Umgang mit sensiblen AnzeigenPolizei setzt in #MeToo-Zeiten auf gezielte Schulung

Umgang mit sensiblen Anzeigen / Polizei setzt in #MeToo-Zeiten auf gezielte Schulung
Wie die Polizei mit Anzeigen wegen Sexualdelikten umgeht, hängt nicht nur von der Straftat ab, sondern vor allem vom Alter des Opfers Foto: Shutterstock/Dmitri Ma

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Sexuelle Übergriffe sind von Natur aus ein delikates Thema. Doch wie geht die Polizei mit entsprechenden Anzeigen um? Eine Frage, die nicht nur in Zeiten einer #MeToo-Bewegung relevant sein dürfte.

Von Eric Hamus

So waren im Zusammenhang mit den Missständen im CIGR Syrdall auch entsprechende Vorwürfe gegenüber einem Polizeibeamten geäußert worden. Dieser habe einem möglichen Vergewaltigungsopfer von einer Anzeige abgeraten, hieß es im Oktober im Zuge der Enthüllungen rund um einen leitenden Mitarbeiter der Beschäftigungsinitiative.

Gleich mehrere Mitarbeiterinnen hatten dem Generalkoordinator zunächst sexuelle Belästigung vorgeworfen, um später allerdings von einvernehmlichen Kontakten zu sprechen. Ermittlungen wegen sexueller Belästigung wurden im Sommer eingestellt, während eine Klage wegen Vergewaltigung Ende Oktober „ad acta“ gelegt wurde. Dennoch schwebt der Vorwurf im Raum, Beamte hätten zunächst nur zögerlich auf eine dieser Klagen reagiert, dem Opfer sogar abgeraten, Anzeige zu erstatten.

Doch wie geht die Polizei generell mit solchen Fällen um? Werden die Beamten nicht gezielt im Umgang mit möglichen Opfern geschult? „Natürlich handelt es sich hierbei um äußerst sensible Klagen“, unterstreicht zunächst ein Mitarbeiter der Pressestelle der Polizei. „Sämtliche angehenden Beamte werden bereits in der Ausbildung mit spezifisch angepassten Kursen im Umgang mit Opfern von Sexualdelikten geschult“, so der Sprecher weiter. Im Rahmen eines Kommunikationsseminars etwa erläutere der Ausbilder, wie man die Opfer empfängt. „Polizeischüler lernen, wie sie die Klagen von möglichen traumatisierten Opfern aufnehmen und auf was sie im Umgang mit betroffenen Personen besonders achten müssen.“ Im Viktimologie-Kurs werde dieses Thema noch spezifischer behandelt, während der strafrechtliche Aspekt in der sogenannten „Théorie judiciaire“ abgedeckt wird.

Diese Ausbildung erhalte jeder Beamte, heißt es vonseiten der Pressestelle. Spezifisch geschult werden allerdings jene Beamte, die der Jugendschutzabteilung zugeteilt werden. „Die Beamten werden ganz besonders darin geschult, die Anzeigen minderjähriger Opfer von Sexualdelikten entgegenzunehmen“, so der Polizeisprecher. Die Beamten des Jugendschutzes werden zeitweise sogar im Ausland aus- und regelmäßig fortgebildet. „Für die Arbeit mit minderjährigen Opfern setzen wir aber auch voraus, dass die Beamten bereits von Natur aus eine gewisse Feinfühligkeit für das Thema haben.“

Prozedur hängt vom Alter ab

Die genau zu befolgende Prozedur hängt sowohl vom Alter des Opfers als auch vom Delikt selbst ab. „So wird unterschieden, ob das Opfer minderjährig ist, ob es sich um einen Angriff auf die Schamhaftigkeit handelt, um sexuellen Missbrauch oder gar um Vergewaltigung“, so der Sprecher. Die Staatsanwaltschaft werde in all diesen Fällen mit eingebunden, um die nötigen Entscheidungen zu treffen und gegebenenfalls auch entsprechende Prozeduren einzuleiten.

Wird einer Dienststelle beispielsweise ein Angriff auf eine minderjährige Person gemeldet, werden zunächst erste Aussagen in einem Basisprotokoll mit den nötigsten Informationen erfasst, bevor umgehend die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird. Anschließend werden die Beamten der „Protection de la jeunesse et infractions à caractère sexuel“ der Kriminalpolizei mit den weiterführenden Ermittlungen befasst.

Ein volljähriges Opfer hingegen wird von einem Beamten in der Dienststelle empfangen, der dann die ersten Aussagen mit dem nötigen Feingefühl entgegennimmt. „Und dann auch den Umständen entsprechend erste Maßnahmen einleitet“, ergänzt der Polizeisprecher. „Zum Beispiel eine Fahndung einleiten, sollte der mutmaßliche Täter geflüchtet sein, oder den Tatort und die Beweise sichern.“ Anschließend werde auch in diesem Fall die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. „Diese entscheidet dann je nach Art der Straftat, welche Abteilung die Ermittlungen leitet und wie die weitere Vorgehensweise aussieht.“

Wichtig sei auch die Zeitspanne, die seit dem Angriff vergangen sei. „In diesen heiklen Fällen hängen die Ermittlungsmaßnahmen ganz davon ab, ob die mögliche Straftat zeitnah erfolgt ist, oder ob bereits eine gewisse Zeit verstrichen ist“, so der Sprecher. Prinzipiell aber gilt: „Jede Polizeidienststelle kann mit einem Sexualdelikt befasst werden oder eine entsprechende Anzeige entgegennehmen.“