„Pedro der Hübsche“ hofft auf ein Wahlwunder: Premier Sánchez haucht Sozialisten neue Hoffnung ein

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Der 47-jährige Sozialist Pedro Sánchez war schon öfter für Überraschungen gut. Der bisher letzte große Coup des begeisterten Basketballfans war die Entmachtung des konservativen Regierungschefs Mariano Rajoy Ende Mai 2018.

Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze

Damals katapultierte er Rajoy, der trotz zahlreicher Korruptionsaffären in der Parteispitze nicht zurücktreten wollte, per Misstrauensantrag aus dem Amt. Dadurch wurde der damalige Oppositionsführer Sánchez, der mit 21 in die Sozialistische Arbeiterpartei eintrat, ganz ohne Parlamentswahl zum neuen Ministerpräsidenten Spaniens.

Kaum im Amt sorgte der verheiratete Vater zweier Töchter schon wieder für Staunen: Er stellte ein feministisches Kabinett mit elf Ministerinnen und sechs Ministern vor – das weiblichste Kabinett Europas. Ein klares Zeichen an die Spanierinnen, die sich immer noch bitter darüber beklagen, dass sie in einer Macho-Gesellschaft leben. Umfragen zufolge hat Sánchez viele weibliche Fans, was aber möglicherweise auch mit seinem adretten und sportlichen Aussehen zusammenhängt, das ihm den Beinamen „Pedro der Hübsche“ einbrachte.

Verräter oder Vorreiter?

Ob ihm dieser Ruf bei der Wahl am morgigen Sonntag hilft, um sein Regierungsamt zu verteidigen, steht auf einem anderen Blatt. Denn in diesem Wahlkampf standen weniger feministische Themen, sondern vor allem der Unabhängigkeitskonflikt in Katalonien im Vordergrund. Eine Krise, die nicht nur in der katalanischen Region, sondern in ganz Spanien Zwietracht sät.

Sánchez trat für Gespräche mit den katalanischen Separatisten ein, die weiterhin einen eigenen Staat anstreben. „Eine politische Krise erfordert eine politische Lösung“, sagte Sánchez, der sich mit diesem Bekenntnis von der Unnachgiebigkeit seines Vorgängers Rajoy abhob. Die konservative Opposition schäumt deswegen und wirft Sánchez vor, mit seiner Dialogbereitschaft Spaniens Einheit aufs Spiel zu setzen und ein Vaterlandsverräter zu sein.

Im progressiven Lager erntete Sánchez derweil für seine mutige Katalonienpolitik Beifall. Wohl auch deswegen können Sánchez’ Sozialisten, die in der letzten Wahl in 2016 mit 23 Prozent ein schlechtes Ergebnis einfuhren, wieder Hoffnung schöpfen.
Die Umfragen trauen ihm am Sonntag immerhin rund 30 Prozent der Stimmen zu – das wäre ein Erfolg in Zeiten, in denen die Sozialdemokraten in vielen Ländern Europas Zustimmung verlieren.

Eingeschränkte Koalitionsmöglichkeiten

Doch auch mit diesem positiven Ergebnis müsste sich Sánchez erneut Partner suchen, um eine Mehrheit im Parlament zu haben. Dafür kommen nach derzeitigem Stand nur die linksalternative Partei Podemos (Wir können) und die kleinen Regionalparteien aus dem Baskenland sowie Katalonien infrage. Also eine Neuauflage jener Wackelkonstellation, die im Februar nach achteinhalb Monaten scheiterte, was die jetzige Neuwahl zur Folge hatte.

Dass der in Madrid geborene Wirtschaftswissenschaftler und überzeugte Europäer überhaupt mit seiner schwachen Minderheitsregierung so lange durchhielt, war übrigens eine weitere Überraschung: Seine Partei hält derzeit nur 85 der insgesamt 350 Parlamentsmandate – deswegen wurden ihm bei der Machtübernahme im Juni 2018 keine großen Chancen eingeräumt, überhaupt regieren zu können. Trotzdem ging es eine Zeit lang halbwegs gut, bis im Februar 2019 über den Haushalt abgestimmt wurde, den die katalanischen Separatistenparteien durchfallen ließen. Ohne Haushalt lässt sich nicht regieren, damit war Sánchez Regierungszeit zunächst beendet.

Übrigens, sollte es der 1,90 Meter große Sánchez nicht schaffen, am Sonntag sein Amt zu verteidigen, dürfte sich sein Beiname „Pedro der Hübsche“ in „Pedro der Kurze“ ändern. Denn dann wäre er mit seiner nicht einmal ein Jahr dauernden Regierungszeit jener spanische Ministerpräsident, der am kürzesten im Amt war.