Rotes Gold – Wie die Bluttransfusion die Medizin revolutionierte und bis heute Leben rettet

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Genau 200 Jahre ist es her, dass die weltweit erste Bluttransfusion von Mensch zu Mensch durchgeführt wurde. Der britische Geburtshelfer James Blundell wagte den Eingriff am 1. September 1818. Darüber, wie genau diese Transfusion abgelaufen ist und wer sie bekommen hat, gibt es mehrere Versionen. Auch ob die Bluttransfusion erfolgreich war, ist umstritten: Mehrere Quellen berichten, dass der Patient nur 56 Stunden nach dem Eingriff gestorben ist. So oder so: Blundell hat den Weg zur heutigen Bluttransfusion geebnet, die Medizin revolutioniert und Millionen Menschenleben gerettet.


Dr. Sonja Hoffmann ist Anästhesistin im „Centre hospitalier Emile Mayrisch“. In ihrem Tätigkeitsbereich hat sie tagtäglich mit Blutkonserven zu tun. Sie ist es nämlich, die diese für ihre Patienten vor einer OP beim Roten Kreuz bestellen muss. Dr. Hoffmann stand uns rund um das Thema Bluttransfusion Rede und Antwort.

Tageblatt: Was passiert mit dem Blut, nachdem es gespendet wurde?

Dr. Sonja Hoffmann: Wer zum Roten Kreuz geht, um Blut zu spenden, dem wird erst einmal Vollblut abgenommen. Das Blut ist genau in dem Zustand, in dem es auch durch den Körper fließt. Das sogenannte Vollblut wird dann zentrifugiert und so in drei Bestandteile zersetzt: die roten Blutkörperchen, das Plasma und die Blutplättchen.
Eine Blutspende ist eine wertvolle menschliche Organspende, im gleichen Sinne wie eine Herz- oder Nierenspende, mit dem einzigen Unterschied, dass Blut sich wieder neu bildet. Dadurch, dass das Blut getrennt wird, kann ein Spender drei Menschen helfen.

Wann ist es notwendig, eine Bluttransfusion durchzuführen?

Zu allererst braucht man natürlich dann eine Bluttransfusion, wenn man blutet. Da gibt es aber Unterschiede. Wer beispielsweise wenig blutet, braucht nur ein Konzentrat von roten Blutkörperchen. Das ist wichtig, weil diese den Sauerstoff im Körper transportieren. Passiert allerdings ein schlimmer Unfall, bei dem der Patient sehr viel blutet, braucht er Vollblut. Ihm werden also drei verschiedene Konserven verabreicht. Verliert der Patient nämlich zu viele Blutplättchen und Plasma, schließt sich die Wunde nicht von selbst, sodass die Blutung nur schwer zu stoppen ist. Die Blutplättchen legen sich nämlich auf die beschädigten Zellen, während das Plasma sie dort festklebt und die Wunde schließt.

Für welche Fälle wird am meisten Blut gebraucht?

Der Hauptverbrauch des Blutes liegt bei Operationen in der Herzchirurgie und nach einer Chemotherapie, was den sogennanten programmierten Blutverbrauch anbelangt. Bei akuten Blutungen, zum Beispiel bei Schwerverletzten durch Unfälle, ist es nicht selten, dass ein einziger Patient bis zu 70 Blutkonserven in 24-48 Stunden benötigt.


Zahlen zur Croix Rouge

110 Blutspenden werden am Tag in Luxemburg gebraucht

13.758 Spender waren Anfang 2018 eintragen

24.143 Blutspenden wurden 2017 entnommen

3-5 Blutkonserven bekommt ein Patient im Durchschnitt


Vor der Entdeckung der Blutgruppen sind Menschen häufig nach Bluttransfusionen gestorben. Worauf muss heute noch aufgepasst werden?

Jeder Mensch ist verschieden und für niemanden gibt es besseres Blut als das eigene. Bekannt sind die Blutgruppen A, B, 0 und AB sowie der sogenannte Rhesusfaktor, der die jeweiligen Blutgruppen in zwei Kategorien unterteilt: Rhesus-positiv oder -negativ. Dann gibt es aber noch zahlreiche Untergruppen, die Phenotypen genannt werden. Die genetische Kombination dieser Phenotypen bestimmt die genetische Identität des Blutes eines jeden Menschen. Es gibt Menschen, die eine sehr seltene Kombination dieser Phenotypen haben, sodass es schwierig ist, die mit ihrem Blut kompatiblen Blutkonserven zu finden. Bei Bluttransfusionen kann es vorkommen, dass Patienten aufgrund dieser Untergruppen eine immunologische Reaktion erleiden. Das heißt ihr Körper wehrt sich gegen das neue Blut.

Wird eine Blutkonserve gebraucht, bestellt der Arzt diese beim Roten Kreuz. Dort wird genau kontrolliert, welche Konserve am besten zum Patienten passt. Für den Fall, dass Patienten eine besonders seltene Untergruppe haben, die das Rote Kreuz nicht auf Lager hat, ist Luxemburg Teil der „Europäischen Netzwerk-Blutbanken für seltenes Blut“, die Blutkonserven und Spenderlisten führen.

Kann es vorkommen, dass nicht genügend Konserven von einer Blutgruppe auf Lager sind?

Die Genfer Konvention sieht vor, dass jedes Land sich im normalen Alltag selbst mit Blut versorgen muss. Das Rote Kreuz hat immer zwischen 450 und 750 Konserven auf Lager und liefert diese auf Anfrage der Krankenhäuser aus. Die großen Krankenhäuser haben ebenfalls eine Blutreserve, die ihren Patienten stets sofort zur Verfügung steht.

Wie lange hält sich eine Blutkonserve?

Das hängt ganz davon ab, welcher Bestandteil des Blutes sich darin befindet. Die roten Blutkörperchen halten sich bei 4 bis 6 Grad 42 Tage lang. Plasma kann eingefroren werden und hält sich dann vier Jahre lang. Die Blutplättchen hingegen sind schon wieder schwerer zu lagern, denn sie müssen ständig in Bewegung bleiben bei einer Temperatur von 20-25 Grad, sonst verlieren sie ihre Eigenschaften. Aber selbst dann halten sie nicht mehr als fünf Tage lang. Die hohe Temperatur, bei der sie gelagert werden, bietet einen natürlichen Nährboden für Bakterien und daher sind sie empfindlicher für bakterielle Verunreinigungen als Plasma oder rote Blutkörperchen. Ist eine Blutkonserve abgelaufen, muss sie entsorgt werden. Deshalb werden aus ethischen Gründen auch nur so viele Menschen zur Spende gerufen, wie gerade gebraucht werden, und nicht mehr. Ansonsten müssten zu viele Konserven weggeworfen werden und die Spender hätten dann umsonst ihr Blut abgegeben.

Welche ist die seltenste Blutgruppe?

Eigentlich gleichen sich alle Blutgruppen statistisch gut aus. Die seltenen Blutgruppen werden zwar weniger gespendet, gleichzeitig aber auch weniger gebraucht. Die Gruppe 0 negativ ist eine sehr wertvolle, weil Menschen mit dieser Blutgruppe jeder anderen Blutgruppe spenden können. Wer der Gruppe 0 negativ angehört, wird als Universalspender bezeichnet.


Geschichtlicher Hintergrund

Bei den ersten Bluttransfusionen 1818, die zwischen Menschen gemacht wurden, starben noch viele Patienten. Dabei konnten die Arzte nie wirklich sagen, woran das genau lag, bis 1901 der österreichisch-amerikanische Arzt Karl Landsteiner die Blutgruppen entdeckte. Erste Dokumente bezüglich Bluttransfusionen in Luxemburg gehen auf das Jahr 1928 zurück.

Von Anfang an übernahm das Rote Kreuz die Organisation der Bluttransfusionen im Großherzogtum. Bis 1950 wurde Blut noch gegen Bezahlung gespendet. Damals wurde der Spender vom Krankenhaus in Kenntnis gesetzt, wenn sein Blut gebraucht wurde. Daraufhin begab er sich zum Krankenbett, wo er sein Blut dem Patienten dann „von Arm zu Arm“ spendete. Ende der 40er-Jahre waren ungefähr 50 Spender beim Roten Kreuz eingetragen. 1950 beschloss das Rote Kreuz, Blutspenden zum Ehrenamt zu machen. Eine große Kampagne rief die Bevölkerung dazu auf, freiwillig Blut zu spenden und Leben zu retten.

Der Aufruf hatte einen großen Erfolg, sodass sich in den Folgemonaten über 800 Menschen als Blutspender einschrieben. Aufgrund des großen Erfolgs wurde im Oktober 1950 der „Service de transfusion sanguine“ von nur zwei Personen in einem Privathaus in der avenue Marie-Thérèse in der Hauptstadt gegründet. Weil hier nur wenig Platz war, befand sich das Laboratorium im Badezimmer! Im März 1952 zog der „Service“ dann in die „Villa du Parc“, die mehr Platz bot.


Spender gesucht

Blutspenden werden täglich benötigt. Größtenteils, damit kranken oder verunglückten Menschen direkt geholfen werden kann. Plasma wird aber auch immer mehr dazu gebraucht, um verschiedene Medikamente herzustellen und Behandlungen durchzuführen. Spender werden kann im Grunde jeder zwischen 16 und 60, der bei guter Gesundheit ist.

Zusätzlich sollte sein Körpergewicht über 50 Kilogramm liegen. Um sich einzutragen, reicht es, beim Roten Kreuz an der Adresse 42, boulevard Joseph II, L-1840 Luxembourg vorbeizuschauen. Hier wird dann zuerst eine Blutprobe abgenommen, um die Blutgruppe genau zu bestimmen. Dann muss der potenzielle Spender einen Fragebogen ausfüllen, woraufhin ein Gespräch mit einem Arzt folgt.

Ist der Untersuchte bei guter Gesundheit, kann es durchaus sein, dass er sofort Blut spenden darf. Frauen kommen dann in regelmäßigen Abständen, alle vier Monate, Männer alle drei Monate zur Blutabnahme. Zusätzliche Informationen finden Sie auf der Internetseite www.croix-rouge.lu unter „Blutspende“.