien Welt betrachtet.

Macron forderte allerdings auch, dass an den EU-Grenzen Produkte jener Länder besteuert werden sollten, die nicht die gleichen Klimaziele und -regeln einhalten, die in der EU gelten. Er wolle damit erreichen, dass die europäischen Unternehmen nicht gegenüber der Konkurrenz aus Drittländern benachteiligt werden.

Abgeschwächt werden dürfte in der Schlusserklärung des Gipfeltreffens allerdings das einst gesetzte Zwischenziel zur Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2030. Im Jahr 2014 wurde dieses bei 40 Prozent festgelegt. Eigentlich sollte dieses nun auf 50 Prozent angehoben werden. Das Europäische Parlament hatte Ende November gar 55 Prozent. Nun könnte es so ausgehen, dass die 28 der EU-Kommission es überlassen, den entsprechenden Wert festzulegen. Damit könnte verhindert werden, dass ein Reduktionsziel festgeschrieben wird, das nur schwer zu erreichen ist.