Trump regiert: Ein rasendes Jahr und seine Folgen

Trump regiert: Ein rasendes Jahr und seine Folgen

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2017 hat Donald Trump das Unnormale zur Regel gemacht. Nach Lage der Dinge wird sich daran 2018 nichts ändern. Konsequent setzt er seine Politik um, mit schwerwiegenden Folgen nicht nur für die USA.

Wenig hat die Wahrnehmung der Politik des Jahres 2017 so geprägt wie der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Mit aller Macht treibt Donald Trump seine Politik voran. Grundlegend verändert er die USA, das Land selbst wie seine Rolle in der Welt. Wahrheit, Normen, Moral und Traditionen scheren ihn nicht, Vorwürfe autokratischer und rassistischer Anwandlungen prallen an ihm ab, Trumps Selbst- und Sendungsbewusstsein gelten als unerschütterlich. Erschöpft und zerrissen geht die letzte Supermacht mit ihm in ein neues Jahr.

AUSSEN- UND HANDELSPOLITIK: Bündnisse gelten Trump nicht viel, „Amerika zuerst“ umso mehr. Deshalb profitiert in Asien China, deshalb muss Europa sich selbst kümmern. Ein schlüssiges Konzept für Nahost oder Afghanistan ist nicht bekannt. Der Atomdeal mit dem Iran hängt in der Schwebe. Trumps Politik ist voller Widersprüche: Einerseits wirft er die USA auf sich selbst zurück, andererseits schickt er mehr Soldaten, will das Militär immens ausbauen. Am konsequentesten ist die Handelspolitik: Eisern fährt Washington Schranken und Zölle hoch, kippt alte Verträge, scheint die Globalisierung anhalten zu wollen.

NORDKOREA: War und bleibt auch 2018 die größte Gefahrenzone rund um Pjöngjangs Atom- und Raketenprogramm. Der Krieg der Worte zwischen Trump und Nordkoreas Führer Kim Jong-un ist auf die Spitze getrieben, beiderseits auf bemerkenswertem Niveau. Militärisch ist der Konflikt nicht zu lösen, aber eine drohende Eskalation steht ständig im Raum.

DIE JUSTIZ: Einer der größten Erfolge Trumps, folgenreich für lange Jahre. Kein Präsident hat je so viele Bundesrichterposten in so kurzer Zeit neu besetzt. US-weit gab es noch aus Blockadezeiten der Republikaner einen Überhang von weit mehr als 100 Vakanzen, die jetzt mit Scharen junger, stramm konservativer Richter auf Lebenszeit besetzt werden. Befürchtet wird nun eine parteiliche Spaltung auch der Justiz, so folgenreich wie im Kongress und in den Medien. Am Supreme Court hat Trump Neil Gorsuch ernannt. Andere Mitglieder des Obersten Gerichts sind alt – viele befürchten auch hier auf Jahre oder sogar Jahrzehnte eine konservative Mehrheit.

DIE UMWELT: Mehr als 50 Regulierungen, Verträge und Vereinbarungen zum Schutz der Umwelt hat Trump aufgehoben, eingefroren oder blockiert, darunter das Klimaabkommen von Paris. Fossile Brennstoffe haben Vorfahrt, Nationalparks werden verkleinert, der Bau von Ölpipelines wird wieder aufgenommen, Ölbohrrechte in der Arktis werden ausgeweitet, Jagdrechte ebenso. Zigfach werden zurzeit verbotene, hochgefährliche Pestizide auf Druck der Industrie „neu bewertet“. Und ein Leugner des Klimawandels ist amtlich oberster Umweltschützer der Regierung.

DIE GESELLSCHAFT: „Hauptsache gegen Obama“ – das scheint Trumps Bewegungsgesetz. Alles, was Liberale als Errungenschaft ansahen, wird zurückgedreht, eingerissen, abgebaut. Transgender sollen nicht mehr im Militär dienen dürfen. Die Polizei darf wieder Material beziehen, das das Militär nicht mehr braucht, auch Kriegsgerät. Drogenkriminelle werden mit Höchststrafen weggesperrt. Abtreibungen werden wieder erschwert. Schulministerin ist eine Frau, die öffentliche Schulen ablehnt. Aus Protest kniende Footballspieler werden vom Präsidenten beschimpft. In Richtung von Ultrarechten und Neonazis versäumte Trump eine klare Distanzierung.

EINWANDERUNG: Von Trumps dutzendfach beschworener „großer, toller Mauer“, für die Mexiko bezahlen werde, steht mit Ausnahme einiger Ansichtsmodelle bei San Diego noch nicht ein Stück. Mit seinen Einreisestopps hat er vor Gericht Schiffbruch erlitten. Dennoch hat die US-Regierung aus ihrer Sicht so konsequent wie erfolgreich die Einwandererzahlen radikal herunter- und die Grenzsicherung hochgefahren. Setzt sie das 2018 fort, wird eine physische Mauer gar nicht mehr nötig sein: Der Verhau aus Vorschriften, Visasperren, Bürokratie, Wartezeiten und Sicherheitsbestimmungen wird so dicht anmuten wie Beton. Dazu droht Tausenden die Abschiebung. Das Klima im Einwanderungsland USA hat sich grundlegend verändert.

DIE REPUBLIKANER: Schon vor Trump unversöhnlich fraktioniert, ist die frühere „Grand Old Party“ (GOP) unter ihm regelrecht implodiert. Je nach Lage und Laune betont der Präsident die Nähe oder Nutzlosigkeit seiner Partei, während er selbst sich mehr und mehr als Unabhängiger profiliert. Die Republikaner brauchen dringend einen größeren Erfolg. Trumps Wähler sind derweil mehr Bewegung als Partei.

DIE RUSSLAND-ERMITTLUNGEN: Es geht längst um mehr als die Frage, ob Russland die US-Wahl 2016 beeinflusst hat und was Trump davon wusste. Sonderermittler Robert Mueller, installiert nach der sensationellen Entlassung von FBI-Chef James Comey, durchforscht Trumps Umfeld in alle Richtungen. Das belastet das Weiße Haus – ändert aber nichts an den herrschenden Verhältnissen. Ein von Trump-Gegnern in aller Welt herbeigesehntes Amtsenthebungsverfahren ist in sehr weiter Ferne. Solange die Republikaner nicht wollen, wird Trump nichts geschehen.

HALBZEITWAHLEN 2018: Sie sind zwar noch zu weit weg für seriöse Vorhersagen. Sollten aber eine Steuerreform zu Lasten normal und wenig Verdienender und der Abbau der von seinem Vorgänger Barack Obama geschaffenen Gesundheitsreform „Obamacare“ zünden, fürchten selbst Republikaner „radioaktive“ Auswirkungen für den November. Alle Kongressabgeordneten werden dann neu gewählt, außerdem ein Drittel der Senatoren. Aus heutiger Sicht scheint es möglich, dass die schwer geschlagenen, aber derzeit orientierungslosen Demokraten im Abgeordnetenhaus die Mehrheit zurückerobern. Dann würde es schwerer für Trump, seine Großvorhaben stünden erst recht still, er müsste sich noch mehr auf präsidiale Dekrete verlegen.

DAS POLITISCHE KLIMA: Vergiftet und aufgeladen. Die Würde des Amtes hat Donald Trump 2017 Tag für Tag neu vermessen, und das Wort des US-Präsidenten gilt nicht mehr viel. Die Faktenchecker der Washington Post haben ausgerechnet, dass Trump zum Ende seines ersten Jahres 2.000 Mal falsche oder irreführende Angaben gemacht haben wird. Nackte Häme, Beleidigungen und Prahlereien über sein Lieblingsmedium Twitter sind Legion, und er wird weiter alles persönlich nehmen. Unversöhnlich stehen sich Trumps Anhänger und Gegner gegenüber. Wie das je wieder zusammengehen soll, weiß niemand.

DIE AUSSICHTEN: Trumps Kernwählerschaft und das große Geld halten eisern zu ihm. In ihre Richtung dreht er das Land, mag der Rest sich auch abwenden. Zwar ist nicht alles Trump, die Bundesstaaten können vieles selbst gestalten. Er selbst aber wird sich und seine Aktionen, ideologischer aufgeladen als vor Beginn gedacht, keinen Hauch ändern. Politik bleibt ihm Show und tägliches Drama. Trotz historisch tiefer Werte sieht Trump (71) sich bereits auf dem Weg zur Wiederwahl. Die USA sind in einem Zustand, in dem wenig auszuschließen ist.

Marius
6. Dezember 2017 - 17.27

Bei der Lektüre dieser Bilanz des US Präsidenten Trump, wird wohl ein politisch unbeteiligter Bürger sich ernsthaft fragen müssen, ob der Mann im weissen Haus irgendetwas zustande gebracht hat, das man als irgendwie positiv einstufen könnte. Die Antwort ist NEIN. Die USA wären ein zerrissenes Land und seien vollkommen erschöpft. Ein mir vollends fremdes Scenario, das ich nicht bestätigen kann, denn diesen Eindruck hatte ich persönlich nicht, als ich im Herbst Amerika bereiste. Jedenfalls nicht in den Staaten an den grossen Seen, Minnesota, Wisconsin und Illinois. Die Devise lautet immer noch, "business as usual." Über Amerika könne man alles sagen, alles sei wahr, oder eben widersprüchlich, meinte J.P. Sartre. Entgegen allen pessimistischen Aussagen, ist das kritische Bewusstsein der amerikanischen Gesellschaft dabei sich grundlegend zu wandeln, damit eine neue Auflage des "american dreams" in absehbarer Zukunft neu geschrieben werden kann. Jedem soll gestattet sein, das zu erreichen was er sich als Ziel gesetzt hat. Eine solche Zielsetzung ist für die europäische Jugend in weite Ferne gerückt.

Schuller piir
6. Dezember 2017 - 0.54

Den mescht weinstens Eppes! Den Virworf kann éen vielen aneren net maachen!

weit
5. Dezember 2017 - 23.04

sie schreiben Trump scheint die Globalisierung anhalten zu wollen .Ist die Globalisierung nicht das was Grüne und Sozialisten und Feinde des Kapitalismus immer angeprangert haben. Ist Globalisierung jetzt ok nur weil Trump sie nicht will ??? Irgendwo stimmt was nicht.