Tod eines Studenten: EU ermahnt Bosnien, mysteriösen Mord aufzuklären

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Kurz vor dem Todestag  des 2018 im bosnischen Banja Luka ermordeten Studenten David Dragicevic wollen die Eltern dessen Leichnam exhumieren und in Österreich neu begraben lassen: Ihr Sohn solle nicht in einem „Verbrecherstaat“ verbleiben. Die EU fordert Bosnien derweil auf, den mysteriösen und offensichtlich vertuschten Mordfall endlich aufzuklären.

Von unserem Korrespondenten  Thomas Roser, Belgrad/Banja Luka

Noch einmal ist die verbitterte Mutter des vor einem Jahr ermordeten Studenten David Dragicevic aus dem österreichischen Exil in ihre bosnische Heimatstadt Banja Luka zurückgekehrt. Sie wolle die Überreste ihres Sohnes nicht seinen Mördern überlassen, begründet Suzana Radanovic dessen am Dienstag geplante Exhumierung. Kurz vor seinem Todestag soll der Leichnam des 21-Jährigen am Freitag in der Wiener Neustadt neu bestattet werden. Ihr Sohn und dessen Familie sollten endlich „Frieden finden“, begründet die Mutter die Umbettung. Den Kampf um die Aufklärung des Mordes werde sie in Wien weiterführen: „Nur ein Blinder sieht nicht, wie verrottet dieser Staat ist.“

„Gerechtigkeit für David“ nennt sich die Bürgerbewegung, die seit knapp einem Jahr im Vielvölkerstaat Bosnien und Herzegowina gegen Mafia-Machenschaften und für die Aufklärung des mysteriösen Mords an dem Studenten streitet – und damit selbst in das Visier der ansonsten auffällig trägen Justiz gerückt ist. Die zahlreichen Merkwürdigkeiten nähren bei den Angehörigen und deren Mitstreitern deren Verdacht, dass Angehörige der Sicherheitskräfte in den Mord verwickelt seien und dies mit dem Segen ihrer politischen Schutzherren zu vertuschen versuchten.

Ertrunken in einem knietiefen Bach?

Am 18. März 2018 war David Dragicevic von seinem Vater als vermisst gemeldet worden. Sechs Tage später wurde seine Leiche in einem Bach gefunden. Die Polizei wartete bei einer Pressekonferenz zwei Tage später mit der überraschend schnellen Ermittlung der vermeintlichen Todesursache auf: David habe unter Drogeneinfluss einen Einbruch versucht, sei beim Fluchtversuch an der Böschung gestürzt und in dem knietiefen Rinnsal ohne Fremdeinwirkung ertrunken.

Gegenanalysen konnten aber weder den von den Ermittlern konstatierten Drogenkonsum noch die präsentierte Todesursache bestätigen oder die zahlreichen Wunden an seiner Leiche erklären: Mit mehrmonatiger Verspätung leitete die Staatsanwaltschaft Ende Juni Ermittlungen wegen Mordverdacht gegen unbekannt ein.

David sei entführt, tagelang festgehalten und gequält und seine Leiche schließlich in dem Fluss abgeladen worden, so die Überzeugung der Angehörigen: Als Grund für die schleppenden Ermittlungen, verschwundene Aufnahmen von Überwachungskameras und manipulierte Laborergebnisse vermuten sie die Beteiligung von Sicherheitskräften.

Justiz verfolgt lieber die Protestbewegung

Tatsächlich scheint sich Bosniens von der Politik gesteuerte Justiz im Fall David eher mit der Verfolgung der lästigen Protestbewegung als mit der Aufklärung des Mordes zu beschäftigen. Ende letzten Jahres wurde die provisorische Gedenkstätte für David im Zentrum von Banja Luka von der Polizei gewaltsam geräumt, die täglichen Proteste verboten. Davor Dragicevic, der zeitweise verhaftete Vater des Mordopfers, ist seit dem 30. Dezember abgetaucht: In regelmäßig in Bosniens Medien verbreiteten Videobotschaften wirft der in Österreich vermutete Vater den Ermittlungsbehörden und Politikern im Teilstaat der Republika Srpska weiterhin Mitwisserschaft und die gezielte Vertuschung des Mordes vor. Ihr Sohn solle nicht im Boden eines „Verbrecherstaats“ ruhen, begründen die Eltern dessen Umbettung.

Während die Teilstaatsregierung die Angehörigen der Verbreitung von „Lügen“ bezichtigt, drängt Brüssel den EU-Anwärter Bosnien, endlich die Täter in dem mysteriösen Mordfall zu ermitteln. Der Mord müsse „vollständig, ohne weitere Verzögerungen und unter Respektierung aller internationalen Standards“ aufgeklärt werden, forderte EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn zu Monats beginn bei einem Treffen mit Milorad Dodik, dem serbischen Mitglied von Bosniens dreiköpfigem Staatspräsidium.