Stillende Mütter in Luxemburg zwischen Sorgen und Problemen: „Das will doch keiner sehen“

Stillende Mütter in Luxemburg zwischen Sorgen und Problemen: „Das will doch keiner sehen“

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Stéphanie* ist gerade zum ersten Mal Mutter geworden. Sie stillt ihr Kind, obwohl sie sich eigentlich sicher war, dass sie das nie tun würde. Ihr Umfeld hat nicht immer positiv darauf reagiert.

* Name wurde von der Redaktion geändert

„Ich arbeite auf einer Entbindungsstation und habe mir eigentlich immer geschworen, mein Kind nie zu stillen. Ich fand das irgendwie befremdlich. Aber als ich dann schwanger wurde, war es plötzlich selbstverständlich“, erzählt Stéphanie.

Nach der Entbindung klappte allerdings nicht gleich alles so, wie es sollte. Ihr Kind trank zwar an der Brust, nahm aber immer mehr an Körpergewicht ab. Von der Hebamme wurde Stéphanie falsch beraten: „Sie sagte mir, ich habe nicht genug Milch und ich müsse meinem Kind zusätzlich Pudermilch geben.“ Das war für die frischgebackene Mutter wie ein Schlag ins Gesicht – und stellte sich als falsch heraus. Mehrere Kinderärzte hatten das eigentliche Problem übersehen, bis ein Logopäde den Knackpunkt fand: Das Kind hat ein verkürztes Zungenbändchen und kann dadurch nicht richtig saugen.

„Danach haben mir die Stillberaterin Ute Rock und die ‚Initiativ Liewensufank‘ das Stillen wieder ermöglicht“, sagt Stéphanie, die dachte, sie könne, nachdem sie das Stillen bereits kurzzeitig aufgehört hatte, nicht wieder damit anfangen.

Selbstbewusstsein und Diskretion

Ihr Umfeld hat nicht immer positiv darauf reagiert, dass Stéphanie ihr Kind stillt, schon gar nicht in der Öffentlichkeit: „Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, bis ich mich das getraut habe.“ Ihr wurde mehrmals gesagt: „Das will doch keiner sehen!“ Das verunsicherte die Mutter zu Beginn. „Im Nachhinein ist mir klargeworden, dass das oft Mütter gesagt haben, bei denen es mit dem Stillen nicht geklappt hat.“

Heute, auch dank der Hilfe der Stillberaterin, stillt Stéphanie selbstbewusst in der Öffentlichkeit. „Wenn man das etwas diskret macht, sich praktisch anzieht und ein Tuch überlegt, stört das meinen Erfahrungen nach niemanden.“ Ihr falle nur auf, dass die meisten wegschauen, wenn sie sehen, was Stéphanie da macht.


„Wer stillen will, soll es tun können“

Ute Rock ist Stillberaterin. Nein, das war kein Tippfehler: eine Still- und keine Stilberaterin. Obwohl die Beratung zur praktischen Kleidung während der Stillzeit auch unter die Aufgaben ihrer Berufsgruppe fällt. Dazu gehört allerdings auch eine beachtliche Portion Leidenschaft, Verständnis und Erfahrung.

Still- und Laktationsberaterin lautet die genaue Berufsbezeichnung von Ute Rock. Wer sich noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt hat, würde die Aufgabe der Stillberatung wohl automatisch einer Hebamme zuschreiben. „Jein“, sagt Ute Rock, „eine Stillberaterin wird meist dann kontaktiert, wenn beim Stillen Probleme auftreten. Ich besuche die Mutter dann bei ihr zu Hause, schaue mir eine Stillmahlzeit an und versuche, mit ihr gemeinsam Lösungen zu finden. Danach begleite ich sie so lange, bis sie alleine mit der Situation zurechtkommt.“

Hebammen lernen in ihrer Ausbildung auch alles über das richtige Stillen, ihnen fehlt aber meist die nötige Zeit, sich mit Problemfällen auseinanderzusetzen. Ute Rock arbeitet deshalb mit einer Reihe von Hebammen eng zusammen: „Sie rufen mich an, sobald sie bemerken, dass eine Frau eine intensivere Betreuung braucht. Ich stehe im engen Austausch mit der Geburtshelferin. Das ergänzt sich super und wird auch von den Müttern sehr positiv gesehen.“

Ausbildung zur Stillberaterin

Häufige Anfangsprobleme sind wunde Brustwarzen, Schmerzen beim Stillen, aber auch das Gefühl der Mutter, nicht genügend Milch zu haben. Ein Gefühl, das in den meisten Fällen nicht bestätigt wird. „Nur zwei Prozent der Frauen weltweit können wirklich nicht stillen. Bei allen anderen klappt es mit der richtigen Beratung.“ Hier kommt die Stillberaterin ins Spiel: „Ich sage immer, wer stillen will, soll es auch tun können.“ Das zu ermöglichen, ist Ute Rocks Motivation.

Dass sie diesen ungewöhnlichen Job einmal ausüben würde, war so nicht geplant. Den Großteil ihrer Karriere arbeitete die heute 52-Jährige als Staatsbeamtin. 1994, bevor das erste ihrer drei Kinder geboren wird, setzt sie sich zum ersten Mal mit dem Thema Stillen auseinander. „Für mich war es komplett selbstverständlich, mein Kind zu stillen. Ich habe von meiner eigenen Mutter immer übermittelt bekommen, dass das etwas Gutes und auch Wichtiges ist.“

Als sich Ute Rock vor 24 Jahren erstmals über das Stillen informiert, kommt sie in Kontakt mit „La Leche League Luxemburg“. Hier schließt sie dann, zwei Jahre später, nach der Geburt ihres zweiten Kindes, eine Ausbildung zur Stillberaterin ab, um danach mehrere Jahre neben ihrem regulären Job als ehrenamtliche Stillberaterin zu arbeiten. „Das hat mir irgendwann nicht mehr gereicht“, erinnert sie sich zurück. Sie wollte mehr: „Ich bin immer wieder auf Fälle gestoßen, in denen ich mir gewünscht hätte, mehr Zeit mit den Frauen zu verbringen, um besser helfen zu können. Ich habe damals schon eine große Leidenschaft für den Job entwickelt.“

Stillen und Emanzipation

Als sie erfährt, dass es eine professionelle Ausbildung zur Stillberaterin gibt, ergreift Ute Rock die Chance. Zwar ist diese eigentlich Hebammen, Krankenschwestern und Ärzten vorbehalten. Da sie allerdings schon ein paar Jahre Erfahrung hat, kann auch sie daran teilnehmen und schließt mit einem internationalen Examen ab. „2005 habe ich auch bei „Initiativ Liewensufank“ als Freelance-Stillberaterin angefangen. Seit 2010 hat sie dort einen festen Arbeitsvertrag.

Sowohl die gesundheitlichen als auch psychischen Vorteile für Mutter und Kind machen das Stillen, Ute Rock zufolge, so wertvoll. Mit den über 200 erforschten Bestandteilen, die in der Muttermilch enthalten sind, kann selbst die beste Pudermilch nicht mithalten. Hier sind höchstens 70 Nährstoffe enthalten. „Muttermilch schützt Säuglinge vor Krankheiten und auch die Mutter profitiert davon: Frauen, die stillen, erkranken weniger häufig an Brustkrebs.“

Hormone, die während des Stillens freigesetzt werden, fördern die Mutter-Kind-Bindung und bewirken sogar, dass eine Mutter gelassener mit ihrem Baby umgeht. „Dazu kommt der finanzielle und umweltfreundliche Aspekt“, fügt Ute Rock hinzu, „Stillen spart eine Menge Geld im Gegensatz zur Pudermilch und Abfall entsteht dabei auch keiner.“

All die Vorteile wusste bereits Ute Rocks Mutter zu schätzen – und das in den 60er-Jahren, in denen Stillen alles andere als selbstverständlich war: „Ich denke, das hat damit zu tun, dass in den 40ern die Pudermilch entwickelt wurde. Den Frauen wurde gezeigt, dass diese Art, ihr Kind zu ernähren, fortschrittlich und modern ist“, glaubt Ute Rock. „Frauen fühlten sich dadurch unabhängig. Das hatte wohl auch mit der Emanzipation zu tun.“ Ende der 70er-Jahre erlebte das Stillen hier in Luxemburg dann ein Comeback und gewann im Laufe der 80er immer mehr an Popularität.

Leider ist das Natürlichste der Welt bis heute nicht immer gerne gesehen, wie uns eine stillende Mutter erzählt hat …

Nomi
22. Oktober 2018 - 12.32

""Das Natürlichste der Welt – und dann stören sich manche daran!"" Wie beklemmt sind @Martine und @Kinderlose. Hoffe das trift nicht fuer di ganze luxemburger Bevoelkerung zu !

J.C. KEMP
21. Oktober 2018 - 18.09

Luxemburg gehört, wenn man sich die Beiträge von @Martine und @Kinderlose ansieht, zu den verklemmten Nationen. Wo haben siese beiden Damen (?) ein Problem?

CESHA
21. Oktober 2018 - 13.26

Das Natürlichste der Welt - und dann stören sich manche daran! Die allgegenwärtigen Sex-Symbole hingegen bemängelt kaum jemand.

Kinderlose
20. Oktober 2018 - 19.39

Es können sehr woh auch Frauen und Männer mit dramatischen unerfülltem Kinderwunsch sich gezwungenermassen das demonstrative Stillen von Bio-Müttern ansehen müssen (!) im öffentlichen Raum, das ist eine visuelle Vergewaltigung. Desweiteren kann dieses Bild andere Kinder, pubertäre Jungs... z.b. mit Migrationshintergrund, sehr perturbieren, wenn sie noch nie eine nackte Frau gesehen haben. Die Sexualerziehung der Kinder obliegt den Eltern, nicht Still-Emanzen, die unschuldige Mitbürger in ihrem Umfeld stören. Vielleicht sollte man ihre nackte Brüste mitten im Restaurant... auf facebook posten, um den Geltungsdrang der Stillmamas mit "likes" zu unterstützen.

Martine
20. Oktober 2018 - 19.02

ech sinn eng jonk modern fra, an ech well dat och net gesinn mattsen an engem lieu public, t'broscht auspaken..., un peu de décence svp