Vom Arbeiter in Luxemburg zum Multi-Unternehmer: Im Gespräch mit Norbert Friob

Vom Arbeiter in Luxemburg zum Multi-Unternehmer: Im Gespräch mit Norbert Friob

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Mehr als 60 Unternehmen hat Norbert Friob bereits gegründet. Dazu zählen Prefalux, Matériaux Clément, Hela und das Geschäfts- zentrum Laangwiss. Im Rahmen der Vorstellung eines Buches über sein Lebenswerk hat er sich mit Christian Muller unterhalten.

Tageblatt: Seit Jahren setzen Sie sich für Unternehmergeist und Start-ups ein. Auch mit Ihrem Buch wollen Sie den Bereich fördern. Ist Ihre Geschichte nachahmbar?
Norbert Friob: Es gibt andere, die viel besser gearbeitet haben als ich. Was ich getan habe, finden einige ganz gut. Verglichen mit einem Jeff Bezos (Anm. d. Red., Gründer von Amazon) ist es aber ganz bescheiden. Und auch davon gab es schon mehrere. Auch François Pinault, zu dessen Konzern heute die Marke Gucci zählt, hat mit einem kleinen Holzhandelsunternehmen begonnen. Seine Geschichte habe ich immer mit Interesse verfolgt. Ich wurde aber oft gefragt, meine Erfahrungen zu Papier zu bringen.

Ich bin bereits seit vielen Jahren im Bereich der Förderung des Unternehmergeists tätig. Das begann, als wir im Rahmen der „Fédération des jeunes dirigeants“ (FJD, 1984-85 war er ihr Präsident, Anm. d. Red.) nach Auswegen aus der immer noch nicht ganz überwundenen Stahlkrise gesucht hatten. Wir wollten nicht weinen, sondern innovieren, exportieren und neue Firmen gründen.

Hier in Junglinster fand ich einen Lehrer mit einer Klasse für ein Pilot-Projekt. Ich trat vor die Klasse, um von Unternehmertum zu reden. Die Schüler waren begeistert. Heute gibt es mehr als 500 Freiwillige, die in Schulen gehen – ich war der erste davon. Nie hätte ich mir diesen Erfolg vorstellen können.

NORBERT FRIOB:
Zur Person und seinem Buch

Der 1941 in Wolkrange, Belgien, geborene Norbert Friob hat in den vergangenen Jahrzehnten hierzulande rund 60 Unternehmen gegründet. Dazu zählen Prefalux, Matériaux Clément, Hela sowie das Geschäftszentrum Laangwiss. Etwa 600 neue Jobs sind mit den Firmen entstanden.

Gleichzeitig war und ist er ganz aktiv in Unternehmensverbänden, etwa als Ehrenpräsident der „Confédération luxembourgeoise du commerce“ (CLC), als ehemaliger Vizepräsident der Handelskammer, als Mitinitiator der „Union des entreprises luxembourgeoises“ (UEL) oder bei der Gründung der „Jonk Entrepreneuren Luxembourg asbl.“.

Ein Buch über sein Lebenswerk, seine Person und über seine Überzeugungen wurde vergangene Woche in Junglinster vorgestellt. Das Werk „Norbert Friob: tête-à-tête(s) avec un enthousiaste“ wurden von Anne-Claire Delval und Jean-Michel Gaudron, ehemaliger Chefredakteur des Magazins Paperjam, auf Französisch geschrieben.

Es ist das Zeugnis eines Selfmademan, der sein Wissen, seine Geschichte, seine Erfahrungen und seine Überzeugungen mit der Welt teilen will, unterstreichen die Autoren. Zu Wort kommen in dem nach Themen aufgegliederten 220 Seiten starken Werk auch Dritte, wie etwa Michel Wurth oder François Bausch.

Warum interessierten Sie sich gerade für Baumaterialien?
Es hätte auch etwas anderes sein können. Mein erster Job war mit einem Besen auf der Schmelz in Athus. Ich wurde in Belgien geboren. Als Soldat war ich in der technischen Abteilung. Danach fand ich 1963 bei Burroughs/Unisys in Luxemburg einen Job als Baustoffhändler. An den Wochenenden habe ich mich weitergebildet. Zwei Jahre später – nach meiner Heirat – wechselte ich zu einer Agentur für Bauprodukte von Alex Jacquemart. Ich sollte das entwickeln. Und es lief gut. Wieder zwei Jahre später wollte ich mich selbstständig machen. Alex Jacquemart erklärte mir jedoch, er habe gute Beziehungen – und wir wurden Partner. Ich habe Ingenieure eingestellt und wir haben den alten Cactus in Esch gebaut.

Wie kam es zur Gründung Ihres heutigen Flaggschiffs, Prefalux? Was war der
Trigger? Was war die Motivation?
Wir hatten einen Ingenieur eingestellt, aber uns fehlte noch ein ein Meistertitel. Den hatte unser Kunde und Zulieferer Arthur Nilles. Er war ein Erfolgsfaktor bei der Gründung von Prefalux 1972. Wir ergänzten uns. Seine Bedingung war, das Unternehmen in Junglinster zu gründen.

Sie wollten mehr Geld verdienen …
Etwas zu erschaffen, ist mehr wert als Geld. Was glauben Sie, wie glücklich ich war, als ich vor dem fertig gebauten alten Cactus in Esch stand? Etwas selber realisiert zu haben. Wem es nur ums Geld geht, der bringt sich auch nicht als Freiwilliger in Vereinigungen ein. Im Urlaub habe ich weiter gelernt. Und Bücher geschrieben.

… Bücher geschrieben?
„Parlons Commerce“: ein A-Z- Handbuch für den Handel. So etwas hatte ich immer gesucht, aber nie gefunden.

Was antworten Sie, wenn jemand behauptet: Um viel Geld zu verdienen, benötigt man viel Startkapital?
Das ist nicht wahr. Ich hatte auch kein Geld. Mit meinem ersten Verdienst hatte ich ein kleines Chalet in Simmern gekauft. Das habe ich dann selber renoviert und ausgebaut … und drei Jahre später für drei Millionen LUF verkauft. Mit einer Wohnung hatte ich das wiederholt. Die Kredite habe ich zurückbezahlt und dann wieder neue Schulden gemacht. Später, als ich mehr Kapital benötigte, ist die Familie Poeckes als Investor hinzugekommen.

Hatten Sie reiche Eltern?
Ganz und gar nicht. Mein Vater war Schmelzarbeiter, meine Mutter Hausfrau. Als ich zwölf war, ist mein Vater verstorben. Zuvor hatte er lange Zeit mit Lähmungen (Kriegsverletzungen als Soldat) zu kämpfen. Meine Mutter musste mehrere Monate lang mit vier Kindern und ohne Einkommen überstehen. Es war unklar, ob die Schmelz oder die belgische Armee die Rente zahlen müsste. Von meinen Eltern habe ich durchhalten und kämpfen gelernt.

Sie haben rund 60 Unternehmen gegründet. Danach ziehen Sie sich aus dem operativen Geschäft zurück. Sammeln Sie Unternehmen? Verkaufen Sie sie?
Einige wurden verkauft, wie zum Beispiel Hela. Das bedauere ich eigentlich, es war eine super Firma. Insgesamt war alles mit dabei. Von Kauf über Restrukturierung hin zu Zusammenschlüssen, Liquidationen, Verkäufen, Gründungen und Abspaltungen. Nur haben wir nie eine Firma pleitegehen lassen. Zulieferer wurden immer bezahlt. So etwas schafft Vertrauen bei den Geschäftspartnern.

Wie viele ihrer Projekte sind schiefgelaufen?
Das ist das wichtigste Kapitel im Buch: „Apprendre par l’erreur.“ Hier stelle ich 15 Fehler dar, die ich im Laufe der Jahre gemacht habe. Einmal hatten wir beispielsweise eine Gesellschaft mit drei Teilhabern … und einem unfähigen Manager. Prefalux übernahm schlussendlich die Aktivität – aber zwei Partner mussten die finanziellen Pflichten des dritten mit übernehmen, da der pleite war und seinen Anteil nicht bezahlte.

Was war die schwierigste Entscheidung, die Sie in Ihrer Unternehmer-Karriere zu treffen hatten?
Es gab viele schwierige Entscheidungen: eine z.B. bei der Firma Secher in Junglinster. Wir hatten Räumlichkeiten gebaut, die 100 Jahre stehen sollten. Doch bereits zwölf Jahre nach dem Bau mussten wir wieder alles abreißen lassen. Das tat weh.

Tut Luxemburg genug, um den Unternehmergeist und Start-ups zu fördern?
In den letzten Jahren ist viel passiert. Aber im Endeffekt reichen Rahmenbedingungen und finanzielle Hilfen nicht aus. Ein Unternehmer muss Mut haben und bereit sein, ein Risiko einzugehen. Alles hängt am Unternehmer.

Wie wäre es mit der Idee – wie in Schweden – einen „Congé sans solde“ für
Firmengründer einzuführen?
Das klingt gut – aber noch besser wäre es, wir würden den Firmengründern, im Falle eines Scheitern, ein Recht auf Arbeitslosengeld zugestehen. Das wäre eine Alternative. Denn auch wer Mut hat, braucht im Notfall einen Fallschirm. Das wäre noch einfacher als ein „Congé sans solde“.

Erlauben die Regeln und das Umfeld ein Scheitern – und das Lernen daraus?
Da haben wir hierzulande aktuell ein Problem. Manche Handwerker erhalten nach einer Pleite keine zweite Chance. Manche hätten sie aber verdient. Klar ist jedoch, dass dies nicht für Unternehmer zählen soll, deren Geschäftsmodell auf aufeinanderfolgende Pleiten aufgebaut ist.

Auf was sind Sie besonders stolz?
Einige schöne Firmengründungen habe ich hinter mir. Und auch meine Aktivität bei der FJD läuft weiter.

Und die Polarstation, die Prefalux für den Südpol gebaut hat, erwähnen Sie nicht?
Klar, sicher. Viel komplizierter war aber die Realisierung der Coque. Das war eine viel größere Herausforderung.

Sie haben das Gesicht von Junglinster, wo sie auch leben, verändert. Unter anderem das Geschäftszentrum Centre Laangwiss ist Ihr Kind …
Alles begann mit Prefalux. Laangwiss war der zweite große Schritt in Junglinster. Drei Hektar Land lagen damals seit sieben Jahren brach. Der Staat fand keine nicht-verschmutzenden Unternehmen, die sich hier niederlassen wollten. Ich versprach der Gemeinde, dass Prefalux in zehn Jahren 100 Arbeitsplätze schaffen würde (zwei Jahre später war es bereits so weit). Die Gemeinde bot uns dann das Land zum Kauf an.

Sind Sie zufrieden mit Ihrem Einfluss auf Junglinster?
Ja sicher, absolut. Junglinster war dabei, zu einer Schlafstadt zu verkommen, und wenn man heute sieht, wie viele Menschen täglich kommen! In Echternach heißt es, „Ihr in Junglinster habt etwas gemacht“. Ich muss aber zugeben, dass es nicht von alleine ging – und es die ewigen Neider und Bescheißer gibt. Es freut mich jedoch, dass auch die neuen Investoren, die den Standort Laangwiss weiter ausgebaut haben, den Namen beibehalten haben.

Haben Sie immer noch einen Traum?
Mein Traum ist, dass alles, was ich aufgebaut habe, auch ohne mich weiterlebt und sich weiterentwickelt.

Haben Sie schon einen Nachfolger?
Mein Sohn ist auch Unternehmer geworden. Aber er wollte sich nicht ins Bett des Vaters legen. Er hat seine eigene Aktivität (z.B. Habitat in Dommeldingen und Habitat Kids in Junglinster) entwickelt. Zudem ist er aktiv im Bereich Onlinehandel. Im Gegensatz zu mir hat er aber einen Vater im Rücken und kann somit mehr Risiken eingehen.

Was die Unternehmensgruppe FNP mit ihren aktuell rund 450 Mitarbeitern angeht, da ist Laurent Nilles seit nunmehr zwei Jahren Direktor. Er ist der Sohn meines mittlerweile verstorbenen Partners Arthur Nilles. Aus dem operativen Geschäft bei Prefalux habe ich mich aber bereits 1979 zurückgezogen. Sobald etwas stand, wendete ich mich dem nächsten Projekt zu.