Trotz erstem Sieg in Wimbledon: Luxemburger Gilles Muller „fehlt die Sicherheit“

Trotz erstem Sieg in Wimbledon: Luxemburger Gilles Muller „fehlt die Sicherheit“

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Der Luxemburger Tennisprofi Gilles Muller (ATP 60) hat sich am Montag in Wimbledon in fünf Sätzen gegen Michael Mmoh für die zweite Runde qualifiziert. Nach vielen spielerischen Auf und Abs wusste Gilles Muller allerdings erst im letzten Satz spielerisch zu überzeugen. Für ihn war aber vor allem das Mentale entscheidend, wie er im Interview mit dem Tageblatt erklärt.

Aus Wimbledon berichtet Tageblatt-Redakteur Laurent Neiertz

Tageblatt: Gilles, es war wahrlich ein harter Kampf für dich. Wie würdest du das Spiel aus deiner Sicht beschreiben?
Gilles Muller: Sehr kompliziert. Ich verspürte einen unheimlichen Druck. Jedes Mal, wenn ich eigentlich sehr gut gespielt habe, folgte ein schwerer Patzer. So habe ich mich immer wieder in schwierige Situationen gebracht. Im Gegensatz zu meiner spielerischen Leistung stellt mich aber meine psychische Stärke zufrieden. Zwischendurch wollte ich aber einfach meine Taschen packen und nach Hause gehen.

Es waren immer wieder Phasen im Spiel, in denen du richtig gutes Tennis gezeigt hast …
Ja. Das ist ja auch genau das, was ich nicht so richtig verstehe. Diese Erfolgsmomente gaben mir nicht das nötige Selbstvertrauen. Der Tiebreak im dritten Satz ist dafür das beste Beispiel. Bis zum 6:3 spielte ich fehlerlos. Dann unterlief mir aber beim Stand von 6:5 bei einem einfachen Volley ein Fehler. Das darf auf gar keinen Fall geschehen. Trotz allem sicherte ich mir diesen dritten Durchgang. Danach hatte ich eigentlich zu diesem Zeitpunkt das Gefühl, dass mir nichts mehr passieren könnte, doch dann kassierte ich gleich wieder ein unnötiges Break. Der letzte Durchgang war dann aber vom spielerischen Niveau okay. Ich habe hier keine Schwäche gezeigt.

Bei den Breakmöglichkeiten fehlte dir manchmal die nötige Kaltschnäuzigkeit. Warum?
Ich habe auch nicht direkt die passende Antwort auf diese Frage. Mir fehlt es in diesen Situationen vielleicht an der nötigen Sicherheit. Ich habe einfach nicht genug Spiele in diesem Jahr gewonnen, um mir dieses Gefühl zu geben. Deshalb verpasse ich manchmal den Augenblick, die wichtigen Punkte zu gewinnen. Des Weiteren will ich unbedingt hier in London ein gutes Resultat erzielen. Es ist nämlich nicht irgendeine „Kirmes-Partie“, die ich hier spiele. Es ist die erste Runde in Wimbledon. Deshalb steigt der Druck. Wenn sich dann die Chancen bieten, das Match in meine Richtung zu lenken, fange ich aufgrund dieses mangelnden Selbstvertrauens an, zu überlegen. Die Arme werden schwerer, ich mache die falschen Entscheidungen und vernachlässige meine Beinarbeit. Ich muss wieder diese Selbstverständlichkeit bekommen, wie ich diese Big Points gewinnen kann.

Was auffiel war, dass du in den Momenten, als du aggressiv zu Werke gegangen bist, auch fast immer den Punkt gemacht hast. Warum hast du diese Taktik nicht immer durchgezogen?
Ich habe schon seit einiger Zeit mit diesem Problem zu kämpfen. Ich übernehme an sich die Kontrolle über das Spiel, doch in den Momenten, in denen ich mich angespannt fühle, werde ich automatisch defensiver. Mein Gegner beginnt dann, die Initiative zu übernehmen. Wenn ich dann merke, dass ich wieder angriffslustiger werden muss, forciere ich vielleicht zu viel bei meinen Schlägen und es unterlaufen mir viele unnötige Fehler. Hier muss ich in Zukunft bessere Entscheidungen treffen.

Du hast oft den Blickkontakt zu deinem Team gesucht und mit dir selbst geredet. Des Öfteren hast du auch selbstspöttisch über dich gelacht …
Ja, ich versuche mit dem Lachen ein wenig die Gelassenheit wiederzufinden. Am liebsten würde ich aber eher etwas kaputt schlagen, anstatt zu lachen. Manchmal weiß man einfach nicht richtig, ob man ruhig bleiben oder doch eher seine ganze Emotionen rauslassen soll. Wenn es gut läuft, stellt man sich diese Fragen nicht unbedingt.

Im letzten Durchgang bist du gegen Ende des Satzes gestürzt. Hast du dich dabei verletzt?
Wie das bei Stürzen auf Rasen meistens der Fall ist, fällt man auf die Hüfte. Ich habe einen kleinen Stich, auch im Bereich der Adduktoren, gespürt. Die Muskeln sind zwar so kurz nach der Partie noch nicht richtig abgekühlt, aber bis jetzt spüre ich keine Schmerzen. Auch meine Ellbogenverletzung machte sich nicht bemerkbar.

Deine letzte Fünfsatz-Begegnung für dich liegt jetzt schon ein Weilchen zurück. Wie sieht es – auch wegen der hohen Temperaturen – mit deiner physischen Verfassung aus?
Sehr gut. Ich hatte zu keinem Moment mit konditionellen Problemen zu kämpfen. Aber auf Rasen ist das Spiel sowieso nicht so kräfteraubend wie z.B. in Roland Garros auf Sand.

Dein Zweitrunden-Gegner Philipp Kohlschreiber ist sicherlich ein unbequemer Gegner auf Rasen …
Ja, absolut. Er ist ein sehr konstanter Spieler, der schon seit vielen Jahren in den Top 30 der Welt steht. Eigentlich hat er keine Schwächen, aber er besitzt auch keinen großartigen Schlag, vor dem man Angst haben müsste. Wir lieferten uns bereits enge Begegnungen. Deshalb bin ich gespannt darauf, wie ich mich diesmal aus der Affäre ziehen werde.


VIER FRAGEN AN … Benjamin Balleret, Trainer von Gilles Muller

Wie beschreiben Sie die Leistung Ihres Schützlings?
Man merkte es ihm förmlich an, dass es ihm des Öfteren an Selbstvertrauen fehlte. Er hatte auch Schwierigkeiten, immer die nötige Ruhe zu bewahren. Hätte er sich in manchen Situationen nicht so unter Druck gesetzt, hätte er diese Partie in drei Sätzen für sich entscheiden können, obwohl sein Niveau heute (Montag, 2.7.) nicht wirklich gut war. Das war wieder ein klassischer Muller (lacht).
Gilles schaffte es einfach nicht, Konstanz in sein Spiel zu bekommen. Immer wieder hatte er mit Leistungsschwankungen zu kämpfen.
Er hatte jedes Mal zum Auftakt Probleme beim eigenen Aufschlag. So musste er immer nach einem gewonnenen Satz ein frühes Break hinnehmen. Das tat ihm moralisch schon weh. Aber ich bin richtig froh darüber, dass er wenigstens im fünften Durchgang einen ordentlichen Satz zeigen konnte, der vom spielerischen Niveau her sehr solide war.
Nach dem gewonnenen ersten Satz brachte Gilles seinen Gegner wieder selbst ins Spiel, als er zum Auftakt das Break hinnehmen musste.
Ja, das stimmt. Ich hatte den Eindruck, dass die Moral seines Kontrahenten gebrochen wäre, wenn dieser mit 0:2 in den Sätzen im Hintertreffen gelegen hätte. Dann wäre es eine klare Sache geworden. Doch er machte seinen Gegner mit einigen verpassten Chancen wieder stärker. Auch im vierten Satz machte er beim Stand von 1:1 an sich sein bestes Spiel, doch er schaffte es nicht, seinem Gegner den Aufschlag abzunehmen. Kurz darauf forcierte er dann ein wenig bei seinen Schlägen und er wurde prompt gebreakt. Mit diesen mentalen Rückschlägen hatte Gilles im Laufe der Partie zu kämpfen.
Jetzt wartet Philipp Kohlschreiber auf ihn. Ist dies eine machbare Aufgabe?
Er ist jetzt sicherlich nicht mehr der Favorit. Vielleicht hilft ihm das nun, etwas entspannter an das Ganze heranzugehen. Und warum sollte ihm nicht eine Überraschung gelingen? Gegen stärkere Spieler setzt er sich nämlich nicht so unter Druck. Wenn er ruhiger wird, dann wird sein Spiel auch automatisch besser. NL