Über die Anfänge der Tageblatt.lu-Webseite: Von Kinderkrankheiten und ihren Folgen

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Vor einem Monat feierte das World Wide Web seinen 30. Geburtstag. Die Tageblatt-Serie „30 Jahre WWW: Das Netz und Luxemburg“ beschäftigt sich heute mit den Anfängen der eigenen Webseite.

Was will ein Journalist? Dass seine Artikel möglichst viele Leser erreichen. Das Internet ermöglicht es ihm, den Leserkreis zu erweitern, unabhängig von Zeitungsausträgern und Kiosks. Insofern musste sich jeder Zeitungsmensch in den Anfangsjahren des Web über das neue Medium nur freuen, vor allem da sich der Leser gleich mit dem Autor auseinandersetzen konnte. Das zur guten Nachricht.

Die schlechte – und sie betraf insbesondere die an der Herstellung der gedruckten Zeitung gewohnten Journalisten: Ein Ende des Arbeitstags gab es mit dem neuen Medium theoretisch nicht mehr. Na gut, feste Arbeitszeiten gab es auch vorhin nicht. Immerhin diktierte der Stolz jedem Zeitungsmacher – ich spreche dabei von Tageszeitungen –, auch noch die letzte Nachricht ins Blatt zu nehmen.

Doch das Internet schaffte den klassischen Redaktionsschluss definitiv ab. Wohl ein Vorteil für den Leser und natürlich den Verleger. Für die betroffenen Journalisten bedeutete dies, zumindest in den Anfangsjahren von Nachrichtenseiten wie Tageblatt.lu, zusätzlichen Stress und zusätzliche Selbstausbeutung. Denn die neueste Meldung konnte fortan sofort und zu jeder Tageszeit und von jedem Computer mit Internetanschluss aus veröffentlicht werden. Beispiel Wahlen in Übersee. Deren Ergebnisse schafften es in der Regel wegen des Zeitunterschiedes bis Redaktionsschluss der Zeitung nicht mehr ins Blatt. Auf die Webseite schon. Dafür musste sich der diensttuende Journalist jedoch die Nacht um die Ohren schlagen.


30 Jahre WWW: Das Netz und Luxemburg

„Klick!“ Am 12. März 1989 schlug der Brite Tim Berners-Lee im Forschungszentrum CERN ein System vor, mit dem sich Wissenschaftler einfacher über das Internet austauschen können: Das World Wide Web (WWW) war geboren. Das Tageblatt berichtet, wie WWW und Internet in Luxemburg Einzug gehalten haben – und wie das Netz von heute funktioniert. Sämtliche Artikel der Serie können auf Tageblatt.lu gelesen werden.


Einer der großen Fehler, die etliche Nachrichtenportale mit reduziertem Potenzial wohl machten, war, alles auf ihre Seite packen zu wollen. Wie die Printversion sollte die Webzeitung dem Leser Infos aus möglichst vielen Bereichen liefern, sei es Politik, Kultur, Sport, Wirtschaft oder Lokalgeschehen mit seinen „Faits divers“. Die Zeitung setzt wegen ihrer Seitenzahl und der damit verbundenen Druckkosten dem schreibwütigsten Journalisten Grenzen. Ein Webportal kennt derlei Probleme jedoch nicht.

Also bemühte sich die Webredaktion während Jahren, so viele Meldungen wie möglich hochzuladen, nicht nur aus dem Land, sondern auch aus der großen, weiten Welt. Als gäbe es nur Tageblatt.lu, um sich zu informieren.

Na gut. Ums Web kümmerten sich Webjournalisten, die Nachtdienst schieben, Agenturmeldungen mit wenigen Klicks hochladen und kurze Lokalnachrichten verarbeiten konnten. Stimmt. Nur damit die Seite anständig drehen, das Nachrichtenangebot regelmäßig aufgefrischt werden konnte, bedurfte es der Mitarbeit der Kollegen aus dem Print. Das wiederum setzte diese unter zusätzlichen Stress. Denn der Printjournalist musste jetzt nicht mehr bloß seinen Artikel bis zur Stunde X abliefern, sondern gleich nach seinem Einsatz und oftmals auch während desselben seine Meldung fürs Internet schreiben.

Wegen der überschaubaren Größe der meisten Redaktionen in Luxemburg muss jeder Journalist eigentlich in der Lage sein, schnell ressortübergreifend mitzuhelfen, auch wenn er sich auf bestimmte Themen spezialisiert.

Das Netz verwandelte den Journalisten vollends in einen Informationsgeneralisten. Das war zumindest in der nur wenige Mitarbeiter zählenden Webredaktion des Tageblatt der Fall. Zuerst das letzte Polizeibulletin mit den üblichen Alkoholkontrollen, Führerscheinentzügen, Einbrüchen und Schlägereien verarbeiten, dann den neuesten Stand nach der Fukushima-Katastrophe hochladen, mit entsprechendem Bildmaterial. Und zwischendurch vielleicht noch den Außenminister anrufen, der sich irgendwo in der Welt zu einer Krise äußern soll. Die Folgen: schludrige Sprache und große Fehlerquote. Denn anders als für die Zeitung gab es in den ersten Jahren bei uns keine Korrektur im Web. Flüchtigkeitsfehler, grammatische Verrenkungen und andere textliche Missgeburten kamen auf die Seite und verbleiben wohl für alle Ewigkeit im Netz. Manch peinlicher Schnitzer kann einem auch heute noch die Schamröte ins Gesicht treiben. Schnelligkeit hat ihren Preis, der da mangelnde Qualität der Texte und Ungenauigkeit heißt.

Zumindest das Tageblatt versucht in den letzten Jahren, aus oben genannten Fehlern zu lernen. Auch für das Internet zählt journalistische Qualität, und dazu gehören neben sauber verfassten Texten vor allem zuverlässige und überprüfte Informationen. Das erfordert mehr Zeitaufwand und zusätzliche Recherche des Journalisten – eine Wiederentdeckung der Langsamkeit, die einem Nachrichtenportal und seinen Lesern nur zugutekommen kann.


Zum Autor

Lucien Montebrusco kam im November 1995 zum Tageblatt. Er war unter anderem Chef der Innenpolitik- und von 2010 bis 2015 Leiter der Webredaktion, bevor er stellvertretender Chefredakteur wurde. Seit seinem Eintritt in den Ruhestand ist er als freier Mitarbeiter weiterhin für das Tageblatt tätig.

 

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15. April 2019 - 13.22

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