Royales Porzellan, ein goldener Zeh und Grillenkäfige: Die fabelhafte Welt eines Luxemburger Antiquitätenhändlers

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Der luxemburgische Antiquitätenhändler und Kunstexperte Armand Wagner hat über Jahrzehnte eine Sammlung erstellt, die ihresgleichen sucht.

Von Greta Bauer

In Zeiten des Überkonsums und digitalen Shopping-Wahnsinns tut ein Besuch in Armand Wagners Antiquitätenladen gleich doppelt gut. Schätze aus vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten haben hier die Chance auf einen neuen Besitzer, einen Liebhaber schöner Dinge mit Geschichte und von nachhaltigem Wert. An der rue Beaumont gleich neben der Place du Théâtre befindet sich neben dem Laden auch das familiengeführte Café „Vis-à-Vis“ und der Traditions-Feinbäcker Namur. Hier ist Entschleunigung angesagt – genau wie bei Armand Wagner selbst.

Denn jenseits der Türschwelle braucht der Besucher vor allem eins: Zeit. Wie viele Stücke im Geschäft ausgestellt sind, kann man nur schwer schätzen, aber es sind zweifelsohne viele hundert, vermutlich über tausend Teile, die sich auf rund 80 Quadratmetern tummeln. Möbel, Kunstwerke und Statuen gehören zu den größeren, Geschirr, Silberbesteck, Dekoration und Schmuck zu den kleineren Artikeln. Auf die Frage, wie er hier den Überblick behalten könne, meint Armand Wagner mit einem süffisanten Lächeln: „Da halte ich es ganz mit Albert Einstein, der feststellte: ‚Ordnung braucht nur der Dumme, das Genie beherrscht das Chaos.’“ Seine Frau Veronika steht ihm außerdem tatkräftig zur Seite.
Die Anfänge seines Geschäfts liegen über 40 Jahre zurück. Seit 1976 besucht der Luxemburger Flohmärkte in ganz Europa, etwas später kamen Versteigerungen dazu. Im Alter von 22 Jahren eröffnete er seinen ersten Laden an der rue de Longwy, drei Jahre später führte er schon ganze drei Geschäfte.

Mit den Jahren wird der Sohn eines Anstreichermeisters aus Düdelingen zum Experten und weiß genau, wo er wahre Kostbarkeiten findet. „Heute bin ich weniger auf Reisen, die Leute rufen mich an“, sagt der 61-Jährige. Für bedeutsame Nachlässe von Industriellen, Politikern, hier und da ist auch ein Prominenter dabei, kontaktiert man ihn, bietet ihm die Übernahme ausgewählter Erbstücke an oder beauftragt ihn mit Wertschätzungen bzw. dem Verkauf. Wagner hat viele gute Verbindungen, auch zum europäischen Adel. Man trifft sich auf der Jagd, wohnt denselben Dinnerpartys bei, auch wenn er mittlerweile lieber rein privat verreist und die Zeit mit seiner Frau und seinen engen Freunden verbringt.

Edouard Kutter

Nach seiner Lehre zum Schaufensterdekorateur arbeitet Armand Wagner zunächst in Luxemburg in verschiedenen Läden, so wie dem damals florierenden Luxus-Kaufhaus Maison Moderne. Sein Exkurs in die Modebranche und die Mannequins, wie Wagner zugibt, inspirierten ihn dann zur Fotografie. Nachdem seine Aufnahmen für Begeisterung sorgten, heuerte er beim Hof-Fotografen Edouard Kutter jr. an und arbeitete einige Jahre als dessen Assistent. Kutter führte einst die renommierteste Kunstgalerie in Luxemburg. Er weckte auch Wagners Interesse für die Kunst.

Seinen Weg in die Selbstständigkeit begann der Antiquitätenhändler und Kunstexperte ursprünglich als Flohmarkt-Händler, gehörte zur Gründertruppe der Luxemburger Trödelmärkte. Er eignete sich über die Jahrzehnte fundiertes Wissen an, das ihm beim Erwerb und Verkauf zugutekommt.

Seine umfangreiche Kenntnis von Zeit- und Kunstgeschichte sowie Materialien und Herstellungsweisen hat ihn nicht nur zum Lieferanten antiker Schätze am großherzoglichen Hof sowie zum Sachverständigen für Antiquitäten und Kunst am Obersten Gerichtshof werden lassen: Sie überzeugt auch die Kunden. „Langjährige Erfahrung macht den Experten aus, das lernt man nicht auf einer Kunsthochschule“, so der Unternehmer. „Zu meinen Errungenschaften darf ich auch Porzellangeschirr von KPM aus dem Besitz von Kaiser Wilhelm II. zählen und frühe Werke von Robert Brandy aus den 1980er Jahren, die heute – bei gleicher Größe – 30% teurer gehandelt werden als aktuelle Arbeiten.“
Mit einem Willen so stark wie sein Körperbau (er ist fast zwei Meter groß) entwickelte Wagner sein Geschäftsmodell zum Erfolg. „Du musst selbst ein Sammlertyp sein, um so ein Business zu betreiben. Ich kaufe wenig ein, das ich nicht selbst auch gerne behalten würde. Und manche Dinge erstehe ich, weil ich sie selbst einmal tragen möchte, so wie vor vielen Jahren einen Hermelinmantel des Märchenkönigs Ludwig II. aus Bayern“, sagt Wagner. Leider passte der Mantel nicht.

Armand Wagner hätte gerne in früheren Zeiten gelebt, natürlich entsprechend wohlhabend. Heutzutage profitiert er zumindest vom Reichtum der Bourgeoisie und des Adels. Der Handel mit Kunst und antiken Gegenständen sichert sein Einkommen. Zu seinen größten Schätzen, die er selbst behalten hat, gehören ein Gehstock von Victor Hugo, Stühle aus der Villa von Charlie Chaplin in Vevey und eine Brillensammlung von Bertold Brecht. Ein besonderes Stück, das er sein Eigen nennt und das er „für kein Geld der Welt weggeben“ würde, ist die Referenzuhr, die der mittlerweile verstorbene höfische Uhrmacher in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts genutzt hatte, um die Uhren auf Schloss Colmar-Berg zu stellen.

Viele Raritäten

Extravagant bis skurril sind Kuriositäten wie ein Meteorit, der mit einem goldenen Hirschgeweih versehen wurde, oder Grillenkäfige aus dem 18. Jahrhundert. Diese dienten feinen Leuten dazu, mittels des Zirpens der gefangenen Grillen ein mediterranes Ambiente zu schaffen. Eine aus heutiger Sicht – nicht nur wegen der Tierschützer – undenkbare Sitte.
Aus seiner Sammlung ist der Öffentlichkeit zum Beispiel der Zeh der „Gëlle Fra“, der beim Abriss der Statue im Zweiten Weltkrieg abbrach und im hiesigen Kulturministerium anlässlich der Ausstellung des „Kuriositätenkabinetts“ im März 2016 zu sehen war, bestens bekannt. Wagner ließ den Zeh in limitierter und nummerierter Auflage von 50 Stück in Bronze reproduzieren. Was man mit so einem Zeh Sinnvolles anstellen kann? Wer es mit dem Luxemburger Cosy Fischer hält, der das Original einst im Jahr 1940 als protestierender Student einsteckte, der benutzt ihn einfach als ausgefallenen Briefbeschwerer. Das Original hütet aber Armand Wagner. Er stellt jedoch in Aussicht, dass der Zeh anlässlich eines Jubiläums sicher einmal den Weg ins Museum finden werde.

Michi
23. Mai 2020 - 16.46

Gudde Metteg, Ech wollt mol just wessen op een bestätegen kann, dass et just eng Zéiw vun der Gelle Fra gett dei am Privatbesetz ass. Hun des lescht eng Rumeur heieren wei wann eng aaner Famill och am Besetz vun enger Zéiw vun der Gelle Fra wier. Villmols Merci