Renaissance eines Sorgenkinds: Anthony Moris ist seit einem Jahr verletzungsfrei

Renaissance eines Sorgenkinds: Anthony Moris ist seit einem Jahr verletzungsfrei

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Die Jahre vergingen, aber eines blieb immer gleich: Luxemburgs Nationaltorwart Anthony Moris erlitt zwischen 2015 und 2017 zwei Kreuzbandrisse und eine Meniskusverletzung. Insgesamt befand er sich in diesem Zeitrahmen rund 14 Monate im körperlichen Wiederaufbau. Seit einem Jahr ist der 28-Jährige sorgenfrei und hat zudem in den vergangenen Monaten viel Spielpraxis gesammelt. Gerade rechtzeitig vor dem wichtigen Nations-League- Doppeltermin gegen Weißrussland (Freitag) und San Marino (Montag).

Anthony Moris reiste am vergangenen Montag erstmals seit Sommer 2016 wieder als Stammspieler im Verein zur Nationalmannschaft. Vor den ersten Nations-League-Terminen gegen Moldawien (4:0) und San Marino (3:0) Anfang September hatte die luxemburgische Nummer eins erst eine offizielle Partie für seinen neuen Verein Excelsior Virton bestritten. „Jede Woche am Ball zu sein und mich auch mal in der Meisterschaft beweisen zu können und nicht nur in der Nationalmannschaft, gibt mir das Selbstvertrauen, das ich brauche“, berichtet Moris.

Die Leidenszeit des 28-Jährigen scheint endgültig der Vergangenheit anzugehören. Moris hat aus den vergangenen Jahren gelernt und geht jetzt anders an die Sache heran. „‚J’ai mangé mon pain noir.‘ Mittlerweile weiß ich, wie ich mit meinem Körper umgehen muss. Früher wollte ich in jedem Training Vollgas geben, heute schrecke ich nicht davor zurück, dem Trainer Bescheid zu geben, wenn ich leichte Schmerzen verspüre.“

Aber auch die eigentlich nicht geplante Rückkehr in seine alte Heimat hat dem Mann mit den schnellen Reflexen gutgetan. Moris wuchs in Habay auf, verließ die Province de Luxembourg aber bereits als Zehnjähriger, um bei Standard Lüttich Profi zu werden. Dass er 18 Jahre später zu seinen Wurzeln zurückkehren würde, hätte er selbst vor kurzem nicht geglaubt. „Mein Vater und meine Frau haben sich deutlich gegen einen Wechsel nach Virton ausgesprochen. Und mein Plan war das ursprünglich auch nicht. Ich bin jedoch lieber Stammspieler in der dritten Liga als in der ersten Division auf der Bank zu sitzen. Außerdem trainieren wir hier genauso professionell wie bei belgischen Erstligisten. Mittlerweile habe ich bereits mit meinen Leistungen auf mich aufmerksam gemacht. Ich hab sehr viel positives Feedback bekommen und das tut gut.“

Die komplette Rückkehr zu den Wurzeln wird aber erst Ende des kommenden Monats vollzogen. Derzeit wohnt Moris mit seiner Frau und seiner sieben Monate alten Tochter noch in Lüttich. Fast täglich fährt er vier Stunden zum Training nach Virton. Nach dem Nations-League-Spiel in Moldawien wird er nach Etalle umziehen. „Ich bin dankbar, dass ich so eine wunderbare und verständnisvolle Frau habe, die mich, wo es geht, unterstützt. Derzeit sehe ich sie und meine Tochter nicht sehr oft, aber das wird sich ab November ändern.“

Identifikationsfigur

Moris ist jedoch nicht in die heimatliche Provinz zurückgekehrt, um seinen fußballerischen Lebensabend ausklingen zu lassen. Der neue Virton-Mäzen Flavio Becca plant den sofortigen Aufstieg in die zweite belgische Liga. Und vielleicht sogar mehr. „Wenn Flavio Becca etwas anpackt, dann richtig. Ob er jedoch sofort in die erste Liga aufsteigen will, das müssen Sie ihn schon selbst fragen“, sagt der 1,86-Meter-Mann mit einem Schmunzeln. Moris ist nicht der einzige Luxemburger in Virton. Mit Aurélien Joachim, Lucas Prudhomme, Dwayn Holter und Loris Tinelli stehen vier weitere Auswahlspieler im Kader des Teams aus der Gaume.

Becca wurde in Belgien mit offenen Armen empfangen, weil er zunächst den Verein vor dem Bankrott rettete, danach groß investierte und später Identifikationsfiguren an Land zog. Neben Moris und Joachim wurde mit Guillaume François (u.a. Charleroi) ein dritter ehemaliger Erstligaprofi an Land gezogen, der aus der Provinz stammt. „Das war sehr wichtig und deshalb wurde das Projekt auch sofort von den Leuten akzeptiert. Die Anhänger sehen, dass Aurélien, Guillaume und ich ein Opfer für den Verein und die Region erbracht haben. Ich alleine könnte wohl bei jedem Heimspiel locker 100 Eintrittskarten an meine Freunde und Verwandten verschenken. Leider bekomme ich nicht so viele Tickets“, lacht Moris, dessen Bruder Jonathan seit Jahren bei RSC Habay (5. belgische Liga) als Angreifer kickt.

Nach erfolgreichen und verletzungsfreien Wochen mit Virton kehrte Moris am vergangenen Montag in den Kreis der Nationalmannschaft zurück. Mit den „Roten Löwen“ kassierte er in den vergangenen vier Länderspielen kein einziges Gegentor. „Taktisch und technisch haben verschiedene Spieler einen Schritt nach vorne gemacht. In ihren Vereinen wird jetzt mehr von ihnen verlangt und das spiegelt sich in unseren Leistungen wider. Außerdem herrscht eine Konkurrenzsituation wie wohl noch nie in der luxemburgischen Nationalmannschaft. All diese Elemente machen uns stärker“, erklärt der Torwart die defensive Stabilität. Am Donnerstag reist die Nationalmannschaft nach Minsk, wo am Freitag (20.45 Uhr) die Nations-League-Partie gegen den eigentlichen Gruppenfavoriten Weißrussland stattfinden wird.

Moris erinnert sich noch gerne an die letzte Reise in die ehemalige sowjetische Teilrepublik zurück. „Dirk (Carlson) hat Rot gesehen, Kiki (Christopher Martins) wurden die Zähne ausgeschlagen, aber wir haben gekämpft und durch eine unglaubliche mannschaftliche Geschlossenheit einen Punkt geholt. Die Art und Weise, wie dieses 1:1 zustande kam, war vielleicht die Basis für das, was danach folgte.“ Und diese Aussage kann sogar statistisch belegt werden. Nach diesem Abend des 10. Oktober 2016 folgte eine für Luxemburg noch nie dagewesene Erfolgsbilanz. Sieben Siege, drei Unentschieden und sechs Niederlagen: So lautet die Bilanz der vergangenen beiden Jahre.

An diese Leistungen wollen Moris und seine Teamkollegen am Freitag in Minsk anknüpfen. „Als Tabellenerster der Gruppe haben wir alles in der Hand. Dafür haben wir jahrelang gearbeitet und jetzt ist der Moment gekommen, den nächsten Schritt zu machen. Aber Weißrussland will sich mit Sicherheit für die letzte Niederlage gegen uns revanchieren. Es wird ein sehr heißer Tanz.“


Noch mehr Luxemburger für Virton?

Unternehmer Flavio Becca will mit Virton hoch hinaus und plant, auch in Zukunft weitere Luxemburger mit ins Boot zu nehmen. „Es wurden bereits einige Spieler kontaktiert. Wenn wir in die zweite belgische Liga aufsteigen, dann wird der Verein für viele Profis interessant“, so Excelsior-Torwart Anthony Moris. Ein aktueller Nationalspieler wird in der Winter-Transferperiode aber wahrscheinlich nicht in die Gaume wechseln.