„Nur zwei Prozent Selbstversorgung“: Marktverbands-Chef Niki Kirsch zur Lage der Luxemburger Gärtner

„Nur zwei Prozent Selbstversorgung“: Marktverbands-Chef Niki Kirsch zur Lage der Luxemburger Gärtner

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Gemüsegärtner haben keinen leichten Stand. Über Probleme und Herausforderungen der Branche sprach der Präsident des luxemburgischen Marktverbandes, Niki Kirsch, im Tageblatt-Interview.

Von André Feller

Die Aktionen des Verbands

Der „Lëtzebuerger Maarteverband“ plant in diesem Jahr sechs größere Aktionen: An Ostern werden 10.000 Ostereier an die Marktkunden verteilt. Am Muttertag schenken die Markthändler den Müttern Pralinen. Im Sommer findet erneut das traditionelle „Kachen um Maart“ mit Carlo Sauber auf dem Knuedler statt. Im Herbst lädt der „Lëtzebuerger Maarteverband“ während den Wochenmärkten zur „Rentrée“ mit Kaffee und Croissants ein. Im Herbst findet zudem die „Journée des notabilités“ statt, während der Minister, Abgeordnete, Bürgermeister und andere Persönlichkeiten zur Abwechslung mal hinter dem Tresen stehen und die Ware verkaufen. Der Erlös geht an die „Fondatioun kriibskrank Kanner“. Außerdem verteilt der Verband im Oktober kostenlos Äpfel an die Kundschaft auf dem Markt in der Haupt stadt. A.F.

Die „Lëtzebuerger Maarteverband Asbl.“ setzt sich aus rund 50 Produzenten und Markthändlern zusammen, deren Anliegen die Vereinigung vertritt. Arbeit gibt es genug, denn quer durch das ganze Land werden zwölf Wochenmärkte von Gemeinden organisiert. In Zusammenarbeit mit dem Textilhandel, den Flohmarkthändlern und der Stadt Luxemburg organisiert der Marktverband zudem den „Glacismaart“ in der Hauptstadt.

Die Märkte erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Händler und Produzenten bemühen sich, hochwertige Lebensmittel zu liefern, und die Kunden schätzen den direkten Kontakt zum Verkäufer und Hersteller und vor allem deren fachmännische Ratschläge. Bis es zum Kontakt mit dem Kunden kommt, ist aber bereits harte Arbeit, die mit hohen Kosten verbunden ist, angesagt. Ein Grund, wieso immer weniger junge Gemüsegärtner den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Das weiß auch der langjährige Präsident des Marktverbandes Niki Kirsch.

Tageblatt: Als Gemüseproduzent sind Sie von den Klimabedingungen abhängig. Wie sah die Bilanz des vergangenen Jahres aus?
Niki Kirsch: Wir hatten eine langandauernde Trockenperiode, die sich bis in den Sommer hineinzog. Zudem stiegen die Temperaturen auf Rekordwerte an. Die Hitze ist für uns Gemüsebauern und überhaupt für die Landwirtschaft ein Feind.

Wie sieht der Plan B bei solchen Klimaverhältnissen aus?
Wir müssen unser Gemüse ständig wässern. Unser Unternehmen verfügt über einen 3.000-Kubikmeter-Tank mit Regenwasser. Doch der kann schnell leer sein. Wir hoffen dieses Jahr auf bessere Bedingungen, es fehlt jetzt schon an Wasser, unsere Reserve ist zu knapp zwei Dritteln gefüllt.

Das heißt, Gemüsegärtner müssen unter Umständen auf Trinkwasser zurückgreifen?
Ja, es bleibt uns keine andere Wahl. Die Bewässerung treibt die Preise in die Höhe. Aufgrund einer europäischen Richtlinie muss der Wasser- und Abwasserpreis kostendeckend sein. Das gilt für die gesamte Landwirtschaft, somit ebenfalls für uns Gemüseproduzenten. Je nach Gemeinde belaufen sich die Preise auf 1,5 bis 4,5 Euro pro Kubikmeter Wasser. Dann kommt noch die Kanaltaxe hinzu.

Obwohl Sie das Wasser ausschließlich für die Bewässerung nutzen, müssen Sie trotzdem eine Abwassergebühr zahlen?
Das ist immer eine Entscheidung zwischen Schöffenrat und Landwirten bzw. Gemüseproduzenten. Einige Gemeinden sind einsichtig und verrechnen die Abwassergebühren nicht. Andere Gemeinden wiederum stellen sich stur und machen keine Ausnahme.

Gibt es keine einheitliche Regelung für den gesamten landwirtschaftlichen Sektor?
Leider nein. Seinerzeit wollte Jean-Claude Juncker als ehemaliger Staatsminister einen landesweiten einheitlichen Wasserpreis einführen. Er scheiterte jedoch mit seinem Vorhaben. Die aktuelle Regierung hat sich diese Idee ins Koalitionsabkommen geschrieben. Ob es klappt, ist eine andere Frage. Soweit ich informiert bin, ist Landwirtschaftsminister Romain Schneider dabei, eine Lösung für den Sektor auszuarbeiten.

Wie hoch fällt die Produktion aus?
Beim Obst- und Gemüseanbau erreichen wir eine Selbstversorgungsquote von 2 Prozent. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 98 Prozent der Rohkost aus dem Ausland importiert werden. Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei den Markthändlern ab. 75 Prozent sind reine Händler, nur 25 Prozent sind Produzenten und Händler.

Wo liegen die Ursachen?
Die Ursache muss man auf der Kostenseite suchen. Einerseits sind die Löhne und Lebensbedingungen in Luxemburg sehr hoch, andererseits muss man als selbstständiger Gemüsegärtner mehr als 60 Stunden wöchentlich arbeiten. Wenn wir dann noch unter ungünstigen klimatischen Bedingungen leiden, bleibt aufgrund von Wasser- oder Energiekosten (bei langen Wintern, Anm.d.Red.) kaum noch was übrig. Unser Beruf muss man mit Leib und Seele ausführen, da darf man nicht auf die Uhr schauen und Arbeitsstunden zählen.

Wie könnte man den Gemüseanbau in Luxemburg fördern und junge Menschen motivieren?
Sicherlich müsste es einen finanziellen Anreiz geben. Viel Spielraum in puncto Subsidien besteht jedoch nicht. Diese sind europaweit geregelt und betreffen vorwiegend die Investitionen in den Anlagenbau und in Maschinen. Unsere Regierung kann da kaum im Alleingang handeln. Obwohl viele junge Menschen die Gärtnerberufe erlernen, gehen viele von ihnen unserem Berufsstand verloren. Sie entscheiden sich für den Öffentlichen Dienst.


EXTRA

Schneider setzt auf Zusammenarbeit

Die Regierung plant eine Diversifizierung der Landwirtschaft und den Ausbau der Biolandwirtschaft. Für den zuständigen Minister Romain Schneider steht aber fest, dass sein Ministerium die Probleme der Landwirtschaft nicht alleine lösen kann, dafür müsse man andere Ministerien, wie das Arbeits- oder das Umweltministerium, und die Gemeinden mit ins Boot holen. Die Landwirtschaft hat unter anderem mit hohen Produktionskosten zu kämpfen. Außerdem ist man in diesem Sektor sowohl auf qualifiziertes als auch auf unqualifiziertes Personal angewiesen. In der Landwirtschaft wechseln sich arbeitsintensive Perioden mit weniger arbeitsintensiven Zeiten ab. Da könne das Gesetzesprojekt des Arbeitsministeriums mit den Zeitsparkonten im Privatsektor den Landwirten entgegenkommen.

Betreffend den Wasserpreis sieht das Regierungsprogramm eine Harmonisierung vor. „Allerdings“, so Romain Schneider, „muss dies in Zusammenarbeit mit den Gemeinden sowie dem Wasserwirtschaftsamt geschehen; Trinkwasser ist eine kommunale Angelegenheit. Es geht aber nicht nur um den spezifischen Wasserpreis für die Landwirtschaft, sondern auch um die Möglichkeit, neue Wasserquellen für die Bedürfnisse der Landwirtschaft und spezifisch für den Garten- und Gemüsebau zu untersuchen und zu erschließen.“