Präsident Lucien Koch über die Mission des Abfallsyndikats: „Von Zero Waste sind wir weit entfernt“

Präsident Lucien Koch über die Mission des Abfallsyndikats: „Von Zero Waste sind wir weit entfernt“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Gegründet wurde das „Syndicat intercommunal pour l’hygiène publique du Canton de Capellen“ (SICA) mit Sitz in der Industriezone Kehlen im Jahr 1958. Seitdem hat sich eine Menge getan in Sachen Abfall, vor allem bei der Entsorgung.

Tageblatt: Wie war es 1958 um die Akzeptanz des Syndikats bestellt?
Lucien Koch: Das ist eine gute Frage. Wir waren damals quasi die Ersten, die hierzulande im Bereich Abfallproblematik auf kommunaler Ebene nach Lösungen suchten. Ich spreche in dem Zusammenhang immer von einer „Amerikanisierung“. Der Verpackungsabfall kam auf. Im Gegenzug waren es aber immer noch die Zeiten, wo jeder Haushalt seinen Müll im Garten entsorgte bzw. wo es in jeder Ortschaft den klassischen „Dreckstipp“ gab.

Das SICA war also eine Art Vorreiter?
So kann und muss man das durchaus sehen. Wir waren echte Pioniere auf diesem Gebiet. Und unumstritten war unser Vorhaben beileibe nicht. Anfangs bestand das SICA nur aus Gemeinden: Kehlen, Koerich, Kopstal, Steinfort und Mamer. Das SICA kaufte damals einen Müllwagen der Marke Büssing, Modell LU 7. Der Lkw kostete exakt 807.088 Luxemburger Franken, umgerechnet etwas mehr als 20.000 Euro also. Die Woche hatte fünf Tage und der Lkw war an diesen fünf Tagen in den einzelnen Gemeinden unterwegs. So ging das damals vonstatten.

Und heute sind ein paar Gemeinden dazugekommen …
Heute sind es deren acht, oder besser gesagt siebeneinhalb. Garnich und Simmern sind 1998 dazugestoßen. Auch Bartringen gehört dazu, obwohl Bartringen nicht zum Kanton Capellen gehört. Wir verschließen uns eben keinem. (lacht) Mit Simmern ist das indes ein Spezialfall. Denn Simmern und Hobscheid haben ja mittlerweile zur „Gemeng Habscht“ fusioniert. In Hobscheid sind wir aber nicht für die Müllabfuhr zuständig. Wir warten an und für sich auf einen Wink von den politisch Verantwortlichen. Die sind dabei, noch eine Studie zu erstellen.

Bei wie vielen Haushalten holt das SICA den Müll ab?
Wir sammeln den Müll von rund 39.000 Menschen ein.

Wie muss man sich das in der Praxis vorstellen?
Es gibt zwei Systeme: den „Service collecte“, wie wir das nennen, und dann den Recycling-Park, hier auf unserem Firmensitz in Kehlen. Auch mit dieser Strategie waren wir Vorreiter. Wir haben den Bürgern einfach die Möglichkeit gegeben, zu trennen. Das kann man jeden Tag tun, von 8.00 bis 18.00 Uhr, außer sonntags. Wir arbeiten sehr personalintensiv, da wir viel Wert auf eine exakte Trennung legen. So ist allein der Bauschutt beispielsweise in vier Bereiche eingeteilt. Neben der Haus-zu-Haus-Sammlung holen wir auch den organischen Abfall ab sowie Glas, Papier und Valorlux-Müll. Dann gibt es noch einen speziellen Dienst am Kunden: Heckenschnitt holen wir einmal im Monat ab. Darüber hinaus stehen wir auf Abruf zur Verfügung, wenn es um Elektroschrott, Eisen, Sperrmüll und Kleidung geht. Das wird aber individuell in Rechnung gestellt.

Nach welchem System funktioniert das SICA?
Wir verfahren streng nach dem „Pollueur-payeur“-Prinzip. Bereits 1994 waren wir bei diesem anfänglichen Pilotprojekt mit dabei und wenden es seitdem sozusagen „à la lettre“ an. Wer viel Müll produziert, wird dies im Geldbeutel spüren. Geld ist immer ein guter Motivationsmotor. Die grauen Abfalltonnen, die alle zwei Wochen geleert werden, sind mit einem Chip versehen, der das Gewicht aufzeichnet. Klar ist allerdings auch, dass es beim SICA nicht darum geht, Gewinn zu machen. Ziel ist es stets, die Gebühren stabil zu halten, wobei diese je nach Gemeinde unterschiedlich sind.

Von welcher Müll Menge sprechen wir eigentlich?
Was weitaus interessanter ist, ist die Tatsache, dass es im SICA-Einzugsgebiet im Jahr nur 139 kg pro Kopf an Restmüll gibt, der nicht wiederverwertet werden kann und in der Müllverbrennungsanlage Sidor in Leudelingen vernichtet werden muss. Auf diesen Wert sind wir mächtig stolz, da der nationale Durchschnittswert bei rund 235 kg liegt und damit wesentlich höher ist.

Worauf führen Sie dies zurück?
Auf die vielen Möglichkeiten, die die Bürger haben, einerseits ihren Müll zu trennen, andererseits ihn separat abholen zu lassen. Letztlich geht es darum, den anfallenden Müll bestmöglich zu entsorgen. Es ist aber nicht so, dass die Bürger in unseren Gemeinden weniger Müll produzieren. Um auf Ihre vorige Frage zurückzukommen: Im Jahr 2018 waren es 20.008 Tonnen, davon allein 5.463 Tonnen Hausmüll.

Wie viele Menschen sind beim SICA angestellt?
Wir sind insgesamt 48 Mann Personal, darunter 22, die allein für den Bereich „Collecte“ zuständig sind. Unterstützt werden wir im Bereich Trennung auch von Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung. Sie sind prima integriert und leisten wertvollen Dienst. Wir verfügen zudem über drei Mechaniker.

Wie ist es um das Umweltbewusstsein der Bürger bestellt und sind die Menschen dabei, umzudenken?
Hand aufs Herz: In Sachen Konsum habe ich dies bislang nicht festgestellt. Allerdings gibt es Verschiebungen, was den Müll an sich betrifft. Wir haben 2018 beispielsweise 20.000 kg weniger Kunststoff eingesammelt. Das ist ein immenses Volumen, da Plastik leicht ist. Im Gegenzug haben wir indes 80.000 kg mehr Abfall über Valorlux eingesammelt. Eine Erklärung ist in der Hinsicht die, dass Folien, wie beispielsweise Verpackungen einer Tüte Chips, auch in den Valorlux-Abfall kommen dürfen. In Kürze gilt dies im Übrigen auch für Joghurt-Becher. Hier bei uns gibt es stets Hinweise auf den Konsum. Drei Scheiben Schinken aus dem Supermarkt sind heute so verpackt wie früher 20 Scheiben, die beim Metzger an der Theke gekauft wurden. Oder Zwiebel in einer Plastikbox. Es ist lobenswert, dass die Leute recyceln und den Müll trennen, aber das Konsumverhalten geht weiter in die gleiche Richtung. Vom viel zitierten Zero Waste sind wir jedenfalls noch meilenweit entfernt.

Ein Wort noch zu dem geplanten Ausbau der SICA-Anlage …
Es ist in der Tat so, dass wir eine moderne Anlage benötigen. Rund 200 Meter von unserem aktuellen Standort entfernt befindet sich ein passendes Gelände, das im PAP der Gemeinde Kehlen bereits gutgeheißen wurde. Anfang Mai werden wir dem Vorstand das neue Projekt vorstellen. Wenn wir grünes Licht bekommen, steht der Umsetzung nichts mehr im Wege. Mehr möchte ich in dem Zusammenhang jetzt nicht preisgeben. Nur so viel, dass die neue Anlage den heutigen Standards entspricht, für die nächsten 30 bis 35 Jahre ausgelegt ist und der wachsenden Bevölkerung Rechnung trägt. Die Kapazität reicht für den Müll von 80.000 Menschen.

Wie werben Sie eigentlich für sich?
Wir versuchen beispielsweise mit Flyer-Aktionen zu sensibilisieren und nehmen am 22. September an der Aktion „Portes ouvertes des entreprises“ teil, zusammen mit Ecotrel, Superdreckskëscht und Valorlux. Wir verfügen im Übrigen auch über eine App und versuchen so zeitgemäß wie möglich zu kommunizieren. Unser Einfluss auf das Kaufverhalten der Bürger ist aber gering. Unsere Mission ist es, zu trennen und preisgünstige Wege zu finden, um zu verwerten und zu recyceln.

Nomi
16. April 2019 - 11.45

Mat Recyklei'eren hun mer gutt Fortschretter gemach ! Et get awer och elo Zeit datt mer di naechst Etappe unfaenken mat Verpackungsmuellvermeidung bei dem Commerce !