Menschen wie wir (17)Seit 60 Jahren Schalke-Fan: Nico Wealer aus Esch/Alzette

Menschen wie wir (17) / Seit 60 Jahren Schalke-Fan: Nico Wealer aus Esch/Alzette
In seiner Agenda notiert Nico Wealer sich alles, außer den Spielen des Schalke 04, dem Verein, dem er seit 60 Jahren die Treue hält. Foto: Editpress/Claude Lenert

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Obwohl erst 1982 vom Dorf zugezogen, gehört Nico Wealer heute zum Escher Inventar. Das dürfte vor allem an seinem Engagement im Vereinsleben liegen, besonders im sozialen Bereich. Auch die vielen Berufe, denen er nachgegangen ist, zeugen von Lust auf Abwechslung. Geheiratet hat er zweimal. Einzig Schalke 04 hält er seit 60 Jahren die Treue. Am Samstag wird Nico 68.

Ende November. Draußen ist es feucht und kalt. Ungemütlich. Nico sitzt bei einem Tee in der urigen Stube der Brasserie „Montpellier“ in Lallingen. Hier in seiner Stammkneipe kennt er jeden und jeder kennt ihn. Das liegt sicherlich auch an seinem ehrenamtlichen Engagement in gefühlt hundert Vereinen.

Dass das Vereinsleben wichtig ist, wenn man dazugehören möchte, lernt er vor Jahren in Reuland. Als Hinzugezogener hat er Kontaktschwierigkeiten. Aber im Dorf gibt es drei Vereine. Einen Kirchenchor, einen Tischtennisverein und die freiwillige Feuerwehr. Er wird Mitglied in allen dreien. So kommt es, dass er am Sonntagmorgen die Messe singt, anschließend mit den Jungs von der Feuerwehr zum Apéro zieht und nachmittags an einem Tischtennisturnier teilnimmt. „So wurde ich einer von ihnen!“, sagt Nico.

Vom Dorf in die Stadt

Als er 1982 nach Esch/Lallingen kommt, denkt er, dass die Leute aus dem Süden Eigenbrötler und wenig gesprächig sind. Doch das Gegenteil ist der Fall. Er fühlt sich auf Anhieb wohl in seiner neuen Heimat, und das bis heute, was erklären dürfte, dass er seither nicht mehr umgezogen ist.

Die Liebe zum Vereinsleben ist geblieben. Nico blickt in sein Notizbuch: Die Elternvereinigung des „Lycée Hubert Clément“, der Supporterklub der Fola, der Interessenverein Lallingen, die US Esch, der Kegelclub Hummel – die Liste der Vereine und Vereinigungen, in denen er aktiv war oder noch ist, lässt sich sehen. Zudem ist er Mitglied der DP und auch in der Escher Sektion aktiv. Er ist Präsident in der Hygienekommission der Gemeinde. „Zurzeit besuchen wir alle Escher Grundschulen und überprüfen Sauberkeit und Sicherheit“, berichtet er. „Bislang scheint alles in Ordnung zu sein.“ Kegeln tut er auch noch. Mit den Senioren aus dem „Mosaïque Club“, einmal im Monat: „Da zeige ich den anderen, wie es geht!“, sagt er keck.

Sein soziales Engagement liegt ihm ganz besonders am Herzen. Das hat er sich fest vorgenommen, als er 2009 in Pension ging, nämlich dazu beizutragen, „dass Menschen ein Stück weit ein normales Leben führen können”, betont er. Zum Beispiel bei den „Amis du foyer de nuit Abrisud“. Er ist Präsident der Asbl, organisiert verschiedene Events wie Grillabende, Ausflüge oder – wie könnte es anders sein – Kegelabende. „Wenn wir Spenden bekommen, dann können wir mehr mit den Leuten unternehmen, ihnen eine Freude machen, damit sie etwas anderes erleben als sonst in ihrem Alltag“, sagt Nico.

Weihnachtsfeier mit Hilfsbedürftigen

Er ist außerdem Mitglied der „Stëmm vun der Strooss“, wo die Leute, die im „Abrisud“ schlafen, zu Mittag essen können. „Es ist schon ein besonderer Moment, wenn zur Feier an Weihnachten mehrere Hundert Menschen zusammenkommen.“

Nico, der seit 60 Jahren treuer Schalke-Fan ist, hat noch ein anderes Hobby, nämlich Tanzen: „Nach wie vor gerne, die Musik ist immer noch in den Knien, aber heute machen Rücken und Knie nicht mehr immer mit“, sagt er. Das liegt auch an seinem Beruf als Ankuppler, den er viele Jahre lang bei der CFL ausgeübt hat.

Vom Schreiner zur Bahn

Mit 15 will er Schreiner werden. Doch die Lehre im Betrieb Closener muss er abbrechen. „Der Vater hatte eine kleine Rente, da musste ich mir eine Arbeit suchen.“ So kommt er zur Zigarettenfabrik Lorillard (Heintz van Landewyck) in Ettelbrück. Drei Jahre arbeitet er dort, packt Zigaretten ein. „Eine Stange Zigaretten gab es pro Woche gratis“, erinnert sich Nico, damals noch Raucher. Der Verdienst stimmt. Und es gibt keine Schichten.

Trotzdem verlässt er die Firma, weil er mehr verdienen möchte, und wechselt zur Commercial Hydraulik in Diekirch. Aber auch dort hält es ihn nicht lange und er tauscht die Maschinenpumpen gegen Backwaren. Für die Bäckerei Fischer macht er Hauslieferungen. Bis anfangs 1976 bleibt er dort. „50.000 Franken (rund 1.240 Euro) netto plus Trinkgeld habe ich dank vieler Überstunden verdient.“

Nebenberuf auf der „Fouer“

Nach einer weiteren Etappe bei Goodyear wechselt er schließlich zur Eisenbahn. Er verdient dort wohl nur 23.000 Franken brutto, damals als Vater von zwei Kindern, doch der Job sei sicherer gewesen, so Nico heute. Er repariert Schienen im CFL-Werk in Dommeldingen. 1977 wechselt er schließlich als Ankuppler nach Rodange, wo er bis 1987 bleibt, und dann bis 1997 im gleichen Job nach Esch. Von 1997 bis zur Pension 2009 ist er Zugschaffner, zwischendurch aber auch noch im Stellwerk in Petingen und als „Chef surveillant“ in Rodange, Petingen und Esch.

Eine Zeit lang arbeitet er nebenberuflich als Kellner. Auf der „Schueberfouer“ zum Beispiel oder in der „Reilander Millen“. Gerne erzählt er die Anekdote, wie er einmal einen sehr schlechten Tag hatte und dem Bräutigam die Suppe über den Anzug gegossen hat. Später sei dann auch noch die Pastete ins Dekolleté der Braut gefallen. „Aber das hat mich alles nicht davon abgebracht weiter, als Kellner auszuhelfen.“

Von Wiltz nach Esch

Geboren wird Nico vor fast genau 68 Jahren, am 7.12.1951, in Wiltz in der damaligen „Maternité“. Die Mutter ist während eines Ausflugs in Metz zur Welt gekommen. Sie lebt noch und schreitet rüstig auf die 92 zu. Sie ruft öfters bei Nico an. Der Vater stammt aus Düdelingen, er war im KZ. 1969 ist er gestorben. Nico ist 17. Seine Schulzeit verbringt er in Préizerdaul und in Redingen.

1972 heiratet er zum ersten Mal und bekommt zwei Kinder. Eine Tochter und einen Sohn. 1979 wird die Ehe geschieden. 1982 lernt er seine heutige Frau in Luxemburg-Stadt im Tanzlokal „Pôle Nord“ kennen. Sie bringt zwei Töchter mit in die Ehe. 1987 kommt die gemeinsame Tochter auf die Welt. Ab da versucht Nico öfters zu Hause zu sein. Das macht er auch heute gerne und wird dabei von den acht Enkelkindern auf Trab gehalten.

Schalke gegen Leverkusen zum Geburtstag

Da seine Frau Doris auch gerne der Familie mit Rat und Tat zur Seite steht, halten sich Reisen ins Ausland in Grenzen. „Höchstens zehn Tage nach Südfrankreich, dann zieht es uns nach Hause zurück“, so Nico. Hier geht er gerne spazieren, in Lallingen über den Fahrradweg, oder ins Fitnessstudio, um in Form zu bleiben, sagt er schmunzelnd.

Gegen gutes Essen und ein gutes Glas hat Nico auch nichts einzuwenden – wenn er nicht gerade auf Diät ist und Tee trinkt. Übrigens, an seinem Geburtstag muss Schalke in Leverkusen antreten. Es ist schwer zu sagen, worauf er sich mehr freut.