„Nondikass!“: Warum die Opposition die Sache um das Polizeiregister nicht ruhen lässt

„Nondikass!“: Warum die Opposition die Sache um das Polizeiregister nicht ruhen lässt

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Das umstrittene Polizeiregister schlägt weiter hohe Wellen: Die Opposition gibt sich nicht zufrieden mit den Antworten der Regierung – und winkt mit einer parlamentarischen Untersuchungskommission.

Das Gespräch läuft bereits rund 40 Minuten. Er hat von seinem Masterabschluss in öffentlichem Recht erzählt, den er an der Freien Universität Brüssel abgeschlossen hat, von seinen ersten Erfahrungen in der Arbeitswelt im Außenministerium sowie seinen persönlichen Interessen. Es läuft eigentlich ganz gut, denkt sich Valentin Fürst, vielleicht klappt es ja endlich. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der 27-Jährige bereits über 100 Bewerbungen verschickt, um eine Stelle als Jurist im öffentlichen Dienst zu bekommen. Vergeblich. Zwar ist er zu rund 20 Vorstellungsgesprächen eingeladen worden, aber irgendwie konnte er nie überzeugen. Diesmal soll es anders sein.

Doch der Staatsanwalt wechselt auf einmal die Tonart und stellt ihm eine irritierende Frage: „Sidd Dir Client bei eis?“ Valentin Fürst (Foto) weiß nicht so recht, worauf die Frage abzielt: „Was meinen Sie?“ Der Staatsanwalt schlägt eine Akte auf und konfrontiert Fürst mit einer Straftat aus seiner Zeit als Student. Er sei dabei erwischt worden, wie er auf der Autobahn zwischen Metz und Straßburg deutlich das Tempolimit überschritten habe. Fürst will die Angelegenheit nicht leugnen, fragt sich aber, woher diese Information rührt und was sie zur Sache tut.

 

Der Staatsanwalt legt nach. Im Alter von 19 Jahren habe er einen Strafzettel wegen Beamtenbeleidigung erhalten. Und im Jahr 2014 sei er gar in eine Schlägerei in einer beliebten Diskothek in Luxemburg-Stadt verwickelt gewesen. Damit habe sich die Sache für die Staatsanwaltschaft erledigt, er entspreche nicht dem gewünschten Profil und könne gehen.

Valentin Fürst ist bis heute entsetzt über das Verhalten, das die Staatsanwaltschaft im September 2018 an den Tag legte. Dieser „erfahrene Jurist hat ohne Skrupel einfach aus dem geheimen Polizeiregister zitiert, wohlwissend, dass das illegal war“, so Fürst.
Der junge Jurist wollte den Vorfall erst vergessen und einfach weiterleben. Doch als im März 2019 sein befristeter Vertrag im Außenministerium auslief, stand er ohne Job da. Er beschloss, sich an einen Anwalt zu wenden: Maître Gaston Vogel.

Seither hat sich sein Fall zu einem Politikum entwickelt. Fürst ist sich dabei durchaus bewusst, dass er nun als „Persona non grata“ bei der Staatsanwaltschaft gilt und es das wohl war mit der Beamtenkarriere. Aber das sei ihm recht, er wolle Aufklärung. „Was sich in Luxemburg abspielt, ist ein Skandal. Und zwar auf so vielen Ebenen.“

Kein Einzelfall

Mittlerweile habe er rund ein Dutzend Schreiben erhalten, von Menschen, die ähnlich demütigende Erfahrungen mit einem unbekannten Polizeiregister machen mussten. Er wolle für diese Sache kämpfen und wenn nötig den Staat vor Gericht ziehen.
Tatsächlich liegen auch dem Tageblatt mehrere Fälle vor, in denen Bürger von ähnlichen Vorkommnissen berichten. Manche haben vergleichbare Erfahrung wie Valentin Fürst gemacht und sind bei Bewerbungsgesprächen für Verwaltungsstellen auf das Polizeiregister angesprochen worden. Andere sind bei Personalkontrollen der Polizei mit Angelegenheiten konfrontiert worden, die nie vor Gericht verhandelt wurden.

Die Minister François Bausch und Félix Braz („déi gréng“) geraten durch das Polizeiregister in Erklärungsnot

Die Geschichte um das Polizeiregister hat dabei mittlerweile gleich mehrere Dimensionen. Zum einen stellt sich die legale Frage. Gab und gibt es eine rechtliche Grundlage für die Führung einer solch umfangreichen personenbezogenen Datenbank? Und zum anderen: Wer hat(te) eigentlich Zugriff auf dieses Register? Kann es tatsächlich sein, dass das Abfragen von Daten im Polizeiregister über Jahrzehnte zur routinemäßigen Aufgabe von Angestellten von Staatsanwaltschaft, Polizei und Richtern gehörte? Hatte dieses Register ein Eigenleben bar jeder Kontrolle?

Die Regierung hat bisher wenig Anstrengungen unternommen, um Aufklärung zu liefern. Noch vor zwei Wochen hat sie auf eine parlamentarische Anfrage behauptet, dass es keine Datenbank gebe, in der strafrechtliche Informationen gespeichert seien, die sich nicht im Strafregister befinden.

Seiltanz der Regierung

Mittlerweile hat die Regierung diese Aussage jedoch revidiert. Mit einer Stellungnahme auf eine Anfrage der CSV-Abgeordneten Gilles Roth und Laurent Mosar bestätigte sie die Existenz einer solchen Datenbank. Sie sieht aber kein rechtliches Vergehen. Das Datenschutzgesetz von August 2018 habe den Umgang der Polizei mit personenbezogenen Daten neu geregelt. Sie will jedoch die Datenschutzkommission sowie die IGP mit Gutachten beauftragen und gegebenenfalls nachbessern.

Das Problem: Wie Recherchen des Tageblatt bereits zeigten, ist im Gesetz von 2018 die Existenz eines solchen Registers nicht vorgesehen. Nachdem die großherzogliche Verordnung von 1992 nach elfmaliger Verlängerung im Juni 2018 ausgelaufen ist, gilt das Polizeiregister als rechtswidrig. Zu diesem Schluss kommt auch der Abgeordnete Laurent Mosar. „Nondikass!“, so der CSV-Parlamentarier, „es gibt keine legale Basis.“ Er gibt sich wie die gesamte CSV-Fraktion nicht mit der Antwort der Regierung zufrieden und hat gleich mehrere Konterfragen an die Regierung gerichtet.

„Es stinkt“

Auch Marc Baum, Abgeordneter von „déi Lénk“, ist mit den bisherigen Antworten der Regierung nicht zufrieden. „Die Aussagen sind widersprüchlich, da stimmt einiges nicht.“ Baum fühlt sich an die SREL-Affäre von 2012/13 erinnert, als die damalige Regierung in ihrer abwartenden Haltung stets nur scheibchenweise Informationen preisgab.

„Es stinkt“, sagt Baum. Es handele sich möglicherweise um einen gewaltigen staatlichen Missbrauch. Baum fordert vollste Aufklärung und will nicht nur wissen, auf welche Texte sich der Staatsapparat beruft, sondern auch, wie das Polizeiregister eigentlich funktioniert und in der Praxis gehandhabt wird: Welche Daten sind vorhanden, zu welchem Zweck werden sie genutzt, und wer hat Zugriff darauf?

Sowohl Baum als auch Mosar nehmen dabei das Wort „Untersuchungskommission“ in den Mund. Es ist das stärkste Instrument des Parlaments zur Kontrolle der Exekutive. 2013 haben die Schlussfolgerungen zum Sturz der damaligen Regierung unter Premier Jean-Claude Juncker geführt. „Wir wollen der Sache auf den Grund gehen, wenn nötig über den Weg einer parlamentarischen Untersuchungskommission“, sagt Baum. Aber so weit sei man noch nicht.

Ähnlich sieht es Mosar: „Wenn die Regierung weiterhin so blockt und die Sache aussitzen will, dann bleibt uns am Ende nichts anderes übrig.“ Die ADR hat bereits in der vergangenen Woche eine Untersuchungskommission gefordert. „Es könnte sein“, so Mosar, „dass wir Ende der Woche zu einer Pressekonferenz einladen werden.“

Nomi
19. Juni 2019 - 17.53

Bravo, Redaktio'un !

JANG
19. Juni 2019 - 17.14

Liesart vun den Gesetzer oder Reglementer déi genau des Datenbanken betreffen ass wuel eng komplizéiert Saach. Haaptsach et mëscht een een Amalgan vun strofbaren Handlungen (SREL Affaire) an nët strofbaren Handlungen (dësen Dossier). Ech roden den Léit awer haaptsächlech den Hären Mosar an Roth mol den Artikel aus hirer CSV-frëndlecher Press wort.lu (Polizeiregister: Umstritten, aber rechtens) ze liesen. Jiddefalls stellen ech mir Fro ob Hären vun der CSV vergiess hunn, datt genau hir Partei-Ministeren dëst Gesetz virun Joerzengten an der Chamber légaliséieren gelooss hunn. Et ass schonns eng komesch Atellung mat Polemik oder mat der Angscht vun den Bierger Politik wëllen ze maachen

JANG
19. Juni 2019 - 16.46

KOMESCH DATT MÄIN COMMENTAIRE VUN 10H17 NET PUBLIZEIERT GINN ASS (...) Das ist nicht komisch. Wir sind bloß allergisch gegen Kommentare, die integral in Großbuchstaben verfasst sind. IHRE FESTSTELLTASTE KLEMMT! Ihre Redaktion

Nomi
19. Juni 2019 - 16.20

Et get ee Gesetz iwert di Schaafung vun deem Regester (vun der CSV). Mee speitestens mam Datenschutzgesetz vun 2018 haet Gambia dat Gesetz iwert den Policeregester missten reformei'eren fir mam Datenschutzgesetz kompatibel ze sinn. Also lei den Ball bei FeB an beim FrB !!

J.C.KEMP
19. Juni 2019 - 13.23

Hei ass alles ze fannen: https://lb.wikipedia.org/wiki/L%C3%ABscht_vun_de_L%C3%ABtzebuerger_Regierungen

J.C.KEMP
19. Juni 2019 - 13.21

Ja, aber welche Partei hatte damals immer das Justiz- und das Innenministerium im 'Besitz'? 1992 waren J. Spautz Innen- und M. Fischbach Justizminister, nur zur Erinnerung, beide echte Christlich Sozial(istisch)e Volksvertreter. Schade, dass Minister nicht rückwirkend zurücktreten können.

Pierre Schmit
19. Juni 2019 - 12.03

An demols wor wien Police-Minister ?

rfrank
19. Juni 2019 - 11.49

ech denken do sin emmer 2 parteien am spill net nemmen eng

Grober J-P.
19. Juni 2019 - 11.15

Ja, ja, wenn man mal an dr Macht geschnuppert hat. Was macht der Herr Vogel derweil?

Kimihiko Masaki
19. Juni 2019 - 11.06

Haha. Vertrau der Politik. Déi maachen waat se wellen. Fier mech ass desen System schon laang dout. Korruption, Machtmessbrauch an eegen Spillreegelen fier déi wou uewen setzen. Daat ganzt ass einfach nemmen en riesen Witz. Ech maan do schon laang nemei mat, sin just emmer erem schéin ugepisst wann ech esou Saachen muss liesen. Ma d'Gewessheet recht ze hun waat dee ganzen Theater do ugeet, deet schon gudd!

Clemi
19. Juni 2019 - 9.20

Diese ganze Register-Geschichte ist entweder ein Beweis dafür, dass Macht korrumpiert: "d'Fënstere grouss oprappen a lëften" wollten sie, aber wenn es drauf ankommt fallen sie in die selben Verhaltensmuster wie die die sie ablösten... oder aber der Beweis, dass sich innerhalb des Staatsapparats "etwas" verselbständigt hat (deutliche Parallelen zu SREL-Affäre) und der Apparat (der "ewig" ist) zunächst auch noch die politischen Reaktionen mitbestimmt/mitschreibt, anstatt dass die Politik (die alle 5 Jahre wechseln kann) als Chef des Apparats gleich mit der Faust auf den Tisch haut

Pierre Ravarin
19. Juni 2019 - 8.07

Wer war im Jahr 1992 in der Regierung? Sollen den Ball flach halten!