„Regelt das, solange ihr noch lebt!“ – Damit die Spuren im Netz nach dem Tod nicht einfach verwehen

„Regelt das, solange ihr noch lebt!“ – Damit die Spuren im Netz nach dem Tod nicht einfach verwehen

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Viele Menschen hinterlassen im Netz mittlerweile mehr als nur ein paar Spuren: sondern Inhalte, die im Todesfall für Hinterbliebene von hohem ideellen oder sogar materiellen Wert sein können – wenn sie denn daran gelangen.

„Denk an den Tod!“ – Das so simple wie einleuchtende Motto, dem römischen Satiriker Flaccus zugeschrieben, musste Georges Hausemer schon lange vor seinem Ende niemand mehr ins Gedächtnis rufen: Schon als Schriftsteller mag der Luxemburger sich den existenziellen Wahrheiten bewusster gestellt haben als viele andere Menschen – und dann war er ja auch schwer erkrankt. Sein Umgang damit, seine Ängste und Hoffnungen, schrieb er im Blog „Ich und mein Tumor“ auf – der schließlich nach 75 Folgen abrupt mit der Nachricht endet, dass der 61-Jährige gestorben sei. „Eingestellt von Georges Hausemer“, hat die Blog-Software unter diesem letzten Eintrag vermerkt. Allerdings hat Hausemer keinen letzten Gruß vom anderen Ufer des Styx versandt – sondern rechtzeitig seinen digitalen Nachlass geregelt. „Er hat mir dazu seine Passwörter anvertraut“, erklärt Hausemers Witwe Susanne Jaspers.

Der Schriftsteller hat damit beispielhaft gehandelt, findet der Journalist Holger Bleich: „Kümmert euch darum, solange ihr noch lebt!“, sei jedenfalls sein Fazit, nachdem er sich jahrelang für den auf IT-Themen spezialisierten Heise-Verlag in Deutschland mit dem Thema befasst hat. „Lange sah es so aus, dass die Anbieter selbst sich einfach gar nicht mit dem Thema befassen“, sagt Bleich. Inzwischen habe sich das aber deutlich gebessert – vor allem bei den großen Namen wie Google oder Facebook.

So ermöglichen viele Plattformen mittlerweile dem User, das Thema proaktiv anzugehen und etwa festzulegen, was mit den eigenen Daten im Todesfall passieren soll. Zudem bieten sie Hinterbliebenen und Erben Kontaktmöglichkeiten, um entsprechende Ansprüche anzumelden. Individuelle Lösungen seien aber trotzdem immer noch sehr ratsam: „Man muss sich mal klarmachen, dass es hier ja nicht nur um die Urlaubsfotos bei Facebook geht, sondern um eine komplette digitale Identität!“ Daran könnte neben persönlichen Erinnerungen auch ganz Handfestes hängen: So benötige ein Erbberechtigter heute etwa vielfach Zugang zu E-Mail-Konten, um sich einen Überblick zu verschaffen, welche Verbindlichkeiten die Annahme des Erbes mit sich bringen könnte.

Gericht: Erbe erbt auch Hochpersönliches

Dass der digitale Nachlass der Logik des Erbrechts folgen muss, war auch Ansicht des deutschen Bundesgerichtshofs, der zwischen trauernden Eltern und Facebook Recht sprechen musste: Um herauszufinden, ob der Tod der Tochter mit 15 ein Selbstmord gewesen sein könnte, wollten die Eltern ihr komplettes Profil einsehen, inklusive der gespeicherten Chats. Das Profil war jedoch schon in einen „Erinnerungsmodus“ geschaltet worden, der es einerseits konserviert, aber auch größtenteils blockiert. Facebook verweigerte die Herausgabe der geforderten Daten und berief sich auf das Fernmeldegeheimnis: Schließlich würden sonst nicht nur die Beiträge der Tochter, sondern auch die private Korrespondenz mit Dritten offengelegt.

Der Berliner Anwalt Christian Pfaff hat die Eltern des Mädchens im Vorfeld vertreten und begrüßt die Entscheidung des BGH, wonach die Eltern als Erben ein Recht auf Einblick auch in vertrauliche Korrespondenz hätten: „Das Erbe rückt den Erbenden in die Position des Verstorbenen – er ersetzt ihn praktisch“, sagt Pfaff. Obgleich das Urteil etwas Rechtssicherheit gebe, erwartet er, dass das Themenfeld noch für viel Streit sorgen wird. „Es ist ja gar nicht klar, ob die Verfügungen, die man etwa gegenüber Google machen kann, den Stellenwert eines Testaments haben. Und ob etwa Minderjährige solche Entscheidungen überhaupt rechtsgültig treffen können.“

Nutzerkonten: In Frankreich gab’s das erste Gesetz

Gesetzliche Standards hat als erster EU-Staat Frankreich im Jahr 2016 geschaffen: Seitdem haben Erben das Recht auf alle zur Nachlassabwicklung nötigen Daten und können Nutzerkonten schließen lassen.

Davon ist man auch in Luxemburg noch weit entfernt – und die Unsicherheit groß, sagt der Anwalt Renaud Le Squeren. Denn die vorbildlichen Lösungen mancher Anbieter (siehe Text rechts) seien leider alles andere als ein Standard: „Am besten kümmert man sich selbst rechtzeitig um sein digitales Erbe“, sagt der Partner der Kanzlei DSM.

„Denn wenn man das nicht macht, landen Konflikte später vor den Zivilgerichten“ – die bislang wenig Erfahrung mit dem Thema haben. Oft sei schon etwa die Frage extrem komplex, ob etwa die Chatverläufe eines Freiberuflers, der über Facebook auch mit seinen Kunden spricht, private oder geschäftliche Daten sind. Der Experte für IT-Recht empfiehlt, seine Zugangsdaten an eine Vertrauensperson zu geben oder bei einem Notar zu hinterlegen.

Nachtrag im Blog

Georges Hausemer hat sich rechtzeitig um seinen Nachlass gekümmert. „Seinem Blog habe ich auf seinen Wunsch hin den Nachtrag seines Todes beigefügt“, erklärt seine Witwe Susanne Jaspers. Den Blog und seine Internetseite werde sie wohl bald aus dem Netz nehmen. „Aber das hat noch ein wenig Zeit.“

Ganz verschwinden sollen die geistigen Schöpfungen ihres Mannes aber damit nicht: Jaspers will den Blog eventuell in Buchform veröffentlichen. Die Facebook-Seite ihres Mannes hat sie vorläufig deaktivieren lassen. „Gelöscht habe ich den Account noch nicht für den Fall, dass er für das CNL von Interesse sein könnte, das Anfang nächsten Jahres seinen gesamten literarischen Nachlass mit mir durcharbeiten wird.“

Die Deaktivierung, die den Account weitgehend unsichtbar macht, erfüllt auch noch eine anderen Zweck: Der Schriftsteller wollte nicht, dass seine Facebook-Freunde alljährlich aufgefordert werden, ihm Geburtstagswünsche zu senden.

So funktioniert die Übergabe

… BEI GOOGLE
Der Netzgigant vereint inzwischen viele Dienste: die eigene Cloud („Drive“) ebenso wie etwa YouTube. Ein spezieller „Kontoinaktivitätsmanager“ kann zur Tat schreiten, sobald Google eine Zeit lang keine Aktivität durch den User feststellen konnte. Dann wird das Google-Konto (nach reichlichen Warnungen) abgeschaltet und eine vorher bestimmte Person mit den Rechten ausgestattet, die man ihr vorher zugebilligt hat.

… BEI FACEBOOK
Beim sozialen Netzwerk kann man entweder einen Nachlasskontakt bestimmen, der im Todesfall das Profil eingeschränkt verwalten kann – oder verfügen, dass das Konto komplett gelöscht wird, sobald Facebook vom Tod des Users erfährt.

… BEI INSTAGRAM
Der Foto-Social-Media-Dienst gehört zu Facebook und bietet ebenso einen Gedenkzustand an.

… BEI APPLE
Für die Inhalte der iCloud sieht Apple schlichtweg keine Übertragungsrechte vor. Bei Erhalt einer Kopie der Sterbeurkunde wird das Konto aufgelöst und sämtliche Inhalte werden gelöscht – auch alle einst teuer gekauften Songs und Bücher.

… BEI TWITTER
Ein per Nachlass Bevollmächtigter oder ein unmittelbares Familienmitglied kann beim Microblogging-Dienst erwirken, dass der Account eines Verstorbenen gelöscht wird. Eine andere Option ist derzeit nicht vorgesehen. Twitter erklärt, auf keinen Fall Login-Daten herauszugeben.

GMX/WEB.DE usw.
Viele Mail-Provider gewähren Zugriff auf E-Mail-Konten, wenn ein berechtigter Anspruch nachgewiesen wird.

… ODER IN EIGENREGIE
Wer seinen Hinterbliebenen im Trauerfall aufwendige rechtliche Schritte ersparen möchte, kann ihnen natürlich auch einfach ermöglichen, sich später als der Verstorbene in die jeweiligen Dienste einzuloggen. Dazu übergibt man eine Übersicht der Zugangsdaten an eine vertraute Person oder hinterlegt sie – etwa bei einem Notar oder einem Bestatter. Damit spätere Änderungen und Erweiterungen laufend aktualisiert werden, kann man im Netz aber auch einen Passwort-Manager wie „LastPass“ nutzen, der zentral alle Passwörter bündelt – die wiederum mit einem einzigen Masterpasswort geschützt werden. Dann muss nur noch dieses übergeben werden.

Laird Glenmore
1. November 2018 - 11.46

Dann müßten auch andere Daten von verstorbenen gelöscht werden wie L. Erhardt, Isaak Newton, Prince, Elvis, Jimi Hendrix usw. denn diese Personen haben auch Nachfahren, hier wird wieder einmal mit zweierlei Maß gemessen weil ein paar Datenschützer wach geworden sind. Bei der Überwachung durch den Staat und andere Institutionen sind wir doch so wie so zum gläsernen Mensch geworden.Selbst Menschen die keinen Computer benutzen sind im Internet zu finden.