Scham, Schuld und Schande

Scham, Schuld und Schande
Palästinensische Autonomiegebiete, Chan Yunis: Ein palästinensischer Junge geht während eines Protests an der Grenze zu Israel im Süden des Gazastreifens an abgebrannten Reifen vorbei. Foto: DPA

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In Luxemburg leben 600.000 Menschen auf, wie manche meinen, zu engen 2.586 Quadratkilometern. Im Gazastreifen leben fast zwei Millionen Menschen auf 360 km2 – circa der Fläche der Kantone Remich und Luxemburg.

Als die Israelis sich 2005 aus dem seit dem Sechs-Tage-Krieg besetzten Gebiet zurückzogen, errichteten sie nicht nur Zäune und Mauern um den Streifen. Sie schufen noch eine 300 Meter breite Sicherheitszone. Selbstverständlich auf Kosten des ohnehin schon knappen Palästinenser-Gebietes. Damit entstand ein nicht nutzbares 60 km² großes Niemandsland.

Von Robert Goebbels, ehemaliges Regierungsmitglied, frührerer Europaagbeordneter

Die Palästinenser im Gazastreifen leben und leiden unter totaler Gleichgültigkeit durch den Rest der Welt. Sie werden höchstens als „Terroristen“ zur Kenntnis genommen. Hie und da schlägt eine von Extremisten gebastelte Rakete auf israelischem Territorium ein und trifft unschuldige Opfer. Dann ist die Empörung groß.

Die Sympathie der Weltöffentlichkeit gilt meistens dem Staat Israel. Noch immer belastet die Schuld an der verursachten Ausrottung der Juden durch das Hitler-Regime und dessen Handlanger, etwa die Vichy-Republik. Sechs Millionen ermordete Juden sind eine ewige Mahnung gegen Antisemitismus. Der Staat Israel hat durch UNO-Beschluss ein verbrieftes Recht auf friedliche Existenz.

Doch der UNO-Beschluss von 1947 sah die Schaffung eines „jüdischen“ UND eines „arabischen“ Staates vor. Letzteres wird bis heute von Israel verweigert.

Deshalb hat Kritik an der Politik der Regierungen Israels mitnichten etwas mit Antisemitismus zu tun. Selbst wenn israelische Politiker, von Begin über Sharon und jetzt Netanjahu, immer wieder versuchen, jede Kritik als „judenfeindlich“ abzustempeln.
Bei den jüngsten Demonstrationen der Palästinenser an der Grenze mit Israel ging es nicht um Antisemitismus. Die Gaza-Bewohner wollten bloß auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam machen. Richtige Kampfeshandlungen gab es nicht.

Die Demonstranten benutzten Steine als „Waffen“. Sie rannten die befestigte Grenze nicht ein. Dennoch eröffneten israelische Scharfschützen das Feuer. Mindestens 16 Tote und mehrere 100 Verletzte sind unter den Demonstranten zu beklagen.

„Wer hat angefangen?“

Diese Frage stellt sich immer wieder um Gaza und den anderen von Israel kontrollierten palästinensischen Gebieten. Mein Freund Gideon Levy, den ich als junger Journalist in den USA kennenlernte, schreibt für die israelische Zeitung Haaretz. In seinem Buch „The Punishment of Gaza“ gibt er die klare Antwort: „We started it“.

Für Levy hat Israel nach Ende der Besetzung die lokale Bevölkerung in einer Art Freiluftgefängnis eingesperrt: „Gaza is still a prison, and its inhabitants are still doomed to live in poverty and oppression.“
Nachdem 2007 einige 100 aus dem Gazastreifen abgefeuerte Raketen in Israel einschlugen, wobei ein Soldat und drei Zivilisten getötet wurden, ordnete der damalige Premierminister Olmert eine „Strafaktion“ an. Die um die Jahreswende 2007/2008 stattfand.
Dank ihrer totalen Lufthoheit und ihrer Panzer vernichtete die israelische Armee in wenigen Wochen Gazas gesamte Wirtschaftsinfrastruktur. Tsahal radierte nicht nur öffentliche Gebäude wie das Parlament aus. Selbst Schulen, etwa die technische Fakultät der lokalen Universität, wurden zerstört.

Die Israelis hatten 13 Tote zu beklagen. Die Palästinenser 1.400 Tote, 45% davon Frauen und Kinder. Zusätzlich Tausende Verletzte. Man kann Kriegsopfer nicht gegeneinander aufwiegen. Eine von der UNO eingesetzte Untersuchungskommission verurteilte damals die „Unverhältnismäßigkeit“ des israelischen Vorgehens.
Das gilt auch für die im Blut erstickten Proteste vor dem Oster-Wochenende. Die Demonstrationen an der Gaza-Grenze waren hilflos. Ein reiner Akt der Verzweiflung. Wie der Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto gegen die Übermacht der Nazis.
Letzter Satz mag manchen schockieren. Der Staat Israel plant keine „Endlösung“ für die Palästinenser. Doch Netanjahu und Co. tun alles, um die von der UNO verfolgte und von Israel mit den Abkommen von Oslo und Camp David sanktionierte Politik des friedlichen Nebeneinanders der Israelis und der Palästinenser zu sabotieren.

Gaza wurde zu einem Ghetto. Zwei Millionen Menschen haben keine Perspektive. Sie müssen auf vieles verzichten, etwa auf geregelte Stromzufuhr, die vom Gutdünken der Israelis abhängt. Ihr einziger Flughafen ist zerstört. Vom Mittelmeer sind sie durch die israelische Marine abgeschnitten. Die Fischer dürfen nicht über die Drei-Meilen-Zone hinaus. Weil Israel nur wenig Versorgung nach Gaza lässt, wurden Tunnels für Schmuggler gegraben. Diese werden regelmäßig zugebombt. Bis zu 30 Meter tief reichende Stahlplatten, von den USA finanziert, machen Tunnels an der mauerbewehrten Grenze zu Ägypten kaum noch möglich.

Landraub durch Israel

Im West-Jordanland kennen die Palästinenser eine sehr theoretische Selbstverwaltung. Doch durch Israels illegale Siedlungspolitik, verbunden mit immer neuen Mauern, wird ein eigenständiger Palästinenser-Staat unmöglich gemacht. Der palästinensische Teil Jerusalems wurde abgetrennt von Rest-Palästina, wird von Innen her zerlöchert. Israel kontrolliert alle Gewässer und kann den Palästinensern jederzeit das Wasser absperren.
Aus dem ehemaligen David ist ein waffenstrotzender Goliath geworden. Der selbst über Atomwaffen verfügt.

Amerikanische Militärhilfe fließt immer wieder. Die Amerikaner unterhalten gar in Israel eigene Waffenlager, auf welche die Israelis im Kriegsfall Zugriff bekämen.
Dennoch sichert die Arroganz der derzeitigen Macht Israels den Staat nicht für alle Zukunft ab. Die demografische Entwicklung spricht gegen Israel und für die Palästinenser. Vor allem geht der internationale Sukkurs für Israel ständig zurück. In den Vereinten Nationen. In der Unesco, nunmehr von den USA und Israel boykottiert, weil Letztere die Realität Palästina anerkannte.

Selbst manche jüdische Intellektuelle, in Israel und außerhalb, gehen gegen den „Zionismus“ vor. Wie weiland Hannah Arendt, welche „l’ideologie sectaire et le réalisme à courte vue“ der Zionisten verurteilte.

Oder Professor Shlomo Sand von der Universität Tel Aviv: „La politique de colonisation massive menée dans le cadre d’une politique d’apartheid (le gouvernement, bien qu’ayant encouragé le peuplement, n’a pas annexé juridiquement les territoires conquis pour ne pas être obligé d’accorder la citoyenneté à leurs habitants), a contribué à l’implantation dans ces régions d’une ’démocratie des maîtres juifs‘, subventionnée et entretenue par l’Etat“.

Es war der Begründer der Reformation, Martin Luther, welcher manchmal das beschämende Wort „Judensau“ benützte. In vielen Teilen Europas wurden die Juden verfolgt. Pogrome und der Holocaust bleiben unlöschbare Schandflecken der Menschengeschichte. Deshalb muss jede Form von Antisemitismus, von Judenhass bekämpft werden.

Das ist jedoch kein Freibrief für Israel, internationales Recht zu brechen und die Palästinenser mit Waffengewalt zu knechten. Um auf Dauer in Frieden und sicheren Grenzen zu leben, muss Israel anerkennen, dass im Westjordan und in Gaza auch Menschen mit Rechten leben.

roger wohlfart
1. Mai 2018 - 9.38

Der Herr Goebels, Oberlehrer der Nation, hat natürlich-wie kann es anders sein-wie immer recht! Das hatte er aber nicht 1979, mit seinem blasphemischen Artikel am Tage vor den Landeswahlen, mit dem er dazu beitrug, dass seine Partei in die Opposition geschickt wurde.

Konz Eveline
13. April 2018 - 10.53

Den Här Zeyen huet alles gesoot !

Jacques Zeyen
7. April 2018 - 18.42

Herr Goebbels, solange wir Juden,Moslems,Christen,Mormonen,Hindus,Sikhs,etc. sind und nicht einfach nur MENSCHEN auf einem hoffnungslos überbevölkerten Planeten, und solange alle diese " Eliten vor Gott" Soldaten in den heiligen Krieg schicken, werden wir solche Horrorszenarien durchleben müssen. Man weiss inzwischen nicht mehr was länger andauert, die Kriege oder die Friedensverhandlungen. Wir werden es nicht schaffen. Die einzige Entschuldigung für diesen Gott ist,dass es ihn nicht gibt. (Stendhal)