Parteiübergreifend und einstimmig: Der lange Einsatz für die Dippacher Umgehungsstraße

Parteiübergreifend und einstimmig: Der lange Einsatz für die Dippacher Umgehungsstraße

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Seit 30 Jahren gibt es den inständigen Wunsch nach einer Umgehung für die Südgemeinde. Seit 2002 verabschiedet der Gemeinderat einstimmig Resolutionen zum Thema – egal, wer gerade Bürgermeister ist. Getan hat sich bis jetzt nichts. Seit den letzten Lokalwahlen kommt zusätzlicher Druck in die Sache über eine Bürgerinitiative, die zwei Sitze im Gemeinderat hat. Die Stimmung bei den Sitzungen ist hitzig bis aufgebracht.

Gute zehn Minuten braucht ein Autofahrer, um von Dippach in die „Stad“ zu kommen – bei fließendem Verkehr. Genauer gesagt von Schouweiler aus, dem am westlichsten gelegenen Dorf der Gemeinde. Viele nutzen diesen Weg zwischen Bascharage und der Stadt und umgekehrt.

Die Hauptstadt bietet nach wie vor die meisten Arbeitsplätze, das Angebot wird systematisch weiter ausbaut. Für Dippach bedeutet das 15.000-18.000 Pkws täglich zu den Stoßzeiten entlang der Hauptstraße, wie es ältere Studien besagen. Realistisch sind wohl rund 20.000 Pkws mittlerweile. „Um halb sieben morgens brauche ich eine Viertelstunde für 1.000 Meter“, sagt CSV-Rat Carlo Neu, der zusammen mit dem ehemaligen CSV-Bürgermeister Claude Bosseler derzeit im Gemeinderat die Oppositionsbank drückt. Er hat einen Firmenwagen und ist beruflich darauf angewiesen. „Es wird viel in ‚mobilité douce‘ investiert, das wissen wir“, sagt er, „das löst aber nicht das Problem. Es wird immer eine Klientel, geben, die auf das Auto angewiesen ist.“

Hinzu kommt die Tatsache, dass Dippach zusätzlich Schnittstelle für den Verkehr in Richtung Norden nach Mersch via Mamer ist. Die Gemeinde ist also doppelt belastet. Paradox daran ist: Die aktuell rund 4.200 Einwohner zählende Kommune mit den vier Ortschaften gehört auf der Metaebene der Landesplanung zur „grünen Lunge“ im Süden des Landes, heißt es aus dem Rathaus.

Zudem will die Landgemeinde ihren „ruralen“ Charakter unter allen Umständen schützen. Auch das beteuern alle im Gemeinderat vertretenen Parteien. CSV-Rat Neu wird in ein paar Jahren, wenn die Umgehungsstraße von Käerjeng fertig ist, vielleicht noch länger mit dem Pkw brauchen. Auch damit rechnen alle im Gemeinderat.

Geschätzte 3.000 Pkws mehr bringt die Umgehung von Käerjeng, die vor Schouweiler endet, wenn sie fertig ist. Noch einmal geschätzte 3.000 Pkws mehr bringt das „natürliche“ Wachstum in den Gemeinden. Insgesamt sind das 6.000 Pkws mehr – täglich. „Dann geht hier gar nichts mehr“, sagt Sven Schaul, dessen Bürgerliste es bei den Kommunalwahlen 2017 mit dem Hauptthema „Contournement für Dippach“ auf Anhieb auf 17,8 Prozent geschafft hat. Das macht seitdem zwei Sitze im Gemeinderat, der blau-rot regiert wird.
„Unsägliche Verkehrssituation“ befinden auch die Räte der anderen Parteien. Unter der DP-LSAP-Koalition ist gerade erst wieder eine Resolution zum Thema einstimmig verabschiedet worden. Es ist die siebte „Pro Contournement“ seit 2002.

Warum hat Käerjeng Priorität?

Bei der ersten hieß der Bürgermeister noch Claude Bosseler (CSV). Er und seine Kollegen im Gemeinderat hatten zuvor die 2003 ins Spiel gebrachte „Südvariante“ entlang der Eisenbahnlinie verworfen. Die Befürchtung, diese Trasse spalte die Gemeinde in zwei Teile, wog zu schwer.

Seit 2004 fordert die Gemeinde eine „Nordvariante“ und macht in den jeweiligen Schreiben indirekt ihrem Ärger Luft, dass Bascharage in puncto Umgehung bevorzugt wurde. Das ist zwischen den Zeilen der Resolutionen, die der Redaktion vorliegen und die parteiübergreifend einstimmig angenommen wurden, zu lesen.

Die Käerjenger Priorität hat einen Grund: Dort waren die Abgaswerte innerhalb der Ortschaft wegen der Bebauung zu hoch.

Es bestand akuter Handlungsbedarf. „Unsere Werte sind einfach nicht schlecht genug“, bestätigt LSAP-Bürgermeisterin Manon Bei, „deshalb besteht juristisch kein Zwang, die Straße zu bauen.“ Bei-Roller wird nicht müde, zu betonen, man tue seitens der Gemeinde alles, dass die Umgehung kommt.

Der Ball liegt aus ihrer Sicht aber – und nicht nur aus ihrer – jetzt woanders. „Hier ist der Staat gefordert“, sagt Max Hahn (DP), Erster Schöffe und Deputierter, „wenn das ein Gemeindeprojekt wäre, wäre die Umgehung schon lange fertig“.

Bestätigt sieht er das in der Tatsache, dass die Abgeordneten noch vor der Sommerpause eine Motion angenommen haben, die zwei möglichen Varianten endlich konkret auszuarbeiten – egal wie die Wahlen ausgehen. Das bestätigt das Transportministerium. „Im Idealfall sollten die Bagger die Umgehung Käerjeng fertigstellen und bei uns gleich weitermachen“, spricht CSV-Rat Neu laut aus, was sich alle wünschen.

Das wäre dann laut Transportministerium in den Jahren 2022/23, wie die Behörde auf Anfrage des Tageblatt mitteilt. Dann soll Käerjeng fertig sein.

Hinzu kommt: Umgehungen sind teuer und müssen finanziert werden. „Wir sind ja nicht die einzigen, die eine Umgehung haben wollen“, sagt CSV-Rat Neu. Das stimmt. Untätigkeit kann man dem Transportministerium nicht vorwerfen – allenfalls andere Prioritäten. 69 Millionen Euro hat die Administration Bausch („déi gréng“) seit ihrem Amtsantritt bisher für Umgehungen ausgegeben. Damit sind die fertigen Trassen in Differdingen und in Junglinster gemeint. Beschlossen, aber noch nicht gebaut sind Käerjeng mit 139 Millionen Euro und Dippach-Gare mit 17,5 Millionen.

 

Insgesamt sind das dann stolze 225 Millionen Euro. Das sind die Umgehungen, deren Kosten feststehen. Im Falle Echternach und Hosingen sind sie noch unklar. Dippach steht nicht auf der Prioritätenliste. Für die Südgemeinde sind laut Ministerium nur Varianten „angedacht“. Dort wird auch die Befürchtung nicht geteilt, es käme durch die Umgehung Käerjeng zu noch mehr Verkehr.

Im Gegenteil: Das zuständige Ministerium beruft sich auf den massiven Ausbau der „mobilité douce“ bis 2025. Im Falle Dippach bedeutet das: 5.000 Parkplätze insgesamt sollen durch P+R in Rodange, Bascharage und Longwy entstehen, die Linien 215 und 216 sollen durch Elektrobusse bedient werden. Das alles entlaste den Spitzenverkehr in der Südgemeinde „erheblich“, argumentiert das Ministerium.

Bewiesen ist das nicht. Und den Gemeinderat wird das Thema weiter kontrovers beschäftigen.

Das sagt die Bürgerinitiative

Sven Schaul, der zusammen mit seinem Bürgerinitiative-Kollegen Romain Scheuren im Gemeinderat sitzt, unterstellt schlichtweg mangelnden politischen Willen. „Wie kommt es, dass Hosingen eine Umgehung bekommt und wir nicht?“, fragt er. In seinen Augen wiegt das umso schwerer, weil Dippach einen DP-Abgeordneten im Parlament sitzen hat und die Bürgermeisterin für die LSAP bei den kommenden Wahlen antritt.

Schaul sieht im Übrigen den Ball nicht bei der Regierung, sondern bei der Gemeinde. „Wir hätten gerne eine Kommission ins Leben gerufen, die die Nordvariante vorantreibt“, sagt Schaul, „nur wenn die Gemeinde Vorarbeiten leistet, kommen wir vorwärts“. Er schließt auch juristischen Druck nicht aus. „Von Dippach würde heute keiner reden, wenn Käerjeng die Umgehung nicht zugestanden bekommen hätte“, sagt er. Schaul, von Beruf Anwalt und ohne eine Parteizugehörigkeit, hätte gerne gegen die Entscheidung für Käerjeng „Recours administrativ“ eingelegt und das Vorhaben gestoppt, um Dippach neu zu verhandeln.

Käerjeng ja, aber nicht ohne Dippach“, heißt seine Überlegung. Durchgekommen ist er im Gemeinderat damit nicht und die Frist dafür ist abgelaufen. Der Verkehr rollt indessen ungehindert weiter durch den Ort.