Trotz Spitzenresultat kein Durchmarsch der PiS: Kaczynski verliert in Polen die Städte

Trotz Spitzenresultat kein Durchmarsch der PiS: Kaczynski verliert in Polen die Städte
Jaroslaw Kaczynski zeigte sich in der Wahlnacht siegessicher.

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Jaroslaw Kaczynski wirkt verstockt. Der Parteichef lächelt krampfhaft. „Wir haben Grund zum Feiern“, sagte Polens starker Mann in der Wahlnacht. Fünf Prozentpunkte habe seine Partei in den letzten vier Jahren zugelegt, der Sieg sei der Regierung sicher, frohlockt Kaczynski. Klar sind auch am Montag aber erst die Bürgermeister- und Gemeindepräsidentenwahlen.

Von unserem Korrespondenten Paul Flückiger, Warschau

Für die Wahlen zu den Regionalparlamenten (polnisch: Sejmiki) liegen erst Teilresultate vor. Die offiziellen Resultate sollen am Mittwoch bekannt gegeben werden. Gemäß den Exitpolls hat hier Kaczynskis Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) mit 32 Prozent (2014: 27 Prozent) der Stimmen gewonnen und damit das liberale Oppositionsbündnis „Bürgerkoalition“ (KO) aus Bürgerplattform (PO) und Modernen (polnisch: Nowoczesna) mit 25 Prozent (2014: 26 Prozent) klar geschlagen. Auf den dritten Platz kommt mit guten fast 17 Prozent die gemäßigte, oppositionelle Partei PSL. Die Fünfprozenthürde überspringen können mit je etwa sechs Prozent auch die rechtspopulistische Bewegung Kukiz’15, die postkommunistischen Linken (SLD) sowie die Liste „Parteilose Lokalpolitiker“.

Die Kaczynski-Partei wird damit in neun von 16 Regionalparlamenten die stärkste Kraft. In sieben Regionalparlamenten bleiben indes die Liberalen die stärkste Kraft. Werden die bisherigen Koalitionen mit der PSL weitergeführt, so könnte die Opposition die Regierungsmacht in immerhin zwölf Regionalparlamenten bewahren. Ein PiS-Durchmarsch auf regionaler Ebene ist dies beileibe nicht.

Die Lokalwahlen zeigen die Polarisierung des Landes auf

Noch klarer ist die Niederlage der PiS in den Großstädten. In der Hauptstadt Warschau gewann die liberale „Bürgerkoalition“ überraschend bereits in der ersten Runde. Die Opposition siegte auf Anhieb in acht wichtigen Großstädten; nur um fünf Bürgermeisterämter, darunter Krakau und Danzig, kommt es am 4. November zur Stichwahl. Die PiS hat allerdings nur in Krakau noch intakte Chancen auf den Sieg. Einzig in Katowice (Kattowitz) siegte am Sonntag ein unabhängiger Kandidat, der für Kaczynski akzeptabel ist.

Das Resultat der Lokalwahlen zeigt die altbekannte Polarisierung Polens. PiS konnte sich vor allem in den ärmeren Landesteilen im Osten und Süden durchsetzen. Wie bereits bei den Parlamentswahlen 2015 hatte sie ihre besten Resultate auf dem Lande und in Kleinstädten unter 50.000 Einwohnern. Und je älter und schlechter gebildet die Stimmbürger sind, desto höher fällt der Vorsprung auf die Liberalen aus.

Das starke Abschneiden der von vielen bereits tot gesagten Bauernpartei PSL (16,6 Prozent) sowie auch der Erfolg der Liste „Parteilose Lokalpolitiker“ wird von Beobachtern in Warschau als Stimme des Protests gegen den unerbittlichen und seit Jahren das ganze politische Leben Polens dominierenden Kampf zwischen PiS wie PO gesehen. Die PSL kritisiert zwar immer wieder die Verfassungsbrüche bei der Justizreform, pflegt indes insgesamt eine versöhnliche Sprache, die sich gerade in dem schmutzigen Lokalwahlkampf wohltuend abhob.

„Deutsche Medien“ hätten der PiS mutwillig geschadet, hieß es in der Nacht zum Montag im Wahlstudio des gleichgeschalteten Staatsfernsehens TVP. Gemeint ist das Ringier-Axel-Springer-Onlineportal onet.pl, das Mitschriften eines Lauschangriffs von 2013 gegen den heutigen Ministerpräsidenten veröffentlichte. Der Kaczynski-Günstling Mateusz Morawiecki war damals noch Berater der liberalen Vorgängerregierung und macht sich auf den Tonmitschnitten unter anderem über die angebliche Dummheit der Bürger lustig.

Geholfen haben diese Veröffentlichungen der PiS bestimmt nicht. Doch schwerer wiegt vermutlich ein immigrantenfeindlicher PiS-Wahlspot vom Freitag. So was schätzt man in polnischen Großstädten wenig. Dort ist Polen nämlich noch weltoffen und liberal.