Menschen wie wir: Mars di Bartolomeo erzählt aus dem Leben eines Politikers

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Er gehört zu jenen, die gerne reden, aber lieber machen. Einen Karriereplan habe er nie gehabt, behauptet Mars di Bartolomeo, 66. Außer den einen, Grundschullehrer zu werden. Doch der Traum platzt. So wird er Journalist, Bürgermeister, Minister und Parlamentspräsident.

Heute ist der fünffache Großvater ein „einfacher“ Abgeordneter – und zufrieden. Zufrieden über die wiedergefundene Zeit und Freiheit, um sich als Politiker kritisch-konstruktiv einzubringen. Froh aber auch, sich öfters jenen Sachen widmen zu können, die bisher zu kurz gekommen sind. Im Tageblatt-Gespräch erzählt Mars über gestern und heute im Leben des MdB.

Düdelingen. Es riecht nach Frühling in einer der ruhigeren Straßen der Stadt. Hier wohnen Mars und seine Frau. Alleine. Alle Kinder der Patchworkfamilie sind ausgezogen. Großes Haus. Kein Protz. Mars ist noch nicht da. Steckt im Stau. Echt guten Kaffee gibt’s trotzdem. Und Zeit, sich etwas umzuschauen. Küche. Wohnzimmer. Alles wirkt aufgeräumt – gemütlich. „Als die Kinder noch hier wohnten, sah das etwas anders aus, zeitweise wie ein richtiges Künstleratelier“, sagt die Dame des Hauses.

Düdelinger Junge

Mars erscheint. Die Ruhe selbst. Markante Stimme. „Lass uns anfangen!“ Nun denn. Geboren wird er in Düdelingen. In der Maternité. Einzelkind. Taufname: Marcel. Bescheidene Verhältnisse. Die Vorfahren stammen aus den Abruzzen. Der Vater ist Schmelzarbeiter und Gewerkschafter. Die Mutter Hausfrau. Der Großvater Bergarbeiter. Nach mehreren Umzügen innerhalb Düdelingens lässt die Familie sich im sozialen Wohnungsbauprojekt in „Wolkeschdahl“ nieder. „Jeder musste mit anfassen, auch wir Kinder“, so Mars. Er erzählt, dass sein Vater und dessen Brüder, ihren jeweiligen Berufen entsprechend, sich gegenseitig beim Häuserbau helfen.

An das liebe- und verständnisvolle Miteinander im Mehrgenerationenhaus erinnert er sich gerne. Ebenso an „pain grillé mit Butter im Kaffee getunkt“ zum Frühstück. Die Großeltern wohnen im ersten Stock. Eine glückliche Kindheit: „Außer bei Hagel waren Straße und Wald unser Spielplatz.“ Mars fühlt sich als Düdelinger – als Luxemburger. Als irgendwann irgendwer ihn „Spaghetti“, „Bier“ oder „Boccia“ nennt, wird er sich bewusst, dass er anders wahrgenommen wird.

Statt „Prof“, Journalist

Die Grundschule bringt er ohne Schwierigkeiten hinter sich. Französisch liegt ihm. Dank einer seiner Großmütter. Der Junge muss aufs Gymnasium, habe der Lehrer damals gesagt. Doch der Junge will nicht. Angst vorm Aufnahmeexamen. Also macht er das siebte Schuljahr – und tritt dann trotzdem den Weg ins Escher „Lycée de garçons“ an. Eine spannende Zeit, sagt Mars und verweist auf engagierte Lehrer und auf die Studentenunruhen infolge der 68er-Bewegung. Eigentlich wollte er Grundschullehrer werden. Traumjob. Aber die damalige Zulassungsbeschränkung macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Also will er „Prof“ werden.

Doch ein Freund funkt dazwischen. So wird er Journalist. Beim Tageblatt. Unter Direktor Jacques Poos, dem späteren Vizepremier und Außenminister. Der habe ihm allerdings erst mal politische Nachhilfe verordnet. Bis heute sei er in seiner Betrachtungs- und Herangehensweise Journalist, betont Mars: „Dinge verstehen, um sie anderen erklären zu können – und um zu überzeugen!“ Damit wird klar, warum Mars jetzt wieder leidenschaftlich gerne parlamentarische Anfragen schreibt.

Kein klassischer Großvater

Seit der letzten Regierungsbildung ist Mars einer von 60 Abgeordneten. Wie es dazu kam, ist Geschichte. Er habe loslassen können, betont er. Er sei froh, wieder mehr Zeit zu haben. Zeit zum Schwimmen und Fahrradfahren. Es freut ihn, an den Wochenenden zu Hause zu sein und abends häufig vor halb acht. Mindestens einmal täglich telefoniert er mit seiner Frau. Auch zum entspannten Lesen kommt er wieder öfters: Gabriel García Marquez oder John Irving. „Wer vertritt das Volk?“ von Norbert Lammert, dem früheren Präsidenten des Deutschen Bundestages, hat er in den letzten Tagen gelesen. Aus gutem Grund. Am kommenden Montag diskutiert Mars mit ihm im Trifolion in Echternach über das Thema „Ohne Freiheit keine Demokratie“.

Dass er gerne koche und esse, sei etwas abgedroschen, meint Mars. Allerdings kommt man im Gespräch schlecht daran vorbei, ihn auf seine selbstgemachten Waffeln anzusprechen. Statt epischer Erklärungen holt Mars eine Keksdose. Köstlich. Die Waffeln munden auch seinen fünf Enkelkindern. Er liebe sie sehr, sagt er – und fügt hinzu: „Ich bin kein klassischer Großvater.“ „Nein, es muss nicht Italien sein“, erklärt Mars auf die Frage nach dem Wohin, wenn das Fernweh ruft. „Lieber Normandie, Südfrankreich oder Ostsee.“ Weltreisen sind das nicht, aber deren hatte er eine ganze Menge in seiner beruflichen Laufbahn. Abschalten kann er in seinem Garten oder bei einem Match einer der Düdelinger Sportsvereine. Basketball hat es ihm besonders angetan. Lachen tut er gerne. Vor allem mit Louis de Funès und über sich selbst.

In unserem Gespräch mit MdB wird klar: Politik ist sein Leben. Als „einfacher“ Abgeordneter will er wieder klare Kante zeigen – mitmischen und aufmischen. Ein Macher, so wie er es in seinem Leben immer gewesen sei. Ob er bei den nächsten Parlamentswahlen noch einmal antritt, werde er ein Jahr vorher entscheiden. Wie auch immer. Ein Pensionär wird Mars nie werden. Getreu dem Motto: „Sempre avanti – immer weiter!“ An Tatendrang scheint es ihm nicht zu mangeln.

 

Von unserem Korrespondenten Marco Goetz