Nach dem Brexit: Anglofone Banker für Luxemburg gesucht

Nach dem Brexit: Anglofone Banker für Luxemburg gesucht
Foto: Alain Rischard

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Luxemburg muss hart arbeiten muss, um ein Land zu verkaufen, das den Ruf eines verkehrsgeplagten Nests hat.

Luxemburger Bürger können schnell mit ihren Sprachkenntnissen beeindrucken, wenn sie zwischen ihrer Muttersprache, Deutsch, Französisch und Englisch wechseln. Aber auch Versicherer, Wertpapierfirmen und Banken, die nach dem Brexit Außenposten in einem der wichtigsten Finanzzentren der Europäischen Union eröffnen wollen, werden überrascht sein.

Headhunter sagen nämlich, es gebe einfach nicht genug Kandidaten in und um das kleine Großherzogtum, um die erwarteten 3.000 Arbeitsplätze zu besetzen, die durch den Austritt Großbritanniens aus der EU entstehen dürften.

„Wir haben seit dem Brexit gesehen, dass wir bei einigen Kunden – wie einem großen Vermögensverwalter, mit dem wir es zu tun haben – große Schwierigkeiten haben“, sagt Christopher Purdy, Geschäftsführer der Personalagentur Greenfield. Sie verlangen „besseres oder perfektes Englisch und nicht nur fließendes Englisch. Es gibt aber keine tausend solcher Menschen.“

Land der Wahl

Luxemburg wird zum Land der Wahl für eine wachsende Zahl von Versicherern, Fonds und Banken, die aufgrund des Brexit aus Großbritannien umziehen. Der Versicherungsriese American International Group, der US-Versicherer FM Global, die RSA Insurance Group, der Lloyd’s-of-London-Versicherer Hiscox sowie die Private-Equity-Gesellschaft Blackstone und Vermögensverwalter wie M&G Investments gehörten zu den Ersten, die das an Belgien, Frankreich und Deutschland angrenzende Land als ihr neues EU-Drehkreuz wählten. JPMorgan Chase & Co. plant ebenfalls, einige in London ansässige Banker umziehen zu lassen.

Während Luxemburgs kleine Hauptstadt vielleicht nicht so hoch wie London oder Paris auf der Berühmtheitsskala rangiert, erzählen die Beschäftigungszahlen eine Erfolgsgeschichte. Da Englisch jedoch schnell zur Schlüsselsprache des Finanzsektors wird, stoßen Personalvermittler mit der traditionell frankophonen Ausrichtung des Landes an ihre Grenzen.

Den richtigen Mix aus benötigten Fähigkeiten und fließendem Englisch zu finden, wird besonders schwierig, wenn die Mehrheit der neu Rekrutierten aus der Region kommt, die hauptsächlich französischsprachig ist. Von 412.347 erwerbstätigen Personen im letzten Jahr waren knapp 111.000 Luxemburger und 186.649 Menschen kamen aus den drei angrenzenden Ländern, und hauptsächlich aus Frankreich, wie aus Daten des Statistikamtes Statec hervorgeht.

Personalvermittlungsagenturen haben in der Vergangenheit viele Absolventen aus Frankreich mit vier bis fünf Jahren Erfahrung angelockt, die in ihrem Land keine Position auf ihrem Niveau finden konnten. Da sich jedoch die Wirtschaft in ganz Europa erholt, hat sich dies geändert. Die Menschen finden auch zu Hause mehr Arbeitsplätze.

Frankreich und Belgien

„Wenn wir in Frankreich rekrutieren, ist das schwierig“, sagt Jean-François Marlière, Gründungspartner von Marlière & Gerstlauer Executive Search in Luxemburg. „Wir rekrutierten in Paris für einen Vermögens-Planer hier und fanden Leute, die extrem qualifiziert waren, aber ihr Englisch war leider im Grunde nicht existent.“

Luxemburg hat eine lange Tradition im Privatbankengeschäft und ist auch diversifiziert genug, um zur weltweit führenden Fondsindustrie hinter den USA aufzusteigen. Das Großherzogtum hat sogar Unternehmen angezogen, die in Space Mining investieren wollen – die potenzielle Ausbeutung von Mineralien in Asteroiden und anderen Himmelskörpern.
Viele Arbeitgeber haben die Herausforderungen des Arbeitsmarktes noch nicht erkannt, da sie erst beginnen, im Vorfeld des Brexit Strukturen aufzubauen, sagt Alexis Yaghi, Ländermanager bei Vialegis Luxembourg.

Talente aus Osteuropa

Der Mangel an lokalem Personal bedeutet, dass Headhunter versuchen, qualifiziertes Personal mit einer ausgezeichneten Beherrschung der englischen Sprache von weiter weg anzulocken. Gwladys Costant, Partnerin bei dem Personalberater GoToFreedom, sagt, dass heutzutage ein Drittel der Kandidaten aus ganz Europa kommt, und zunehmend aus osteuropäischen Ländern, die „jetzt sehr attraktiv sind, besonders für Positionen im Finanz- oder Steuerwesen“.

Abgesehen von der Bezahlung bedeutet dies, dass Luxemburg hart arbeiten muss, um ein Land zu verkaufen, das den Ruf eines verkehrsgeplagten Nests hat. Die Finanz-Lobbygruppe Luxembourg for Finance plant daher eine neue Talentkampagne, um zu zeigen, was das Land zu bieten hat.

„Wir geben nicht vor, Paris oder Amsterdam zu sein“, sagt der Chef der Agentur, Nicolas Mackel. Luxemburg hat „andere Vorteile und wir wollen diese zeigen und herausstellen“.

(Von Bloomberg/Stephanie Bodoni)

 

Viviane Rausch
23. Mai 2018 - 13.05

Ich gebe Ihnen völlig Recht.

Mossong nico
22. Mai 2018 - 17.42

So ist es..

H.Horst
22. Mai 2018 - 12.41

Die Sprachsituation wird von der anbrandenden anglophonen Wirklichkeit unterspült. Das war schon längere Zeit absehbar aber unsere Politik und administrative Elite hat sich wider besseres Wissen auf Französisch als Verwaltungs- und Justizsprache behauptet. Die Linke hat Französisch als Integrationssprache für romanophone Migranten verteidigt. Jetzt sitzen wir im Schlammassel. Es ist absolut vorhersehbar, dass die Sprache der Finanz-, Fonds- und Versicherungsbranche sowie der anhängigen IT-Branche eindeutig Englisch sein wird. Französisch wird tendenziell zur Sprache von migrantischen Randgruppen am oberen und unteren Ende der Sozialskala. Unsere Verwaltung und Justiz wird sich schnellstens darauf einstellen müssen, dass Englisch in ihren täglichen Gebrauch einziehen wird. Entsprechend ist schnellstens der Stellenwert der englischen Sprache den veränderten Realitäten anzupassen und so z.B. Französisch in Kindergärten durch Englisch abzulösen. Wir haben nicht nur für die Integration von Migranten zu sorgen sondern auch für die Integration unserer Wirtschaft in ein sich veränderndes Umfeld. Nebenbei bemerkt ist jede Erholung der französischen Wirtschaft zu begrüßen da sie uns Milliarden an Verkehrsinfrastruktur erspart.

L.Marx
22. Mai 2018 - 10.26

“Wir rekrutierten in Paris für einen Vermögens-Planer hier und fanden Leute, die extrem qualifiziert waren, aber ihr Englisch war leider im Grunde nicht existent.” Diese Hierarchie der Kompetenzen gibt allerdings zu bedenken. Ich würde mein (leider nicht vorhandenes) Vermögen niemandem anvertrauen, nur weil er "perfekt Englisch spricht". Aber wahrscheinlich erklärt das, warum es 2008 zur Finanzkrise kam. Da wurden auch Produkte gehandelt die niemand verstand, die aber toll umworben wurden, in allen möglichen Sprachen ...