Schwimmerin Julie Meynen fährt nicht zur EM

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Julie Meynen zählt in Luxemburg zu den Ausnahmeschwimmern. In den schnellen Disziplinen ist sie konkurrenzlos. International schaffte sie ebenfalls den Durchbruch, war mit 18 bei den Olympischen Spielen in Rio mit dabei. An diesem Wochenende vertrat sie die Farben des SCD Ettelbrück bei den Landesmeisterschaften auf Kirchberg. Auch wenn sie noch ein Stück weit weg von ihren Bestzeiten ist, holte sie wie selbstverständlich die drei Titel bei ihren drei Einsätzen.

Von Marc Biwer

Nach den brasilianischen Spielen fing ihr neues Leben mit dem Universitätsstudium an. Auch hier lag der Akzent auf dem Sport, im August 2016 zog die 20-Jährige in die USA. An der Universität in Auburn nahm sie das Studium der Trainingswissenschaft auf. Also auch Sport. Im Mittelpunkt stand natürlich Schwimmen. In ihrem ersten Jahr in Alabama wurde Julie Meynen bei den College-Meisterschaften zum Rookie (Frischling) des Jahres gekürt und war ein wertvolles Mitglied bei den Tigers.

Ihre Abstecher nach Luxemburg sind nur selten, wenn, dann zumeist privater Natur. Auch wenn die letzte Saison nicht ganz wunschgemäß verlief, ist sie mit sich und ihrem Leben im Reinen. Sie teilte offen mit, was ihr in Amerika gefällt, warum sie einen neuen Trainer hat und auch, warum sie nicht zu den Europameisterschaften (3.-10. August) in Glasgow (SCO) fahren wird.

Tageblatt: Wenn man sich in den USA einen Staat aussucht, dann denkt man an Florida, Kalifornien oder New York. Aber Alabama?
Julie Meynen: New York hat beispielsweise nicht die besten Schulen. Wenn man seine Zukunft plant, muss man abwägen. Wo finde ich eine Universität, die gut ist und die gleichzeitig gute Trainingsmöglichkeiten bietet? So kam ich mit dem Trainer der Auburn Tigers in Kontakt und der hat mir seinen Verein schmackhaft gemacht. Am Ende blieb ich dabei, ich habe mich für Auburn entschieden, im Endeffekt die richtige Entscheidung.

Es ist fast zwei Jahre her, dass du deine Zelte in Alabama aufgeschlagen hast. Bist du mittlerweile eine Amerikanerin?
Nein! (lacht) Ich bin immer sehr glücklich, wenn ich nach Hause kommen kann. Natürlich gibt es viele Dinge, die mir an den USA gefallen, aber nicht alles. Europa hat andere Vorzüge, die es in Amerika nicht gibt. Die vermisse ich dann schon.

Und wie sieht es mit dem nachgesagten „easy living“ in Amerika aus?
Der ist mir noch nicht begegnet. Ganz im Gegenteil. Wir müssen ganz schön hart arbeiten. Als Schwimmer und Student ist man vollauf beschäftigt. Die 24 Stunden des Tages sind gut gefüllt. Es ist insgesamt eine Mentalität der Amerikaner, hart zu arbeiten. Sei es im Beruf oder im Sport, man wird immer gefordert. Aber man pusht sich auch gegenseitig zu Leistungen. Mittlerweile bin ich in ein Haus mit ein paar Mitstudenten umgezogen, da kann ich selber kochen. Allein schon von der Ernährung her ist es die bessere Wahl.

Und du zählst ein bisschen zu den Stars im Team?
Das würde ich nicht behaupten. In unserer Mannschaft gibt es keine ganz großen Favoriten. Jedes Jahr steht jeder an der gleichen Startlinie und du gibst alles, was du hast. Wenn die Resultate gut sind, erfährst du etwas mehr Aufmerksamkeit von der Presse, von der Uni und auch von den Trainern. In diesen Momenten wird dir auf die Schulter geklopft. Im August, wenn die Schule wieder anfängt, wird neu gemischt, egal ob du zuvor bei einer Olympiade warst oder nicht. Jedes Mitglied der Mannschaft steht wieder am gleichen Nullpunkt.

Zuvor warst du ein Jahr in England. Was ist der Unterschied zu den USA?
Der Unterschied liegt vor allem darin, dass die Gruppe viel, viel größer ist als in Plymouth. Der andere ist der, dass Auburn eine Universität ist, in England war ich am Lyzeum. Und die Mentalität der Amerikaner ist anders. Sie fördern und pushen dich viel, sie können sehr gut motivieren und reden viel miteinander. Das ist für mich persönlich sehr wichtig. Zudem ist das Leben in Auburn ein Ganzes. Studium und Sport gehen ineinander über. Es reicht nicht, schnell zu schwimmen. Ein Beispiel: Wenn du im Studium einmal nicht gut gearbeitet hast, dann weiß der Trainer es sofort und du darfst nicht mittrainieren, du musst Versäumtes nachholen. Man darf sich nicht hängen lassen. Auf der anderen Seite hat man alle nur erdenklichen Unterstützungen. Als Athlet brauchst du dich nur um Schule und Sport zu kümmern, alles andere wird dir abgenommen.

Aber dennoch musste dein Trainer gehen?
Man könnte es so ausdrücken, es ist aber nur die halbe Wahrheit. An unserer Uni wurde vor ein paar Monaten ein neuer Athletischer Direktor eingestellt. Das kam unserem Trainer entgegen, weil er entschieden hatte, kürzerzutreten. Brett Hawke war seit einer ganzen Reihe von Jahren bei den Tigers beschäftigt. Jetzt wollte er keine großen Mannschaften mehr trainieren, deshalb trennte man sich vom Australier. In der Person von Gary Taylor hat die Uni einen neuen Headcoach gefunden. Er soll sehr gut sein. Kurz vor meiner Heimreise konnte ich mich noch mit ihm austauschen. Es ist sehr motiviert und auch sehr nett. Ihm werden zwei neue Sprinttrainer zur Seite stehen. Ich denke, dass mir das entgegenkommt.

Mit diesem Schlamassel warst du aber praktisch für zwei Monate ohne richtiges Training?
Ja, es herrschte etwas Durcheinander. Nach dem Abgang von Hawke mussten wir alleine trainieren. Da ich zudem nicht die beste Saison hinter mir hatte, war ich mental etwas angeschlagen. Deshalb habe ich vorzeitig die Flucht nach Luxemburg ergriffen. Seit anderthalb Monaten trainiere ich mit Ingolf Bender (Nationaltrainer, d.Red.) und das klappt vorzüglich.

Dennoch wirst du auf einen EM-Einsatz verzichten?
Eine Entscheidung, mit der ich mich schwergetan habe. Im Gegensatz zu den USA zieht sich die internationale Saison, vor allem in Europa, bis in den August. In Auburn wird der Uni-Betrieb hingegen im August wieder aufgenommen, quasi zeitgleich mit der EM. Das bedeutet für mich, dass ich keine Pause machen kann. Vor zwei Jahren nach der Olympiade in Rio war das schon der Fall und auch im letzten Jahr nach der WM. Das ist jetzt eine Reihe von Jahren ohne einzige Unterbrechung und ich fühle mich ausgelaugt. Deshalb kam ich zu dem Entschluss, diese Europameisterschaft auszulassen. Ich passe lieber einmal, um dann in der nächsten Saison wieder schneller schwimmen zu können. Sieht man zudem meine aktuellen Zeiten, hätte ich mir mit einer Teilnahme in Glasgow keinen Gefallen getan. Ich spüre einfach, dass zwei Wochen Pause mir guttun werden.

Insgesamt hast du dich in Luxemburg rar gemacht und sogar zweimal das Euro Meet verpasst.
Ich hatte es zweimal versucht. Aber das zweite Semester beginnt in den USA bereits im Januar. Wegen zwei Uni-Wettkämpfen verpassen wir in der Schule bereits zwei Wochen. Wenn ich dann beim Euro Meet schwimme, kommt eine dritte hinzu. Wegen der Examen, die ebenfalls anstehen, wird ein Abstecher zum Euro Meet schwierig. Man muss in dem Fall seine Prioritäten setzen, zumal meine Trainer in Auburn nicht glücklich über einen Einsatz in Luxemburg wären.

Wie schwer war die Umstellung vom Yards- auf das 50-m-Becken?
Die Distanz im Becken ist nicht ausschlaggebend. Vielmehr der Vergleich, der ist kompliziert. Wenn ich in Amerika schwimme, habe ich keine Ahnung, welche Zeit im 50-m-Becken herausspringen würde. In England wusste ich, ob meine Zeit gut war oder nicht. In Auburn habe ich aber keinen Vergleich, wie viel mir noch zu einer Pflichtzeit fehlt. Nach meiner Ankunft in Luxemburg habe ich jedenfalls gestaunt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so weit von meinen Bestzeiten weg bin.

Um zum Anfang zurückzufinden: Du fühlst dich also wohl in Auburn?
Ich fühle mich sehr wohl in Auburn. Mir hat sich eine Chance geöffnet, die nicht viele Sportler haben.