Schweden beantragt erneut Assanges Auslieferung: Großbritannien muss nun entscheiden

Schweden beantragt erneut Assanges Auslieferung: Großbritannien muss nun entscheiden

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Schwedens Staatsanwaltschaft nimmt die zweimal niedergelegte Voruntersuchung gegen Julian Assange wegen Verdacht auf „weniger grobe Vergewaltigung“ wieder auf. Da auch die USA einen Auslieferungsantrag gestellt haben, muss Großbritannien nun entscheiden.

Von unserem Korrespondenten André Anwar

Schwedens Zickzackkurs im Fall Julian Assange geht in eine neue Runde. Die dortige Staatsanwaltschaft hat am gestrigen Montag bekannt gegeben, dass die 2010 direkt nach einer Vergewaltigungsanzeige von der damaligen Chefanklägerin Eva Finné als haltlos niedergelegte Voruntersuchung wieder aufgenommen wird. Noch 2010 sagte Finné nach einem gewaltigen Mediensturm über Assange als möglichen Vergewaltiger: „Ich vertrete den Standpunkt, dass es keinen Grund gibt, Assange dafür zu verdächtigen, dass er eine Vergewaltigung begangen hat.“

Kurz nach Finnés Beschluss 2010 hatte die nun im Ruhestand befindliche Staatsanwältin Marianne Ny die Voruntersuchung wiedereröffnet und einen internationalen Haftbefehl ausgestellt. 2017 wurde die Voruntersuchung wieder eingestellt. Am Montag wurde sie wieder aufgenommen.

Ursprünglich wurden Assange vier Sexualvergehen an zwei Schwedinnen im Sommer 2010 zur Last gelegt, darunter auch Nötigung. Weil nur der Verdacht auf „weniger grobe Vergewaltigung“ an einer Frau nicht verjährt ist, beschränkt sich die nun wiederaufgenommene Voruntersuchung darauf, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Montag auf Anfrage gegenüber dem Tageblatt.

Zickzackkurs

Schweden wird nun wieder einen Haftbefehl gegen Assange erlassen und einen Auslieferungsantrag stellen. Doch es sei nicht sicher, ob es zu einer Anklageerhebung kommt, betonte Vizeoberstaatsanwältin Eva-Marie Persson am Montag. Rechtsexperten glauben indes nicht, dass die Staatsanwaltschaft den international viel Aufsehen erregenden Fall nun erneut aufgenommen hätte, wenn sie nicht davon ausgehe, dass es auch zur Anklage kommt. Laut der Zeitung DN erwägt Staatsanwältin Persson die Möglichkeit, Assange zunächst über ein Videogespräch im britischen Gefängnis zu verhören. Denn die Zeit drängt. Im August 2020 verjährt der Fall. „Dazu muss Assange aber einwilligen“, sagte sie der Zeitung DN.

Gleichzeitig betonte Persson, dass es nun an den britischen Behörden liege, ob und an wen Assange ausgeliefert wird. Denn auch die USA haben einen Auslieferungsantrag wegen Assanges Enthüllung von US-Kriegsverbrechen 2010 gestellt.

Sollte Assange nach Schweden ausgeliefert werden und tatsächlich angeklagt werden, ist die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung hoch. Dann drohen ihm bis zu vier Jahre Haft. „In Schweden führen neun von zehn Vergewaltigungsfällen, die es zu einer gerichtlichen Anklage schaffen, auch zur Verurteilung“, sagte Assanges derzeitiger Anwalt Per Samuelson vor einigen Jahren, als er noch nicht für Assange arbeitete, im Gespräch mit dem Tageblatt. „Gerichte glauben in den meisten Fällen den Frauen, auch wenn Wort gegen Wort stehe und die Umstände sehr unklar sind“, so der Strafverteidiger damals.

Zur Wiederaufnahme der Voruntersuchung gegen Assange sagte Samuelsson dem Sender SVT allerdings: „Schweden macht sich damit lächerlich.“ Auch der Gerichtsreporter Willem Ericsson der renommierten Jurafachzeitschrift Dagens Juridik hatte eine Wiederaufnahme des Assange-Falls für „unwahrscheinlich“ erachtet. „Dazu müsste sich die Beweislage zum Besseren verändert haben. Das ist nach schon fast neun Jahren vermutlich nicht der Fall“, meint der schwedische Rechtsexperte vor dem Entscheid.

Tatbestand der „weniger groben Vergewaltigung“

Die Schwedin, die Assange wegen Vergewaltigung angezeigt hat, hatte im bereits 2010 geleakten Verhörprotokoll der Polizei zunächst angegeben, dass sie vor allem Angst vor HIV hatte, weil Assange, nach mehrmaligem einvernehmlichen und geschütztem Sex kein Kondom benutzt hatte. Sie sagte dort auch aus, dass sie ihn dennoch weitermachen ließ, weil sie keine Lust hatte, ihn erneut zu ermahnen, ein Kondom zu benutzen. Sie fragte ihn später bezüglich HIV: Assange habe ihr versichert, dass er nicht krank sei. Später witzelten die beiden, laut Aussage der Klägerin darüber. Auf ihre Frage hin, was passiere, wenn sie nun schwanger geworden sei, antwortete Assange, dass Schweden ja ein gutes Land für Kinder sei. Sie forderte ihn scherzend dazu auf, dass er dann ihren Unterhalt zahlen müsse.

Auch sprachen die beiden darüber, dass das Kind Afghanistan heißen würde, in Anspielung auf WikiLeaks-Enthüllungen. Die beiden hatten weiterhin freundschaftlichen Kontakt. Erst später habe sie realisiert, dass sie einer Straftat ausgesetzt wurde, sagt die Frau 2010 aus. Im restriktiven Schweden könnte damit durchaus der Tatbestand der „weniger groben Vergewaltigung“ erfüllt sein. Zwei schwedische Staatsanwältinnen hatten dazu, wie beschrieben, entgegengesetzte Standpunkte.

In London wurde Assange, nach dem kürzlichen Rauswurf aus seinem Asyl in der ecuadorianischen Botschaft von einem britischen Gericht zu 50 Wochen Haft wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen verurteilt.

Entgegengesetzte Standpunkte

Assange war 2012 in London vor der damals gerichtlich beschlossenen Auslieferung nach Schweden in die Botschaft geflohen. Sieben Jahre lebte er dort auf engstem Raum. Laut Assanges eigenen Angaben wollte er nicht freiwillig von dort nach Schweden, weil Stockholm ihm nicht versprechen wollte, ihn nach einem Verhör zu den mutmaßlichen Sexualdelikten in Schweden nicht weiter an die USA auszuliefern, wo Assange damals möglicherweise eine lebenslange Haft wegen Spionage gedroht hätte.

Denn kurz bevor Julian Assange im Sommer 2010 in Schweden von zwei Frauen wegen mehrerer Sexualvergehen beschuldigt wurde, hatte er ernste US-Kriegsverbrechen im Irak über seine Enthüllungsplattform WikiLeaks weltweit bekannt gemacht. Unter anderem hatte er 2010 ein Militärvideo veröffentlicht, in dem US-Soldaten aus einem Helikopter Zivilisten ohne Vorwarnung töten, darunter einen Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters.

Schweden hatte 2017 seinen internationalen Haftbefehl gegen Assange zurückgezogen, weil man ihn nicht aus der Londoner Botschaft Ecuadors nach Schweden zwingen konnte. Nach seiner Festnahme in London habe sich das geändert, begründet die schwedische Staatsanwaltschaft nun die Wiederaufnahme der Voruntersuchung gegen Assange.


Kommentar: Kommt Assange nach Schweden oder in die USA?

Ungeachtet der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung dürften neben Juristen letztlich auch die jeweiligen Regierungen in London, Stockholm und Washington eine gewisse Rolle dabei haben, was mit Assange geschieht. Assange in die USA zu schicken, wäre für London eine unbequeme, aber mögliche Lösung. Sie könnte eine schmerzhafte internationale Protestwelle auslösen. Auch ist unklar, inwieweit Washington überhaupt einen medienintensiven Prozess mit Assange wünscht. Die schillernde Rolle von US-Präsident Donald Trump, dem Assange im Wahlkampf durch Enthüllungen um Hillary Clinton unter die Arme griff, könnte da auch eine Rolle spielen. Zudem sind die US-Kriegsverbrechen heute schon fast völlig vergessen. Ein Prozess würde sie wieder ins Zentrum rücken. Deutlich bequemer wäre es für London, und auch Washington, wenn Assange nach Schweden ausgeliefert wird. Sollte er dort wegen „weniger grober Vergewaltigung“ verurteilt werden, wäre sein bereits durch die Beschuldigungen selbst demontierter Ruf gänzlich dahin.

Een den keng Tomaten op den Aen huet!
14. Mai 2019 - 12.37

Man bemerke: USA wird der verübung von Kriegsverbrechen überführt und klagt den Menschen an der diese Kriegsverbrechen veröffentlicht hat! Die ganze Welt schaut stillschweigend zu und England so wie Schweden sind den USA behilflich in der Abstrafung des Denunzianten! In welcher Welt leben wir dass unsere gewählten Politiker dies schweigend zulassen. Ist es kein Hohn wenn wir einen Milosevic oder Mladic in DenHag verurteilen lassen und andererseits die USA bei ihren Kriegsverbrechen unterstützen? Wir sind wieder in der selben Konstellation wie im zweiten Weltkrieg, wo verschiedene Nationen die Kriegsverbrechen der Nazis nicht anprangerten und sich dagegen stellten! Auch wenn die Opferzahlen und der modus operandi nicht die selben sind, so bleiben Kriegsverbrechen immer noch Kriegsverbrechen und sind in dem Sinne nicht zu tolerieren!