Sowjets, Terroristen und Tornados: Das „Haut-Commissariat à la protection nationale“ koordiniert in Krisensituationen

Sowjets, Terroristen und Tornados: Das „Haut-Commissariat à la protection nationale“ koordiniert in Krisensituationen

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Vor 60 Jahren wurde das „Haut-Commissariat à la protection nationale“ (HCPN) auf Wunsch der NATO gegründet. Mit dem Ende des Kalten Krieges verlor das Gremium seine Berechtigung. Nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001 wurde es reaktiviert. Seit 2016 ist das HCPN eine staatliche Verwaltung und wird heute vor allem im Rahmen von Naturkatastrophen wie den Überschwemmungen im Ernztal und dem Tornado im Südwesten Luxemburgs aktiv. Eine weitere Mission ist die Abwehr von Cyberattacken. Luc Feller, seit zweieinhalb Jahren „Haut-Commissaire à la protection nationale“, erklärt, wie seine Verwaltung dabei vorgeht.

Das Büro von Luc Feller liegt in einem vierstöckigen Bürogebäudes in der hauptstädtischen route d’Esch. Der graue Betonblock ist mit Kameras gesichert und bewacht. Dort, wo bis 2015 noch der Studentendienst Cedies untergebracht war, hat mittlerweile die „Division affaires générales“ des Etat-Major der Luxemburger Armee ihre Zelte aufgeschlagen. Auch der Geheimdienst SREL hat in dem Gebäude seine (vermeintliche) Adresse.

Seit Ende 2016 ist Luc Feller „Haut commissaire à la protection nationale“. Anders als sein LSAP-naher Vorgänger Fränk Reimen ist der 45-jährige Jurist Mitglied der CSV. Davor war Feller unter Premierminister Jean-Claude Juncker stellvertretender Generalsekretär des Regierungsrates im Staatsministerium, wo er Verbindungen zu den nationalen Sicherheitsbehörden unterhielt.

SREL-Affäre

Im Mai 2013 fiel sein Name im Rahmen der sogenannten SREL-Affäre. Radio 100,7 hatte berichtet, dass Feller zusätzlich zu seinem Beamtengehalt noch 200 Euro monatlich für die Klärung juristischer Fragen beim Geheimdienst erhalte. Nach dem Regierungswechsel 2013 wurde Luc Feller unter Premierminister Xavier Bettel im „Département des Cultes“ des Staatsministeriums kaltgestellt. Im Oktober 2016 wurde bekannt, dass er die Leitung des „Haut-Commissariat à la protection nationale“ übernehmen werde. Von 2011 bis 2017 gehörte Luc Feller dem Mamer Schöffenrat unter Bürgermeister Gilles Roth an. Nach seiner Ernennung zum Hohen Kommissar legte er das Schöffenamt ab, blieb aber im Gemeinderat.

Nach Fränk Reimen ist Feller erst der zweite „Haut commissaire à la protection nationale“, der keine militärische Laufbahn absolviert hat. Alle anderen waren hohe Offiziere der Armee.

Der Kalte Krieg

Auf Wunsch der NATO wurde das „Commissariat à la coordination de la protection nationale“ am 31. Dezember 1959 per großherzogliche Verordnung vor dem Hintergrund des Kalten Krieges gegründet. Seine Aufgabe war es, im Falle eines Bombenangriffs durch die Sowjetstaaten die Notversorgung der Zivilbevölkerung zu gewährleisten und militärische Operationen zu begleiten. Es unterstand dem von Premierminister Pierre Werner (CSV) präsidierten „Comité ministériel de la protection nationale“. 1963 wurden die Zuständigkeiten des Gremiums per großherzogliches Reglement klar definiert und es wurde in „Haut-Commissariat à la protection nationale“ (HCPN) umbenannt.

Die befürchteten Angriffe der Sowjetunion und ihrer Verbündeten blieben aus. Das HCPN war vor allem mit auf Katastrophenszenarien beruhenden strategischen Planungsarbeiten beschäftigt. Eine seiner wichtigsten Aufgaben waren der Schutz und die Instandhaltung der NATO-Pipeline, die die Treibstoff-Versorgung in Mitteleuropa garantieren soll.

Terroranschläge des 11. September 2001

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs war die Bedrohung der Sicherheit des nordatlantischen Gebiets erst einmal vom Tisch und die NATO musste ihr strategisches Militärkonzept ändern. Damit verlor das HCPN seine Berechtigung, 1993 wurde es bis auf Weiteres eingestellt.

Durch die Terroranschläge des 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten änderte sich die internationale Sicherheitslage abrupt. Im internationalen Terrorismus fanden die NATO-Bündnispartner wieder ein gemeinsames Feindbild. Doch die Art der Bedrohung hatte sich geändert. Sie sei komplexer und vielschichtiger geworden, meint Luc Feller.

HCPN wird zur staatlichen Verwaltung

Vor dem Hintergrund des Kampfs gegen den Terrorismus beschloss die damalige CSV-DP-Regierung unter Staatsminister Jean-Claude Juncker 2001 das HCPN und das „Comité permanent de sécurité“ (CPS), das 1975 zum Kampf gegen den Linksterrorismus gegründet worden war, zu reaktivieren. 2003 wurde das CPS dann in das HCPN integriert. Die Aufgabe des Hohen Kommissariats bestand fortan sowohl im Kampf gegen den Terrorismus als auch in der Ausarbeitung eines allgemeinen nationalen Sicherheitskonzepts gegen sämtliche Bedrohungen in allen Sektoren.

Seit 2005 erfüllt das HCPN vor allem eine Koordinierungsrolle in Krisensituationen. 2016 bekam das Gremium erstmals eine gesetzliche Basis und wurde zur staatlichen Verwaltung. Für unterschiedliche Arten von Risiken erstellt das HCPN präventiv, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden, spezifische Noteinsatzpläne. Kommt es zum Ausbruch einer Krise oder Katastrophe, koordiniert und vermittelt das HCPN zwischen den betroffenen Ministerien, Ämtern und Verwaltungen, um schnellstmöglich Lösungen zu finden.

Naturkatastrophen

In den vergangenen Jahren war es vor allem bei Naturkatastrophen wie den Überschwemmungen im Ernztal im Juni 2016 und nach dem Tornado vor zwei Monaten in den Gemeinden Petingen und Käerjeng aktiv. Ende 2015 wurde das HCPN von der Regierung im Rahmen der „Flüchtlingskrise“ damit beauftragt, Unterkünfte für die Geflüchteten zu suchen.

„In der Praxis hat sich herausgestellt, dass es zwar gut ist, einen Einsatzplan zu haben, doch wenn der Moment gekommen ist, sieht die Realität anders aus“, sagt Luc Feller. Deshalb müssten die Pläne in Krisensituationen regelmäßig angepasst werden. Trotzdem seien solche Einsatzpläne nützlich, damit die Rolleneinteilung der einzelnen Akteure von Anfang an geregelt sei. Krisenpläne existieren für sehr unterschiedliche Szenarien: Nuklearkatastrophen, Unwetter, Terrorismusangriffe, große Strompannen, Erdölknappheit, Trinkwasserverschmutzung, Cyberattacken und sogar Seeräuberei.

Nationale Krisen

Aktiv wird das HCPN bei nationalen Krisen. Den Ausschlag gibt das Ausmaß des Ereignisses. Die Bedingungen für eine nationale Krise sind erfüllt, wenn die vitalen Interessen eines großen Teils der Bevölkerung betroffen sind, schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen und eine staatliche Verwaltung die Krise nicht alleine bewältigen kann.

Im Falle des Tornados im August habe das CGDIS („Corps grand-ducal d’incendie et de secours“) gleich Verstärkung von der Armee und ausländischen Spezialkräften angefordert. Daraufhin habe der Staatsminister in Absprache mit dem HCPN eine „Cellule de crise“ einberufen, die nicht nur die wichtigen Entscheidungen getroffen, sondern auch die Kommunikation mit den Medien und der Öffentlichkeit übernommen habe, damit in der Bevölkerung keine Panik entstehe, erläutert Luc Feller.

Sieben bis acht Verwaltungen seien an dieser Krisenzelle beteiligt gewesen, die sich bislang im „Centre de gestion des opérations“ (CGO) der Rettungsdienstzentrale trifft. Dort laufen alle Bilder und Informationen zusammen. So können die Politiker und Vertreter der Verwaltungen sich selbst ein Bild von der Lage machen. Das HCPN baut aber zurzeit auf dem Gelände des Senninger Schlosses ein modernes Krisenzentrum, das im Dezember 2020 eröffnen und alle Abteilungen des Hohen Kommissariats unter einem Dach vereinen soll. Zurzeit sind die 38 Mitarbeiter noch auf drei Standorte verteilt.

Kritische Einrichtungen

Seine NATO-Vergangenheit hat das HCPN noch nicht ganz abgelegt. Aus dieser Zeit stammt die Aufgabe, die kritischen Infrastrukturen des Landes zu beschützen. Mittlerweile werde diese Aufgabe in einem europäischen Rechtsrahmen durchgeführt, sagt Luc Feller. Im Falle eines Krieges würden kritische Infrastrukturen, die unentbehrlich für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben eines Staates sind, zuerst angegriffen. Diese Einrichtungen müssten daher besonders geschützt werden.

Ein Beispiel für eine kritische Infrastruktur ist die Trinkwasseraufbereitunganlage am Stausee von Esch/Sauer. Jede dieser Einrichtungen müsse eine ausführliche Risikoanalyse erstellen und Maßnahmen ausarbeiten, die im Falle einer Krise angewandt werden können. Welche Institute als kritische Infrastrukturen ausgewiesen sind, ist geheim. Betroffen sind unter anderem Einrichtungen aus den Sektoren Energieversorgung, Digitalisierung oder Finanzen.

Cyberangriffe

Die Angriffe auf kritische Infrastrukturen kommen heute immer häufiger über das Internet. Die Digitalisierung sei in den vergangenen Jahren zu einer der größten Herausforderungen für die nationale Sicherheit geworden, sagt Luc Feller. Deshalb wurde 2018 entschieden, die „Agence nationale de la sécurité des systèmes d’information“ (Anssi) und das „Computer emergency response team“ der Regierung (Govcert) in das HCPN zu integrieren.

„Inzwischen nimmt die Cybersicherheit die Hälfte meiner Arbeitszeit in Anspruch. Und das steigt exponentiell“, erzählt Luc Feller. Die Schwierigkeit im digitalen Sicherheitsbereich bestehe darin, die Krisenpläne wegen der rasanten technologischen Entwicklung konstant anzupassen. Die Bedrohungen, auf die die Behörden reagieren müssen, würden komplexer und vielschichtiger.

Künstliche Intelligenz

Im Bereich der Cyberkriminalität habe man es immer häufiger mit sogenannten „Advanced persistent threats“ (APT) zu tun. Ausgeführt würden sie von zum Teil staatsnahen Gruppen, die sowohl personell als auch finanziell über extrem hohe Ressourcen verfügen und die Cyberwelt nutzen, um sehr viel Geld zu verdienen. Staatliche Institutionen seien, bis auf die DDoS-Attacke („Distributed Denial of Service“) im Februar 2017, bislang größtenteils verschont blieben, auch weil in diesem Bereich viel Präventionsarbeit geleistet worden sei. Attacken auf Privatunternehmen würden aus Imagegründen meist unter Verschluss gehalten.

Künstliche Intelligenz (KI) stelle noch keine Bedrohung dar, doch das könne sich künftig ändern, meint Luc Feller: „Bei der KI kommt es darauf an, wer am Ende die Nase vorn hat. Ich sage es mal ganz plakativ. Wenn es die Guten sind, ist alles in Ordnung. Doch wenn es die Bösen sind, haben wir ein echtes Problem.“

Jemp
20. Oktober 2019 - 4.50

Kenne ich. Eine von denenSchnarchbehörden, wo es sich gut leben lässt!