Suff, Sonne und der Sturz vom Balkon

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So viele Todesopfer wie dieses Jahr gab es noch nie. Vor allem junge Männer bringen sich in Gefahr, wenn sie betrunken von einem Hotelbalkon zum anderen klettern wollen. Die Behörden warnen nun vor den Gefahren dieses gefährlichen Trends. Eine Nation zählt besonders viele Opfer.

Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze

„Das typische Opfer ist ein junger Mann, der mit ein paar Freunden nach Mallorca gekommen ist“, erzählt der spanische Unfallchirurg Juan José Segura. „Sie haben Spaß, sie trinken, vielleicht ein bisschen zu viel, und sie machen riskante Sachen.“ Zum Beispiel klettern sie von einem Hotelbalkon zum anderen. Oder sie versuchen, vom Zimmerbalkon in den oberen Stockwerken in den Pool zu springen.

Mit dramatischen Folgen. Seit Jahresanfang starben schon sieben junge Mallorca-Urlauber bei diesem lebensgefährlichen Spiel mit dem Tod – so viele wie noch nie.
Segura hatte in den letzten Monaten etliche Schwerverletzte auf seinem Operationstisch im Universitäts-Krankenhaus Son Espases in Palma. Durchweg Touristen, die sich bei Stürzen und Sprüngen vom Balkon kritische Wirbelsäulen- oder Kopfverletzungen zuzogen.
Die meisten Balkonopfer sind Briten, die vorzugsweise in der Partyhochburg Magaluf Urlaub machen, wo der Alkohol besonders reichlich fließt. Aber auch Deutsche, die am liebsten an der Playa de Palma feiern, sind nicht immun gegen das „Balconing“, wie diese Balkon-Klettereien genannt werden. Jedes sechste Balkon-Opfer kommt nach der Statistik aus Deutschland.

Um weitere Balconing-Unfälle möglichst zu vermeiden, macht der mallorquinische Arzt Segura dieses Jahr bei einer Aufklärungskampagne der britischen Regierung mit. „Das Problem ist weniger, dass du auf diese Weise deinen Urlaub ruinierst“, appelliert der 32-jährige Chirurg in einem Video an die Vernunft der jungen Mallorca-Besucher. „Das Problem ist, dass du dein Leben ruinierst.“

Ein Ausweg: Trinker ab ins Erdgeschoss

Das britische Außenministerium warnt derweil die nach Mallorca reisenden Landsleute: „Gehe keine unnötigen Risiken auf Balkonen ein, besonders wenn du unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol stehst.“ Das Ministerium weist darauf hin, dass die Reisekrankenversicherung die Folgen derartiger Suff-Unfälle möglicherweise nicht abdeckt.
Die meisten stürzen in den Sommermonaten übers Geländer. Fast durchweg seien Alkohol oder Drogen im Spiel, weiß Segura, der die Unglücksgeschichten zusammen mit seinen Kollegen seit Jahren analysiert. „In 95 Prozent der Fälle hatten die Patienten große Mengen Alkohol getrunken und 30 Prozent hatten zusätzlich Drogen genommen.“

In der Regel seien es Unfälle, bei denen die Betreffenden abstürzen, wenn sie über den Balkon zum Nachbarzimmer der Freunde klettern. Oder wenn sie einfach volltrunken übers Geländer kippen. In etwa 15 Prozent der Fälle handele es sich jedoch um Mutproben, weil die jungen Leute versucht hätten, vom Zimmerbalkon ins Schwimmbecken des Hotels zu springen.

Gerade erst fiel ein 25-jähriger Brite in Magaluf übers Geländer im sechsten Stock, als er vom Balkon aus in den Hotelhof urinierte. Er war das Opfer Nummer 15 in diesem Jahr und überlebte schwer verletzt. Nur wenige Tage zuvor stürzte im Vergnügungsviertel an der Playa de Palma eine 25-jährige Frau aus Ungarn aus dem dritten Stock auf ein Autodach, das ihr das Leben rettete. Ein 14-jähriger Brite, der kurz zuvor in dem Ort Muro im Norden der Insel aus dem zweiten Stockwerk fiel, hatte weniger Glück und starb.

Die spanischen Behörden versuchen inzwischen, mit hohen Strafen die Balkonkletterer abzuschrecken. Wer in Magaluf erwischt wird, kann mit 600 bis 1.500 Euro Geldbuße belegt werden. Zudem droht der Hotelverweis. Manche Hoteliers haben inzwischen die Geländer erhöht, um Stürze zu vermeiden. Andere gingen dazu über, feierfreudige Cliquen junger Männer vorzugsweise im Erdgeschoss einzuquartieren.

„Ich hätte tot sein können“, berichtet Jake Evans. Dieser Brite kippte bereits vor einigen Jahren vom Balkon. Er fiel sieben Stockwerke tief. Sein Sturz wurde von einer Sonnenliege gebremst. „Das rettete wahrscheinlich mein Leben.“ Trotzdem erlitt er einen Schädelbruch. In einem Video des britischen Außenministeriums bekennt er: „Der Unfall veränderte mein Leben.“ Und Jake warnt seine Altersgenossen: „Seid vorsichtig.“

Neckel
22. August 2018 - 16.48

Richtig. Der Staat soll die Menschen schützen. Aber wo steht, dass er sie auch vor ihrer eigenen Dummheit schützen muss ?

Mars
22. August 2018 - 14.34

@roger Wohlfahrt.Es sind sehr wohl OPFER.:Opfer von hirlosem Suff .

Cornichon
22. August 2018 - 13.06

Schade dass heutzutage die Allgemeinheit bestraft wird wegen einer Hand voll Idioten. Jeder muss die Konsequenzen tragen, aber nur wenige sind schuld. Dieser Trend wird von der Allgemeinheit als Betrug angesehen.

roger wohlfart
20. August 2018 - 15.56

Das sind keine Opfer, die im Suff, aus purer Dummheit und Übermut solche Risiken eingehen und dabei in den Tod stürzen. Opfer nenne ich Menschen, die ohne ihr Zutun, unschuldig zu Tode kommen oder gewaltsam umgebracht werden.