Stille Revolution im Tante-Emma-Laden: Auf eine Tasse Tee mit CAPE-Direktor Carl Adalsteinsson

Stille Revolution im Tante-Emma-Laden:  Auf eine Tasse Tee mit CAPE-Direktor Carl Adalsteinsson

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Das CAPE („Centre des arts pluriels Ettelbruck“) ist nicht nur den Kinderschuhen entwachsen, sondern seit vergangenem Jahr sogar volljährig. Mit Carl Adalsteinsson hat es nun mittlerweile seinen dritten Begleiter an der Seite, den man weder als Helikopter-Vater noch als Freund des Laisser-faire bezeichnen kann. Ein Gespräch mit einem wichtigen Weggefährten, der einem Sprössling aus dem Norden Luxemburgs dabei hilft, erwachsen zu werden.

„Es soll ein offenes Haus sein, in dem sich Menschen begegnen können.“ So beschreibt der CAPE-Direktor Carl Adalsteinsson seine Wunschvorstellung von der Institution, die er seit knapp vier Jahren leitet. Eigentlich ein 08/15-Satz, der im Repertoire eines jeden (Kultur-)Hausherrn vorhanden sein sollte, der sich nicht auf Anhieb den Vorwurf machen lassen möchte, er regiere eine elitistische Hochburg.

Aber für hohle Sonntagsreden ist der gelernte Kulturmanager zu pragmatisch und vorsichtig, wenn er sich zu bestimmten Belangen äußert. So wie Adalsteinsson sein kulturelles und kulturpolitisches Umfeld, das er mit großer Aufmerksamkeit tagtäglich beobachtet, nicht ohne die nötige Strenge beim Wort nimmt, so wendet er dies auch bei sich selbst an. Stets darauf bedacht, dass seine Aussagen nicht nur leere Worthülsen sind, sondern Taten folgen.

Als Adalsteinssons Reise gen Norden 2014 begann, wirkten die Startbedingungen nur auf den ersten Blick schlecht, da quasi mit seiner Ankunft die Kündigung der Konventionen durch die ehemalige Kulturministerin Maggy Nagel eingeläutet wurde. Der damals frisch gebackene CAPE-Direktor sah dies aber eigenen Aussagen nach als Chance, um sich gemeinsam als Institution die schlichte und doch essenzielle Frage zu stellen, „was man macht und ob das eigene Handeln pertinent ist“, so Adalsteinsson. „Dass auch ein ‚Conseil d’administration‘ sich mit der Gretchenfrage sowie dem Sein und Werden auseinandersetzte, war eine sehr gesunde Übung.“

Mit einer gewissen Gesetztheit und weit davon entfernt, ins Schwadronieren zu geraten, kommt er auf das Thema Begegnungsstätte zurück: „Auf das Zusammentreffen an sich hat man wenig bis gar keinen Einfluss. Aber man kann etwas auf die Bühne bringen, das unterschiedliche Menschen anzieht und ihnen einen Raum zur Verfügung stellen, in dem die Begegnung möglich wird.“ Welchen Pass einzelne Personen im Publikum haben, ist für Carl Adalsteinsson in erster Linie natürlich irrelevant, jedoch gewinnt diese Information insofern an Bedeutung, als dass er ein inklusives Programm anbieten möchte, das im multikulturellen Ettelbrück nicht nur eine bestimmte Bevölkerungsgruppe anspricht.

Keine Macht dem Stammtischgespräch

Laut dem „Bureau de la population de la Ville d’Ettelbruck“ lebten am 31. Dezember 2017 allein in Ettelbrück 7.379 Einwohner. In der gesamten Gemeinde (also zusammen mit Grentzingen und Warken) liegt der Ausländeranteil bei rund 48%, welcher sich wiederum auf mehr als 80 verschiedene Nationalitäten verteilt. Sowohl die portugiesische als auch die kapverdische Community stellen hierbei einen nicht unwesentlichen Teil dar.
Letztere war laut Adalsteinsson bei der Eröffnungsveranstaltung „CaboCubaJazz“, welche den passenden Untertitel „where creole cultures meet“ trug, zahlreich vertreten und konnte gemeinsam mit unter anderem dem luxemburgischen Publikum tanzen, bis die Beine schmerzten.

Wenn auch längst nicht alle Anwesenden jedes gesungene Wort verstanden, so war doch die Musik als gemeinsame Sprache ein probates Mittel, um zusammenzurücken. Dementsprechend stehen auch in den nächsten Monaten noch viele weitere Musikveranstaltungen unterschiedlicher Couleur (zum Beispiel David Ianni mit „My urban piano“, das Ensemble „belgian brass“ oder das luxemburgische Jazz-Trio „Dock in absolute„) auf dem Programm im CAPE.


Aber wie viel Luxemburg braucht es denn eigentlich noch – gerade in Zeiten verstärkter populistischer, patriotischer, ja gar nationalistischer Diskurse im Großherzogtum –, um beispielsweise den großen Saal (450 Plätze) zu füllen? Für Adalsteinsson steht fest, dass man es sich nicht verbieten solle, „luxemburgische Elemente“ in die Programmgestaltung mit einfließen zu lassen. Es gehe ja darum, eine „breite Kulturlandschaft abzubilden“.
Jedoch komme es hierbei darauf an, wie man Akzente setze, fügt der Direktor des CAPE hinzu.

Demnach wird in der neuen Saison vermehrt auf politisches Kabarett (bspw. die „Makadammen“ und die „Revue“) oder auch auf sozialkritische Autoren wie Jemp Schuster und Jay Schiltz gesetzt statt auf Künstler, die Stereotypen mehr zementieren als sie zu hinterfragen. In diesem Kontext erweist sich die Tatsache als durchaus spannend, dass gerade die Kulturhäuser des Nordens, also neben dem CAPE auch das Cube 521 sowie das „Mierscher Kulturhaus“, einem nachweislich frauen-, homosexuellen- und fremdenfeindlichen „Hoppen Théid“ keine Bühne bieten.

Während politische Themen auf der Bühne ihre Berechtigung hätten, hält Adalsteinsson es indes für unangebracht, sich als Kulturinstitution selbst politisch zu äußern und zu agieren: „Ich finde nicht, dass es einem regionalen Kulturhaus zusteht, Politik nach außen zu machen. Parteipolitisch gesehen muss das Haus definitiv neutral sein. Jedes Haus eigentlich.“

Carl Adalsteinsson, der weder ein Parteibuch hat noch ein Engagement in einer Partei verfolgt, zieht es vor, die Kunst für sich sprechen zu lassen: „Die Kultur hat den Auftrag das, was die Gesellschaft anbelangt, auf die Bühne zu bringen und zu verarbeiten, also mit künstlerischen Mitteln darauf aufmerksam zu machen.“ Dies passiert in der neuen Saison unter anderem mit Theaterstücken wie „Sales gosses„, in dem es beispielsweise um Mobbing in der Schule geht, oder auch durch sogenannte „Ciné-Konferenzen„, in denen fremde, teils wenig bekannte Länder beleuchtet und von Filmemachern besprochen werden.

Die politische Komponente einer kulturellen Institution kommt laut Adalsteinsson nicht auf der Ebene des Programmes zum Vorschein, sondern vielmehr durch das Verwurzeltsein innerhalb eines großen Kollektivs: „Ein Kulturhaus ist immer auch Teil einer Gesellschaft und nimmt somit an der Gestaltung dieser teil. Ergo handelt es sich dann irgendwie doch wieder gewissermaßen um eine politische Arbeit, an dem ein Haus, nicht allein, aber auch, mitbeteiligt ist.“

Mitbeteiligt ist Adalsteinsson, der an den „assises culturels“ teilgenommen und den K.E.P intensiv studiert hat, definitiv gerne und intensiv an kulturpolitischen Diskussionen. Aber auch hier sei es dann mehr der gesunde Menschenverstand, an dem sich orientiert werden solle als an parteipolitischen Standpunkten.

Futter für die Seele

„Ich bin vom Typ her nicht der Revoluzzer. Wenn, dann eher die stille Variante davon, bei der die Veränderungen langsam, aber dafür stetig kommen“, beschreibt der junge Direktor sich selbst. Demzufolge verwundert es nicht, dass er bei seinem Antritt – statt die „Nordstad“ mit einem revolutionären Programm-Heer zu überrennen – erst einmal bedachte Schritte vollzog, um herauszufinden, mit wem er eigentlich die Ehre hat.

„Damals habe ich gespürt, dass das Haus national ein sehr gutes Standing hatte, aber lokal nicht so Thema war. Daher wollte ich wieder einen Anker setzen, um auf dem eigenen ‚Terrain‘ anzukommen“, heißt es. Nun, nach vier Jahren, lässt sich die Einbindung lokaler kultureller Akteure gleich an mehreren Stellen im Programm herauslesen (z.B.: „Ettelbrécker Guiden“ und „Philharmonie grand-ducale et municipale d’Ettelbruck„).

Im Laufe des Gesprächs merkt Carl Adalsteinsson irgendwann an, dass im Kulturentwicklungsplan interessanterweise nach wie vor nicht festgehalten sei, was ein regionales Kulturzentrum eigentlich genau ist. Er selbst sieht das CAPE, mit seiner Nähe zum Stadtzentrum, als „kulturellen Nahversorger“. Auf die Frage hin, mit welcher Nahrung er denn in diesem Kontext gedenke, die Einwohner zu versorgen, kommt eine weitere Metapher mit ins Spiel: Man könne das „Centre des arts pluriels“ auch als „gut assortierte ‚Epicere'“, also eine Art Tante-Emma-Laden, „mit wichtigen Artikeln zu fairen Preisen“ sehen, findet der „directeur artistique“.

Wirft man einen Blick zurück ins Programm, so stellt man schnell fest, dass hierbei nicht nur den unterschiedlichen Kunstarten zahlreiche Nährstoffe zugesprochen werden, sondern das CAPE seinem Bildungsauftrag auch nachkommt, indem es dem sogenannten „jeune public“ spielerisch Kultur vermittelt (siehe: „sac à dos – un voyage chorégraphique“ oder auch „Dëppchen, Dëppchen„). Gleiches gilt für Erwachsene, welche sich bestimmte Veranstaltungen sogar als „formation continue“ anrechnen lassen können. Im Zusammenarbeit mit der Universität Luxemburg wird nämlich ein Konferenzenzyklus zur luxemburgischen Kulturgeschichte angeboten, bei dem es unter anderem um Literatur, Sprachen und Theater gehen wird.

Wenn auch Carl Adalsteinsson sich über eine gewisse überregionale Strahlkraft freut, so scheint es ihm vor allem wichtig, ein gewisses Sicherheitsgefühl vor Ort entstehen zu lassen: „Was ich den Menschen auf jeden Fall mitgeben möchte, ist, dass sie uns vertrauen und hier neue Dinge entdecken können. Sie dürfen den Mut haben, sich überraschen zu lassen.“