Nach „Merde alors“ ein anderer und doch der Gleiche – Jean Asselborn reist nach Afghanistan

Nach „Merde alors“ ein anderer und doch der Gleiche – Jean Asselborn reist nach Afghanistan

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Jean Asselborn ist seit „Merde alors“ ein anderer und doch der Gleiche. Jüngstes Beispiel: seine Reise nach Afghanistan. Ein Feature aus Masar-i-Scharif.

Von Tageblatt-Chefredakteur Dhiraj Sabharwal, zz. in Afghanistan

Bei jedem „allez, allez“ wartet man darauf. Doch es kommt nicht. Es ist seine Einleitung für vieles. „Merde alors“ bleibt jedoch vorläufig einmalig. Wenn Außenminister Jean Asselborn im Hintergrundgespräch zu Afghanistan ein Schimpfwort benutzt, sagt er danach schmunzelnd: „Das war aber jetzt im Off.“ Er weiß, dass ganz Europa seinen Aufschrei gegen Italiens Innenminister Matteo Salvini gehört hat. Obschon er bereits vorher kein Blatt vor den Mund genommen hat, ist er spätestens jetzt im gleichen Polit-Olymp wie Jean-Claude Juncker angekommen: Sein Wort hat international Gewicht. Zumindest, was die Beeinflussung der öffentlichen Meinung betrifft. Während er zu Hause Kultstatus erreicht hat, stürzt sich die deutschsprachige Presse auf fast jedes seiner Zitate.

Der ureigene Instinkt

Trotz des Medienrummels um seine Person ist Asselborn aber er selbst geblieben. Es zeigt sich in Afghanistan an Kleinigkeiten: Er hat keine Allüren, geht auf seine Gesprächspartner ein – und es interessiert ihn immer noch nicht, was seine Diplomaten ihm in mühseliger Kleinstarbeit vorbereitet haben. Das politische Tier hört stets auf den ureigenen Instinkt. Und dennoch ist Jean Asselborn nicht mehr ganz der Gleiche wie vor den letzten Wahlen.

Das zeigt sich nicht an seinem Stil, sondern daran, wie er die Welt sieht. Mit der langen Erfahrung ist schleichend ein kühler Realismus gekommen. Asselborn gehen mittlerweile Dinge über die Lippen, die er sonst nie mit dieser Vehemenz gesagt hätte. „Es steht wirklich sehr schlecht um Afghanistan. Ich habe Kabul noch erlebt, als man fast normal durch die Straßen fahren konnte. Doch was ich heute gesehen habe …“ Seit der Ära Trump ist für ihn das Prinzip der Hoffnung gestorben. Er bemerkt es beim Erzählen und muntert sich selbst auf: „Es ist gut, dass es Leute gibt, die weiter positiv in die Zukunft blicken. Ich mache mir aber nichts vor: Was sich gerade in Afghanistan abspielt, könnte böse enden.“

Er erzählt davon, wie er am Nachmittag im Delgusha Palace Afghanistans Präsidenten Ashraf Ghani getroffen hat, ferner seinen afghanischen Amtskollegen Salahuddin Rabbani und einen hohen NATO-Vertreter. Seine Notizen sind wie immer handgeschrieben. Das typische „Moment, ich muss meine Gedanken kurz ordnen“ darf nicht fehlen. Und auch die schwer buchstabierbaren Namen werden mit einem trockenen „Bon, soit, dee muss de noliesen“ quittiert. Bereits sein erster Satz zeigt aber, wie weit Asselborn davon entfernt ist, sich und die Welt aufzugeben. Er hat vor langem verstanden, welche Rolle ein Außenminister einnehmen muss, will er in der Regierung nicht vom Finanzminister, dem eigentlichen Europaminister, kannibalisiert werden: Er ist der „door opener“ für Luxemburgs Unternehmen in der Welt. „Cargolux ist stark daran interessiert, dass wir ein Luftverkehrsabkommen mit Afghanistan schließen. Ich habe meinen Gesprächspartnern gesagt, Cargolux fliege 90 Ziele in der Welt an und habe in 50 Ländern ein Büro. Der Präsident war sehr interessiert. Das könnte klappen.“

Hauptmission und Herzensangelegenheit

Die Hauptmission in wenigen Sätzen, die Herzensangelegenheit Flüchtlinge und Konfliktlösung in einer langen Diskussion: Asselborn lebt den Spagat zwischen wirtschaftlichem Türöffner und sozialem Gewissen Europas. Auf dem heimischen Parkett wird er deswegen mit der Migrationspolitik unter Druck gesetzt. Während seine Unterstützer ihn für seine Aufrufe zur europäischen Solidarität lieben, werfen Kritiker ihm vor, zu Hause nicht immer die eigenen Werte zu leben. „Merde alors“ ist Fluch und Segen zugleich. Asselborn wäre jedoch nicht so lange im Amt, ignorierte er solche Zeichen. Nach Cargolux geht er direkt auf die afghanischen Flüchtlinge und Luxemburgs Asylpolitik ein. Angriff ist die beste Verteidigung – eine Devise, die auch für sein politisches Verhältnis zu Premier Xavier Bettel gilt.

Kein anderes Regierungsmitglied hat es wie Bettel verstanden, die Methode „Asselborn“ auf der internationalen Bühne für sich zu nutzen. Und so kommt es nicht von ungefähr, wenn sich Premier und Chefdiplomat in der politischen „Primetime“ gelegentlich gegenseitig die Schau stehlen. Dass Asselborn gerade während des Besuchs des russischen Premiers Dmitri Medwedew in Luxemburg nach Afghanistan reist, kann man einen unglücklichen Zufall nennen. Oder aber die lange Erfahrung eines gewieften Politikers dahinter vermuten.

Am Ende ist es vermutlich eine Mischung aus beidem. Denn die Mitarbeiter des Außenministeriums haben nur den ungefähren Zeitraum der Medwedew-Visite gekannt, als der Afghanistan-Trip geplant wurde – ein genaues Datum aber nicht. Dass beide Ereignisse schließlich am gleichen Tag stattfinden, zeugt zumindest von einem: Jean Asselborn ist ein anderer und doch der Gleiche.

roger wohlfart
6. März 2019 - 18.51

Korrektur: natiirlech soll ët Jean Asselborn heeschen.

roger wohlfart
6. März 2019 - 18.49

De Jean Asselborn ass authentesch a vertrëtt eist Land gutt um internationale Parkett. Hie brauch keen, deen him seet, wéi e seng Aarbecht maache soll. Hie seet waat Saach ass, nennt d'Kand beim Numm, dat verlangt Zivilcourage. Respekt! Dat ass nët ëmmer gär gesinn awer ët muss jo ee ginn, dee Kloertext schwätzt.

Claude B.
6. März 2019 - 18.05

Et ass en Ausdrock deen vum Häerz koum an daat ausgedréckt huet waat vill Léit denken wann se esou Aussoën héieren vun Politiker déi mat hiren retrograden , nationalistesch ausgerichten Ideen nëmmen Haass géinteniwer den Immigranten an Flüchtlingen verbreeden . Dës Ausso wor mat Sécherheet nët géint eng bestemmten Natioun , där dësen Politiker eben zougehéiert, geriicht an keen soll doduerch sech beléidegt fillen , och a scho guer net eis italienesch Matbierger/innen .

KTG
6. März 2019 - 17.58

Dat heescht dem "Giu" seng Famill ass domat d'accord, datt de Salvini de Mussolini gären huet an homophob bis zum "Es geht nicht mehr" ass? A firwat fillt sech den "Giu" perséinlech beleidegt? Den President vu Stengefort huet jo net all d'Italiiéiner verhonzt, mee nëmmen ee vun hinnen, deen, wann ee seng Kommentarer ausenanerhëlt, wuel kaum e Problem domathätt, fir Millioune Leit miserabel ze maachen. Oder ass den "Giu" e Wieler vum Salvini?

n der Parad
6. März 2019 - 17.48

Giu,wann et iëch am Ländchen nit meï gefällt..............!!!!!

Nomi
6. März 2019 - 16.44

Sool dir iech net och schummen fir de'nen Rietsen an Italien nozelaafen !

Giu
6. März 2019 - 12.37

Als Italiener sinn ech an meng ganz Famill beleidegt ginn vum Asselborn an hien soll sech schummen.

Jacques Zeyen
6. März 2019 - 9.48

Erstaunlich. Asselborns beherzter "Ausrutscher" (der übrigens jedem aufrichtigen Bürger gut tut bis unter die Haut) geht in die Geschichte ein,während die homophoben Hetztiraden des Mussolini-Jüngers schnell in Vergessenheit geraten.