Streifzug durch eine bewegte Geschichte: Die „Fouer“ von 1340 bis zur Gegenwart

Streifzug durch eine bewegte Geschichte: Die „Fouer“ von 1340 bis zur Gegenwart

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Ab Donnerstag ist es wieder so weit. Vom 23. August bis zum 11. September werden Tausende Besucher auf das Glacis-Feld strömen, um dort Außergewöhnliches zu erleben. Insgesamt zwei Millionen Besucher werden erwartet. Die Schobermesse ist längst ein Stück gelebter Luxemburger Tradition. Diesmal kündigt sich die „Fouer“ als historisch an: Künftig fährt die Trambahn die Kirmesbegeisterten zu ihrem Festplatz.

Von Steve Kayser

Zur Person

Steve Kayser, 46, ist Historiker und Geschichtslehrer am hauptstädtischen Athenäum. Von Kindesbeinen an befasste er sich mit der Geschichte der „Fouer“ und der Schaustellerei, die seit jeher eine große Faszination auf ihn ausüben. Kayser ist Mitglied des Arbeitskreises Kulturerbe bei der Europäischen Schaustellerunion (ESU) und hat sich weit über die Grenzen unseres Landes hinaus mit seinen Arbeiten zu den Themen Kirmeswesen und Schaustellerei einen Namen gemacht.

Alles begann am 20. Oktober 1340, als Johann, König von Böhmen, Graf von Luxemburg, im Volksmund „Jang de Blannen“ genannt, per Urkunde einen achttägigen Jahrmarkt gründete. Am 23. August 1341 mittags, einen Tag vor dem Sankt-Bartholomäus-Fest, ging es los. Insgesamt acht Tage lang, bis zum 31. August mittags. Typisch für das Mittelalter war die Anbindung von Messen und Märkten an religiöse Eckdaten.

Der erste Austragungsort befand sich in der Nähe eines Klosters auf dem Heilig-Geist-Plateau, außerhalb der Festungsmauern. Man nannte den Markt anfangs „Scadeburch“. Im Laufe der Jahrhunderte wurde aus der „Scadeburch-Messe“ bedingt durch die semantische Entwicklung zunächst die „Schadeberg-Messe“, dann die „Schadber-Messe“ und schlussendlich die „Schueber-Messe“ oder auch noch die „Schueber-Fouer“. Dabei verweist „Fouer“ auf das französische Wort „Foire“.

Wichtige Handelsmesse

Stadtvater König Johann blieb vom wirtschaftlichen Potenzial des Standortes überzeugt. Luxemburg lag ja quasi an der Kreuzung der wichtigsten Handelsrouten des 14. Jahrhunderts, allen voran der „Lampartischen Straße“. Von Italien herkommend führte diese nach Norden, insbesondere nach Flandern.

Der gewählte Termin reihte sich dann auch ideal in den Kalender anderer Großmessen ein. Dazu kam, dass chronologisch auch dem lokalen und regionalen landwirtschaftlichen Zyklus Rechnung getragen wurde: nach der Ernte, vor der Weinlese sowie zum Auftakt der Herbst- und Wintermonate.

Der luxemburgische Jahrmarkt entwickelte sich rasch zu einer wichtigen Handelsmesse. Dabei kam es hier zu einem regen Austausch zwischen lokalen, regionalen und überregionalen Händlern. Aufgrund der geografischen Lage der Grafschaft und später des Herzogtums Luxemburg gab es ebenfalls einen Bezug zum Fernhandel, auch wenn bis dato die Anwesenheit von Fernhändlern auf der „Scadeburch-Messe“ nicht belegt werden konnte.

Tuch aus Luxemburg wurde zu einem gefragten Qualitätsprodukt. Dies erklärte denn auch einerseits die Bedeutung des Schafes in den überlieferten Festritualen und andererseits die Tatsache, dass der „Fohrmeister“ bis zum Ende des 18. Jahrhunderts aus der hiesigen Wollweberzunft bestimmt wurde.

Erster Umzug im Jahr 1610

Die Stadt gedieh und sorgte sich stets darum, die ortsansässigen Handwerker und Händler in das Messegeschehen einzubinden. Der ursprüngliche Austragungsort begünstigte dies durch seine unmittelbare Nähe zum Handwerkerviertel und den Marktplätzen der Stadt. Das kommerzielle Treiben griff mehr und mehr auf die Marktplätze im Stadtkern über. Ende des 16. Jahrhunderts und im Laufe des 17. Jahrhunderts etablierte sich auch noch ein Viehmarkt, der sogenannte „Bartelméismaart“, der stets am 24. August stattfand.
Bald aber wuchs die Stadt. Für die Schueberfouer wurde es zu eng auf dem Heilig-Geist-Plateau. So zog sie ein erstes Mal um: Seit 1610 fand sie auf den Feldern des noch unbebauten Limpertsbergs vor den Festungsmauern statt.

Im 17. und im 18. Jahrhundert verlor der Jahrmarkt an Bedeutung. Darüber hinaus entwickelte sich mit dem aufblühenden Städtewesen auch ein stadteigenes Geschäftsleben. Jetzt wurden Produkte, die es ehemals nur auf den Jahrmärkten gab, verstärkt in stationären Verkaufsräumen feilgeboten. Die Handelsaktivität der Schueberfouer ging zurück, während die Belustigung und Unterhaltung, heute würde man sagen der „Fun-Faktor“, definitiv zunahmen, um schlussendlich im Laufe des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung überhandzunehmen.

Foto 1: 1939 – Die „Gaufre“ gehört zur Schobermesse wie das Amen in der Kirche; Foto 2: Das Eingangsportal der 1985er Auflage; Foto 3: 1939 – US-Importe brachten auch neue Trends nach Luxemburg; Foto 4: Schafe zum Anfassen am Kirmessonntag 1945; Foto 5: Starke Leistung – John und Johny Grün im Jahr 1897; Foto 6: Aufnahme aus dem Jahr 1929 mit der Achterbahn im Hintergrund; Foto 7: Der „Hämmelsmarsch“ 1963

 

Neuer Standort: das Glacis-Feld

Mitte des 19. Jahrhunderts war es um die Zukunft der Veranstaltung schlecht bestellt. Bedingt durch Missernten und Hungersnöte war der Alltag in dem noch recht jungen, beim Wiener Kongress 1815 gegründeten Großherzogtum Luxemburg sehr schwierig.

Ab 1849 legte die Schobermesse aber wieder zu. Mit dem Schleifen der Festung nach der Neutralisierung Luxemburgs im Jahr 1867 begann zudem ein neues Kapitel der Landes- und Stadtgeschichte.
Aus der Festungsstadt wurde eine offene Stadt. Da nun auch der Limpertsberg bautechnisch erschlossen wurde und sich das Organisieren der Fouer auf den nicht immer abgeernteten Feldern als problematisch erwies, zog der Jahrmarkt Anfang der 1890er-Jahre nach langem Hin und Her diesseits der allée Scheffer, auf das Glacis-Feld, um. Benötigt wurde in erster Linie das Hauptfeld. Der obere Platz, der sogenannte „Päerdsmaart“, und der „Schoofsmaart“ weiter unten standen den Viehhändlern zur Verfügung. Der am 24. August stattfindende „Bartelméismaart“ bestand im Übrigen noch bis Mitte der 1970er-Jahre.

Anno 1900 war die Fouer zum Ort des ambulatorischen Vergnügens geworden. Von Muskelkraft über Dampfmaschine bis hin zum Elektroantrieb, das Event spiegelte die Aufbruchstimmung des auslaufenden 19. und des angehenden 20. Jahrhunderts wider. Die Gaststätten und Tanzlokale der Scheffer-Allee trugen zur Festtagsstimmung bei.

Nervenkitzel auf der ersten Holzachterbahn

Nun tauchten auch der Backfisch und allerlei frittierte Spezialitäten auf. Getanzt und gefeiert wurde auf dem Glacis-Feld auch schon damals in einem der mobilen Tanzlokale. Da gab es auch Moritatensänger wie die Seckbachs, die mit ihren schauerlichen Geschichten von einem Leierkasten begleitet um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlten. Es war die Zeit der sogenannten Kuriositäten- und Wachsfigurenkabinette, der Panoramen, der anatomischen Museen und Abnormitätenshows. Die Zeit der Schaubuden hatte begonnen.
Dann etwas später entführte der Kinematograph oder Bioscop die Besucher in zum Teil fremde Welten. Die schallenden Stimmen der Schausteller und die Klänge der prächtigen Konzertorgeln, die an den Kirmesattraktionen angebracht waren, zogen das Publikum in den Bann.

Im Jahr 1910 stand dann zum ersten Mal eine richtige Holzachterbahn aus dem Hause Hugo Haase in Luxemburg auf dem Festplatz. Das goldene Zeitalter der Schaustellerei, das Zeitalter der „industriels forains“, war nun auch hierzulande angebrochen. Die Fouer war zum echten Volksfest und zu einem wichtigen Aspekt des aufblühenden Luxemburger Kulturwesens geworden.

Der Erste Weltkrieg hinterließ derweil einen tiefen Einschnitt in der Geschichte der Schobermesse. Diese fiel aus, auch wenn die Gaststätten sich die „Fouerzäit“ nicht nehmen ließen. Man stellte fest, wie sehr die Luxemburger an ihrem Fest hingen. Übrigens fiel auch der Termin der Kirmes in der Stadt Luxemburg in die Schobermessezeit. Das neue Regelwerk von 1905 legte den „Fouer-Ufank“ auf den 24. August fest. „Bis zum auf den zweiten Kirmessonntag folgenden Montag einschließlich“ sollte die Veranstaltung dauern. Die „Stater Kiermes“ sollte am Sonntag nach dem Gedenktag der Enthauptung Johannes’ des Täufers am 29. August stattfinden.

Nach dem Ersten Weltkrieg verbreitete sich auch in den luxemburgischen Dörfern die hauptstädtische Tradition, am jeweiligen Kirmessonntag den „Hämmelsmarsch“ erklingen zu lassen. Seine Ursprünge sind eng mit der Schueberfouer verknüpft. Das Ritual der weltlichen Prozession durch die Gassen Luxemburgs bis hin zum Festplatz, angeführt von einem Schäfer, einer Schafsherde und Musikern, geht auf die Sankt-Sebastian-Bruderschaft zurück, einen 1402 gegründeten städtischen Schützenverein, der jedes Jahr einen Schießwettbewerb auf der Fouer organisierte.
Zwischen Nostalgie und Moderne

In den 20ern gastierten vor allem französische Schausteller auf der Schueberfouer. Überliefert sind Namen wie Caron, Tewe, Lapp, Remilly oder Dieudonné. Von so manchen stehen heute noch Nachfahren auf dem Glacisfeld. Im Jahr 1927 zählte man etwa 50 Luxemburger, 48 Franzosen, 24 Belgier und vier Deutsche. In Sachen Rundfahrgeschäften waren fast alle Varianten der Berg- und Talbahnen vertreten.

Seit 1929 organisierte der hauptstädtische Geschäftverband einen Sommerschlussverkauf, die Braderie, am „Fouerméindeg“. In den 30ern kamen dann die Ende des letzten Jahrzehnts aus den USA importierten Autoskooter auch nach Luxemburg. Einige Rundfahrgeschäfte wie die Raketenfahrt zum Mond sorgten ebenfalls für Nervenkitzel.
Wegen Beginns des Zweiten Weltkrieges wurde die Schobermesse 1939 abgebrochen. 1940 fiel sie durch den deutschen Überfall am 10. Mai aus. 1941 bis 1943 wurde sie indes ausgetragen. Die Nazi-Besatzer versuchten das Fest aufrechtzuhalten mit dem Hintergedanken, die Schueberfouer als völkisch-germanische Tradition umzudeuten. Dies sollte aber nicht gelingen. Als am 30. August 1942 am „Fouersonndeg“ die Zwangsrekrutierung der jungen Luxemburger in die deutsche Wehrmacht eingeführt wurde, kam es in einem der Bierzelte zu Krawallen.

Auch 1944 konnte die Fouer mit der Befreiung der Alliierten im September nicht stattfinden. Dies änderte sich jedoch 1945, wenngleich das Angebot bis Anfang der 1950er-Jahre eher bescheiden ausfiel. Es waren meist die gleichen Geschäfte wie seit Jahrzehnten. Insgesamt trug das Fest betont patriotische Züge.

In den 50ern und 60ern vollzog die Karussellindustrie eine ihrer größten Entwicklungen. Die Perfektionierung von Mechanik und Pneumatik führten zu neuen Möglichkeiten: Neue Fahrgeschäfttypen eroberten das Glacisfeld. Nun kam die Zeit der „Fliigeren“ genannt. Schallplattenmusik dröhnte aus Lautsprechern und an Mikrofonen riefen die Schausteller die Gäste zum Mitmachen auf.

Neben dem Traditionshaus Joslet wurden die ersten großen Restaurants, die auch heute noch auf dem Glacisfeld vorzufinden sind, eröffnet: Flesch, Kugener und viele andere. Aber auch Confiserien wie Coné oder die Waffelbäckereien wie Renommée des gaufres blieben erhalten. Neue kamen hinzu. Noch gab es Box- und Schaubuden, sogenannte „Entresorts“. In den Abendstunden fanden auch Striptease-Shows statt.

45 Meter hohes Riesenrad sorgt für Sensation
Neu war in den 1950ern auch eine Kindertagesstätte für Schaustellerkinder. Einheimische Künstler wurden mit der Gestaltung der Eingangsportale – eines Hauptportals am oberen Ende des Hauptfeldes und eines Nebeneingangs – beauftragt. Auch Plakatwettbewerbe wurden regelmäßig ausgeschrieben. 1972 brachte der Schausteller Kallenkoot ein neues, 45 Meter hohes Riesenrad mit 36 drehbaren Gondeln nach Luxemburg. Das war damals eine echte Sensation.

Mit der Modernisierung der Infrastruktur auf dem Glacis-Feld kam es Mitte der 70er-Jahre zu einer allgemeinen Aufwertung der Veranstaltung. Von nun an fanden immer größere, höhere und schnelle Anlagen den Weg nach Luxemburg. Ein Trend, der bis heute anhält. Die Schueberfouer erlebte ihr zweite „goldene Ära“ der modernen Schaustellerei Mitte der 80er bis Ende der 90er.
Die Schueberfouer ist im Laufe der Jahre zu einer luxemburgischen Tradition mit europäischem Flair geworden, die sich stets an den jeweiligen Zeitgeist anzupassen wusste. Dabei trotzte sie so manchen Beeinträchtigungen. Ende der 80er-Jahre war das mit den Bauarbeiten um den Kreisverkehr „Rond-point Schuman“ der Fall. Hier wurde viel Platz eingebüßt.

In den 90ern wurde sämtliche Infrastruktur den neuesten Sicherheitsbestimmungen angepasst. 2003 fiel der obere Platz zum großen Teil den Baumaßnahmen für das unterirdische Parkhaus am Neuen Theater zum Opfer. Und nun stellte die Tramtrasse entlang der Scheffer-Allee die Organisatoren vor neue Herausforderungen.

In diesem Jahr wird ein weiteres Kapitel in der Fouer-Geschichte geschrieben. Wir greifen auf eine Tradition der Luxemburger in Sachen Mobilität zurück: die Tram. Und mit ihr besuchen wir nun eine unserer älteste Traditionen: die Schueberfouer!