Schauspielerin Elsa Rauchs: „Et kann och Konscht sinn, wann s du guer net eens gëss“

Schauspielerin Elsa Rauchs: „Et kann och Konscht sinn, wann s du guer net eens gëss“

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Wie nur wenige Schauspieler hierzulande hinterfragt die 30-jährige Elsa Rauchs die Bedeutung der eigenen Tätigkeit. Trotz oder gerade wegen ihres Kontakts mit verschiedenen Schauspielschulen und -philosophien bahnt sie sich ihren ganz eigenen Weg über die Bühnen und fragt sich dabei konstant, was das Theater zu einem einzigartigen Medium macht.

Von Luc van den Bossche 

Zweifel sind es, die Elsa Rauchs antreiben. Zweifel an den eigenen Paradigmen, an den eigenen Vorstellungen davon, was Theater ist. Daran, ob und wie Theater relevant bleiben kann. Und daran, ob sie bei allen Zweifeln eigentlich noch eine gute Schauspielerin ist. All diese Infragestellungen haben auch mit ihrer vielfältigen Ausbildung zu tun, meint Elsa Rauchs.

Denn sie hat gleich mehrere Schauspielschulen besucht. Da wäre zuallererst die Pariser „Ecole d’art dramatique Jean Périmony“. „Im ’Lycée‘ war Paris für mich eine Obsession. Und danach war klar: egal was, Hauptsache Paris.“ Die Ausbildung an der privaten Einrichtung war sehr praxisorientiert, mit Kommilitonen gründete sie eine Kompanie, trieb eigene Theaterproduktionen voran. Eigentlich eine gute Zeit, doch rückblickend betrachtet war es nicht das Richtige für sie: „Ich konnte recht schnell in Luxemburg Fuß fassen, aber mir wurde klar, dass ich gar keine Autonomie hatte.“ Und dass das Theater, das sie in Paris erlernt hatte, nicht das war, das sie wirklich interessierte. Ein sehr klassisches Theater, bei dem die Schauspieler quasi als Instrumente der Regie fungieren.

So beschloss die Schauspielerin, sich weiterzubilden. Zuerst in Deutschland. Doch die Vorsprechen führten zu wenig. Schließlich verschlug es sie ans Brüsseler „Conservatoire royal“. Dort kam sie mit dem flämischen Theater in Kontakt. Mit einer Vision der Bühnenkünste, die sie so überzeugte, dass sie beschloss, für ein Erasmusjahr nach Gent zu gehen.

Theoretischer Paradigmenwechsel 

„Es war eine ganz andere Herangehensweise an einfach alles.“ Ein Ansatz, der auf dem Konzept „denkende Maker“ basiert und darauf abzielt, autonome Schauspieler auszubilden, die mehr sind als nur Sprachrohre für die Vision eines Regisseurs, selbst denkende Künstler, die aktiv zur Gestaltung beitragen. „Das Jahr in Gent war hart, denn einerseits war es genau die Art von Theater, die ich machen wollte, andererseits hatte ich zu dem Zeitpunkt schon viel erlebt, sodass es schwieriger war, das Neue in mich aufzunehmen.“

Doch dieser theoretische Paradigmenwechsel ist nicht alles, was Elsa Rauchs aus Belgien mitbrachte. „In Brüssel hatte ich irgendwann das Gefühl, mich in einer Blase zu befinden, und kam auf die Idee, das Theater an unerwartete Orte hinzutragen, diese romantische Vision, von Vorführungen im Wald, auf einem Feld etc.“ Aus dieser Vision wurde dann, in Zusammenarbeit mit dem Kollektiv „Independent Little Lies“ das „Projet Nomade“, im Rahmen dessen sich eine Handvoll Schauspieler in einem Wohnwagen 2014 und 2015 „on the road“ begaben und 2017 in Bonneweg in der Umgebung des Kasemattentheaters niederließen.

Nach ihrer Zeit in Belgien verabschiedete sich die Schauspielerin für eine Weile von der Bühne und ging für ein Jahr auf Reisen, in Richtung Mongolei. Die Tagebücher, die sie während dieser Zeit führte, hat sie unter anderem letztes Jahr für die Ausstellung „L’Odeur du sel“ verarbeitet. Ihre Texte dialogierten hier mit Bildern und Zeichnungen der Künstlerin Anneke Walch. Zum Schreiben meint sie: „Es klappt gut, wenn ich mit einem konkreten Kontext arbeiten kann. Es fällt mir aber schwer, wenn kein direkter Dialog stattfindet.“

Von Zweifel und künstlerischem Dialog

Das Wichtigste an dieser Reise war für Elsa Rauchs jedoch, dass danach „nichts mehr so klar war wie vorher“. „Ich hatte keine Antworten mehr, nur noch Zweifel.“ Umso wichtiger sind für sie die verschiedenen Kollaborationen, die sie vor allem mit anderen Schauspielern betreibt. So hat sie zum Beispiel mit Jérôme Michez, einem engen Freund, an zahlreichen Projekten zusammengearbeitet, die beiden haben viel diskutiert. Dabei steht oft mehr der Austausch, die Erstellung eines „gemeinsamen Vokabulars“ im Vordergrund als ein „Endprodukt“. Es verbindet sie eine ähnliche Herangehensweise ans Theater, sie bilden ein „duo du doute“, wie die Schauspielerin lachend bemerkt. „Wir stimmen in vielem miteinander überein und die Punkte, bei denen das nicht der Fall ist, sind umso wichtiger.“

Genauso bereichernd seien jedoch Kooperationen mit Künstlern, die ganz anders vorgehen. Wie es etwa 2013 und 2018 bei den gemeinsamen Projekten mit ihrer langjährigen Freundin, der Raumkünstlerin Lisa Kohl, der Fall war. „Lisa arbeitet viel instinktiver als ich, was die Zusammenarbeit manchmal schwierig, aber umso spannender macht.“ Nicht zuletzt war die Beteiligung am Stück „Willkommen, Bienvenue, Wëllkomm!“ unter der Regie von Ania Michaelis eine interessante Erfahrung. Zwischen ihr und Michaelis, die sie bis dahin nicht kannte, habe es einfach künstlerisch gefunkt. „Ich hatte vorher noch nie für Kinder gespielt“, meint Elsa Rauchs, „die Regisseurin war sehr offen und hat das Stück sehr auf uns Schauspieler basiert.“

Sowohl die Zusammenarbeit mit Künstlern, mit denen sie vertraut ist, als auch die mit ihr unbekannten sei ausschlaggebend für ihr Schaffen. „Jede neue Arbeit bringt mich auf einen neuen Weg.“ Gleichzeitig hat sie das Gefühl, über die Jahre wählerischer geworden zu sein. „Mit 25 war ich einfach neugierig und habe so ziemlich alles gemacht. Heute stelle ich mir immer mehr die Frage, was ich eigentlich suche.“

Die Suche als Motor der Kunst

Trotzdem bleibe sie dabei, dass es kein Rezept, keine „conditions préalables“ für Kunst gebe, dass man einfach neugierig sein muss. Nur das Spannungsfeld hat sich verlagert. Zwar hat sie keineswegs das Gefühl, sich bewiesen zu haben, dass ihre Karriere „safe“ sei, und doch meint sie, dass „es zu jeden Moment darauf ankommt, wach zu bleiben, nicht in eine Routine zu verfallen“. Ein Gespür dafür zu entwickeln, was einen zum „Vibrieren“ bringt, eine Sensibilität aufrechtzuerhalten für das, was relevant ist. „Wie kann ich mit meiner ’Singularité‘ zum ’greater good‘ beitragen? Was liegt mir persönlich am Herzen und wie kann ich es mit der Welt, mit dem, was im Moment wichtig ist, vereinbaren?“ Und immer wieder das Theater zu hinterfragen, das zu erforschen, was nur in diesem Medium möglich ist.

Einen Schlüssel zur Antwort auf diese Frage sieht Elsa Rauchs in dem, was sie „links“ oder „correspondences“ nennt und nach denen sie in ihrer Arbeit unentwegt sucht. Die Art, wie „Sachen aufeinanderpassen, ohne dass sie dasselbe sind, der Moment, in dem Kunst entsteht, wenn sich das, was man erzählen muss, und die Form, die man findet, um es zu erzählen, perfekt analog zu einander verhalten“. Die Art, wie eine Thematik fassbar werden kann, ohne dass sie je direkte Erwähnung findet. So wie es in dem eigenen Stück, das sie eines Tages zu verwirklichen hofft, der Fall sein wird.

de Schmatt
4. September 2019 - 14.59

Da sind Sie nicht allein. Die einfache Ausdrucksweise scheint es in der Kunst nicht zu geben. Es muss halt gekünstelt sein. Ein entsprechender Kommentar scheint allerdings an dieser Stelle nicht angebracht oder erwünscht. Das wiederum lässt tief blicken. Von wegen Meinungsfreiheit!

Leila
3. September 2019 - 19.55

So geht's mir auch. Seltsame, verwirrende Aussage, doch Künstler sind über Banausen erhaben.

kenschtler?
3. September 2019 - 18.36

help. ech ginn scho mam titel net eens. ergo: ech si kenschtler.