Reifeprozess einer Generation: Bilanz nach der ersten Nations League

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Die Nations League ist vorbei und der Traum von den Play-offs und der EM 2020 geplatzt. Die luxemburgische Nationalmannschaft holte bei der ersten Auflage des neuen Formats zehn Punkte, erlebte viele Hurra-Momente, zahlte aber auch eine Menge Lehrgeld. Eine Analyse über eine Generation, die erst am Anfang ihrer Entwicklung steht.

Das Fazit

Im Nachhinein ist man immer zufriedener mit dem Resultat als im Vorfeld – das trifft zumindest auf Luc Holtz zu. Der Nationaltrainer zeigte sich trotz der verpassten Qualifikation für die Play-offs zufrieden mit den Leistungen seines Teams in der Nations League. „Wir haben zehn Punkte geholt. Ich habe das Gefühl, dass die Ansprüche teilweise zu hoch sind. Wir dürfen nicht vergessen, aus welchen Spielern unser Team zusammengesetzt ist. Einige sind in der Regionalliga aktiv, andere noch in der U19-Bundesliga oder der BGL Ligue, und unsere Profis haben auch nicht alle eine Stammplatzgarantie. Unsere eigenen Ansprüche sind auch sehr hoch und trotzdem behaupte ich, dass wir eine tolle Nations League gespielt haben.“

Fehlende Reife

Luxemburg gewann das Heimspiel gegen Moldawien (4:0) und die beiden Duelle gegen San Marino (3:0, 3:0) deutlich, war aber in den Vergleichen mit Weißrussland unterlegen. Vor allem fehlte es der Mannschaft an der erforderlichen Reife, um solche Endspiele für sich zu entscheiden. Ein Blick auf die blanken Zahlen zeigt jedoch, an was es gelegen haben könnte. Weißrussland ging mit einer Startaufstellung in Luxemburg ins Spiel, die ein Durchschnittsalter von 30,6 Jahren hatte. Luxemburg verfügt zwar über die talentiertere Mannschaft, hat aber eben auch nur wenig gestandene Profis in seinen Reihen (Durchschnittsalter gegen Weißrussland: 25,7 Jahre).

„Weißrussland kam für uns zum falschen Zeitpunkt. Aufgrund verschiedener Umstände war die Vorbereitung nicht optimal. Zudem stand die Mannschaft unter Stress, aber solche Situationen sind enorm wichtig für die Zukunft. Jetzt wissen die Spieler, wie sie mit dieser neuen Situationen umgehen müssen, und werden daraus lernen. So wie es Frankreich getan hat. Vor zwei Jahren scheiterten sie im EM-Finale und in diesem Sommer wurden sie Weltmeister“, so die Sicht des Nationaltrainers.

Ballbesitz und Tore

In den sechs Spielen hatte Luxemburg einen Ballbesitzanteil von durchschnittlich 55 Prozent und erzielte insgesamt elf Treffer. Danel Sinani war mit drei Toren und drei Assists der Topscorer der „Roten Löwen“. Teilweise wurde ansehnlicher und überzeugender Fußball geboten. „Vor ein paar Jahren hätte gegen einen Gegner wie San Marino die Angst dominiert. Mittlerweile sind wir in der Lage, solche Teams zu dominieren“, zeigt sich Holtz zufrieden.

Inkonstanz

Flagrant war in den Duellen gegen Weißrussland und Moldawien die Inkonstanz. Viermal wurde die erste Hälfte fast komplett verschlafen. Gegen den Tabellenersten wurde dies dem FLF-Team zum Verhängnis, gegen die schwächeren Moldawier konnte Luxemburg das Blatt noch wenden. „In puncto Intensität waren uns diese beiden Gegner zu Spielbeginn überlegen. Allerdings gehören zwei Phasen der Vergangenheit an. Früher kassierten wir oft in der Viertelstunde vor und nach der Pause einen Gegentreffer. Das ist jetzt nicht mehr so oft der Fall. In den vergangenen Jahren hatten wir zudem Probleme, ein Resultat über die Distanz zu bringen. Heutzutage kann die Mannschaft in der Schlussphase einer Partie noch zulegen“, erklärt Holtz.

Zumindest die erste Feststellung ist nicht ganz richtig. Alle vier Gegentore fielen zwischen der 37. und 59. Minute – also genau in der Viertelstunde vor und nach der Pause.

Junge Leader

Derzeit verfügt der Auswahltrainer mit Danel Sinani, Olivier Thill und Christopher Martins über drei Schlüsselspieler, die erst 21 Jahre alt sind und vor ihrem nächsten Schritt in ihrem noch jungen Fußballerleben stehen. Sinani wird im kommenden Jahr wohl seinen ersten Vertrag bei einem Profiverein unterschreiben, Thill macht mit seinen guten Leistungen bei Ufa derzeit die russischen Spitzenvereine auf sich aufmerksam und Martins reift momentan beim französischen Zweitligisten zu einem Führungsspieler heran. Zu diesem Trio gesellt sich der 18-jährige Leandro Barreiro, der in Mainz vor zwei Wochen seinen ersten Profivertrag unterschrieb.

„Es kann sehr schnell gehen. Leandro spricht nicht viel, aber er weiß genau, was er will. Er ist dynamisch, intelligent, liest das Spiel sehr gut und strahlt für sein Alter eine außergewöhnliche Ruhe aus. Ein Spieler wie er ist ein Genuss für jeden Trainer“, urteilt Holtz über den Mittelfeldspieler. Das andere Talent aus dem 2000er Jahrgang verdient sich derzeit beim französischen Drittligisten Pau seine Sporen. Vincent Thill befindet sich momentan auf einem aufsteigenden Ast und scheint seine körperlichen Defizite nach und nach zu kompensieren. Vom vermeintlich talentiertesten Luxemburger wird 2019 der nächste Karrieresprung erwartet.

Die Gestandenen

Maxime Chanot erwies sich nach seiner einjährigen Abwesenheit (wegen Verletzungen und Abstellungsproblemen) als absoluter Abwehrchef. Torwart Anthony Moris leistete sich einen entscheidenden Fehler in Minsk, war aber in den restlichen Partien ein starker Rückhalt. Kapitän Laurent Jans befindet sich derzeit in einem Leistungstief. Durch die fehlende Spielpraxis beim FC Metz strahlt der Rechtsverteidiger nicht mehr die gewohnte Sicherheit aus. Eine Schwachstelle ist der 26-Jährige mit Sicherheit nicht, aber man hat auch schon bessere Spiele von Jans gesehen.

Auf Aurélien Joachim kommen in Virton entscheidende Monate zu, in denen er zu seinem Rhythmus und wieder zu mehr Spielpraxis finden muss. Daniel da Mota ist auch mit 32 Jahren noch immer das Kraftpaket auf der linken Seite und wird der Nationalmannschaft auch in den nächsten zwölf Monaten noch wertvolle Dienste liefern.

Auch Chris Philipps steht am Scheideweg. Bei Legia Warschau spielt der defensive Mittelfeldspieler derzeit keine Rolle. Ein Wechsel im Winter ist nicht mehr ausgeschlossen.

Die Zukunft

Im Fußballjahr 2019 könnte es ein paar neue Gesichter in der Nationalmannschaft geben. „Es wird nicht einfach, in den Kader zu rutschen, aber Jungs wie Vahid Selimovic, Dany Mota oder Ryan Johansson könnten ihre Chance bekommen – wenn sie sich denn für Luxemburg entscheiden“, sagt Holtz. Vor allem Johansson, der 17-jährige Nachwuchsspieler von Bayern München, könnte sofort den Sprung ins Aufgebot schaffen. „Er weiß, dass er berufen werden wird, wenn er denn will.“

Am 2. Dezember wird die EM-Qualifikation 2020 ausgelost, die von März bis November 2019 stattfinden wird. Luxemburg ist in den Top 5 vertreten. „Ich habe keinen Wunschgegner, denn mittlerweile können wir jeder Nation die Stirn bieten und müssen nicht auf einen starken Gegner hoffen, um unser Stadion zu füllen“, glaubt Holtz.

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