Philippe Ernzer erklärt, warum es so lange so heiß ist – und wie lange noch

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Mehr als 44.000 Abonnenten verfolgen die Wetterprognosen von „Météo Boulaide“ auf Facebook. Das Tageblatt hat sich mit Philippe Ernzer (20), dem Kopf hinter der Seite, über die aktuelle Hitzewelle und die Wetteraussichten für die kommenden Tage unterhalten.

Von Armand Hoffmann

Tageblatt: Wie unterscheidet sich die diesjährige Hitzewelle mit jenen von anderen Jahren?

Philippe Ernzer: Die Hitzewelle oder mittlerweile eher Hitzewellen unterscheiden sich nicht großartig von jenen aus den vergangenen Jahren. Lediglich die Dauer verändert sich. Diese wird durch die Position sowie die Lebensdauer des Hochdruckgebietes bestimmt, das über uns liegt. Der Unterschied zu den vergangenen Jahren: 2018 hat sich die Großwetterlage über eine anormal lange Zeit nicht verändert. Es ist das gleiche Phänomen wie bei den Überschwemmungen im Mai und Juni. Nur durch die unveränderte Großwetterlage hatten wir es täglich mit der gleichen Situation zu tun. Es war feuchtwarm und es gab immer wieder kleine Bodentiefdruckgebiete sowie Konvergenzen, die örtliche, aber sehr heftige Gewitter entstehen ließen. Aufgrund des langsamen Hochwindes fielen enorme Wassermassen vom Himmel, da sich die Zellen nicht bewegten.

Momentan herrschen wieder ähnliche Bedingungen – aber so, dass die Hochdruckgebiete die Überhand haben. So werden jedes Mal aufs Neue warme bzw. extrem warme Luftmassen aus dem Süden in unsere Richtung gedrückt. In Portugal werden für dieses Wochenende Temperaturen um die 50 Grad erwartet.

Weshalb dauert die Großwetterlage dieses Jahr so lange?

Das liegt am Jetstream. Das ist ein starker Windstrom, der acht bis zwölf Kilometer über der Erdoberfläche mit Geschwindigkeiten von 200 bis 500 km/h blasen kann. Druckgebiete ziehen sozusagen mit dem Jetstream mit. In einem x-beliebigen Gebiet kommt es so wiederholt zu unterschiedlich wechselnden Großwetterlagen. Sobald es über ein paar Tage lang richtig warm war, dauert es meistens nicht lange, bis eine Kaltfront durchzieht und sich das Wetter schnell ändert.

Dieses Jahr ist das nicht so, weil sich der Jetstream verändert hat. Er bewegt sich normalerweise in kleinen Wellen, sodass es, wenn die Druckgebiete überhandnehmen, regelmäßige Wechsel gibt. Dieses Jahr sind die Wellen des Jetstream jedoch erheblich breiter. Durch die Größe bewegen sie sich nur noch minimal weiter. So kann es sein, dass über Wochen oder gar Monate das gleiche Klima an einem Ort herrscht. Der Wechsel von Großwetterlage und Hoch- oder Tiefdruckgewittern bleibt über lange Zeit über einer Region hängen. Mit der Hitze kommt dann auch die Dürre.

Wie entsteht eine Hitzewelle?

Damit eine Hitzewelle entsteht, muss die Druckverteilung günstig sein. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sich über Ost- oder Mitteleuropa ein starkes und großflächiges Hochdruckgebiet ausbreitet und zum Beispiel über dem Atlantik ein Tief. Tiefdruckgebiete drehen sich gegen den Uhrzeigersinn, Hochdruckgebiete mit ihm. Dadurch greifen die unterschiedlichen Druckgebiete ineinander. So werden warme Luftmassen in unsere Gegend geblasen. Man spricht allerdings erst von einer Hitzewelle, wenn die Temperaturen in einer Höhe von zwei Metern über dem Boden für mindestens drei Tage die 30-Grad-Marke übertroffen haben.

Kann man eine Hitzewelle vorhersehen?

Eine Hitzewelle kann man je nach Wetterlage drei bis sieben Tage im Voraus auf den Wetterkarten erkennen. Was man jedoch nicht vorhersagen kann: die Dauer und die Folgen.

Ab wann kann man sich auf die Wettervorhersagen verlassen?

Genaue Vorhersagen können nur bis zu drei Tage im Voraus ausgearbeitet werden. Solche in einem früheren Zeitraum fallen ungenau aus. Trendprognosen können schon Wochen zuvor gemacht werden. Hierbei handelt es sich allerdings weniger um eine Prognose, sondern eher um eine Einschätzung.

Wie fallen die Prognosen für die kommenden Tage aus?

Heute bleibt es weiterhin warm. Vor allem im Süden des Landes können Spitzentemperaturen von rund 35 Grad erreicht werden. Morgen kühlt es deutlich ab. Die Temperaturen bleiben aber mit 27-32 Grad weiterhin hochsommerlich. Durch den Vorstoß von neuen, extrem warmen Luftmassen wird es ab Montag wieder deutlich wärmer. Bis Mittwoch rechne ich mit Höchstwerten zwischen 30 und 37 Grad.

Wie lange hält die Hitzewelle noch an?

Mitte nächster Woche wird die Hitzewelle womöglich enden. Spätestens Donnerstag wird die Hitze mit einer Kaltfront in östliche Richtung drängen. Die Temperaturen könnten dann auf bis zu 18 Grad fallen und die Wahrscheinlichkeit der Niederschläge steigt an.


Mehr als nur ein Hobby

Philippe Ernzer betreibt „Météo Boulaide“ seit 2009. Seine Daten werden mit eigenen Messstationen aufgezeichnet und analysiert. Als Hobbys gibt Ernzer auf Facebook mitunter Informatik und Meteorologie an, auch wenn er zugeben muss, dass „Météo Boulaide“ mittlerweile mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung für ihn ist. 2014 und 2015 wurde Ernzer von RTL-Zuhörern bei der Wahl zum Luxemburger der Jahres auf den zweiten Platz gewählt.


348 Sonnenstunden im Juli

Meteolux meldet einen neuen Rekord: 348 Sonnenstunden im Juli. Das ist der Höchstwert seit Beginn der Aufzeichnungen auf Findel 1947. Damit wurden die 345,5 Sonnenstunden, die im Juli 2006 gemessen wurden, noch übertroffen.

Zu dieser Vielzahl an Sonnenstunden kommt auch noch eine hohe Durchschnittstemperatur. 22,1Grad sind ein erhöhter, aber kein außergewöhnlicher Wert. Der Juli 2006 hält hier mit 23,5Grad den Rekord.

Was die Höchsttemperatur an einem einzigen Tag an belangt, liegen die am 26. Juli 2018 gemessenen 34,7Grad doch deutlich unter dem absoluten Höchstwert von 36,1°C, der am 4. Juli 2015 registriert wurde.

In Bezug auf die Niederschlagsmenge reiht sich der diesjährige Juli in die fünf trockensten Juli-Monate seit Beginn der Aufzeichnungen ein. Nur 14,3 l/m 3 sind aber noch weit vom Tiefstwert entfernt. Dieser liegt bei lediglich 2,2 l/m 3 , die im Juli 1999 gemessen wurden.

Die Hitzewelle vom Juli charakterisiert sich allerdings eher durch die lange Dauer als durch hohe Temperaturen.

Seit dem 13. Juli stieg die Höchsttemperatur des Tages an 19 aufeinander folgenden Tagen immer auf mindestens 25Grad an. Des Weiteren lag im Zeitraum vom 1. Juni bis 31. Juli die Tageshöchsttemperatur 40 Mal bei 25Grad oder mehr. Das bedeutet, dass der Sommer 2018 zu den zehn mit der Höchstzahl an Tagen mit einer Tageshöchsttemperatur von mindestens 25Grad gehört. Der Rekord liegt hier beim Sommer 2003 mit 56 Tagen am Stück. pb

1,5 Liter Wasser am Tag sind Pflicht

Aufgrund der Meteolux-Wettervorhersagen von Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke in den nächsten Tagen hat die Direktion des Gesundheitsministeriums die Warnstufe Orange des Hitzewellenplans ausgerufen. Senioren und Patienten, die im Kader des Wärmewellen-Plans auf der Liste des Roten Kreuzes stehen und nicht von Dienstleistungen der Versicherung profitieren, wird somit regelmäßig ein Besuch abgestattet. Aufgrund der Hitzebestimmungen des Abkommens mit der Copas wird ein Pfleger nach ihnen sehen. Das Rote Kreuz stellt zusammen mit der Copas ausreichend professionell ausgebildete Pflegekräfte zur Verfügung, die im Rahmen des Hitzewellen-Plans benötigt werden. Die Betreuer sind vorbereitet, um einen möglichst reibungslosen Ablauf des Plans zu garantieren.

Personen im Alter von über 75 Jahren, die alleine oder mit einer invaliden Person leben, von der Autonomie her eingeschränkt sind, kaum Menschen um sich haben und keine Hilfe von der Versicherung bekommen, können sich hier einschreiben, um von Krankenpflegern besucht zu werden, die dann sicherstellen, dass die Betroffenen genug Wasser zu sich nehmen.

Bei starken Hitzewellen wird Folgendes empfohlen: Wenn Sie in Ihrem Umfeld eine ältere oder kranke Person kennen, die alleine lebt, sollten Sie diese täglich besuchen, um sicherzustellen, dass sie genügend Wasser zu sich nimmt. Vergewissern Sie sich, dass die Person mindestens 1,5 l Wasser am Tag trinkt und sich während mehreren Stunden tagsüber an kühlen Orten oder im Schatten verbringt. Schließen Sie während des Tages die Fenster und lassen Sie die Rollläden herunter. Vergewissern Sie sich, dass die Betroffenen regelmäßig duschen und/oder baden.

Betroffene Personen können ebenfalls die Telefonzentrale des Roten Kreuzes kontaktieren (Telefonnummer: 27 55) oder sich an die Sanitärinspektion der Direktion des Gesundheitsministeriums (Telefonnummer: 247-85650) wenden, um weitere Informationen zu erhalten. pb

roger wohlfart
4. August 2018 - 18.21

Umgekehrt geht Auch. Man braucht nur etwas Zeit.

Till
4. August 2018 - 16.07

Wenn man lange genug nach Osten geht kommt man da nicht in den Westen?

roger wohlfart
4. August 2018 - 14.32

Philippe Ernzer und Météo Boulaide geben die hierzulande zuverlässigsten Wetterprognosen ab. Da kann man getrost auf RTL Télé Lëtzebuerg verzichten, vor allem auf die Ansagerinnen, die ein Hoch nicht von einem Tief unterscheiden können und Osten mit Westen verwechseln! Eine Zumutung.