Martine Hansen, Chefin der CSV-Fraktion, im Gespräch: „Wir brauchen Frank Engel als starken Präsidenten“

Martine Hansen, Chefin der CSV-Fraktion, im Gespräch: „Wir brauchen Frank Engel als starken Präsidenten“
© Editpress/Fabrizio Pizzolante

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In der CSV brodelt es. Die CSV-Fraktionschefin Martine Hansen ist anfangs wenig begeistert von einem Interview mit dem Tageblatt und lenkt unter einer Bedingung doch ein: Sie ist bereit, über alles zu diskutieren, nur zu den Spannungen in der CSV wolle sie nichts mehr sagen. Also haben wir mit Martine Hansen über Fußball geredet.

Tageblatt: Frau Hansen, Sie reden gerne in Metaphern. Wie steht es aktuell im Fußballspiel Regierung gegen CSV?
Martine Hansen: Wir haben das Spiel im Oktober klar verloren. Die Punkte gingen an die alten und neuen Regierungsparteien.

Und seit Wiederanpfiff im Oktober?
Wir haben unser Spiel noch nicht recht gefunden und haben vielleicht noch einige Schwächen in der Abwehr.

Hat die CSV nicht glatt einige Eigentore geschossen – zunächst im internen Umgang mit der Personalie Frank Engel und anschließend mit fragwürdigen öffentlichen Auftritten von Generalsekretär Félix Eischen und Serge Wilmes?
So weit würde ich nicht gehen und von Eigentoren reden. Bis jetzt konnten wir die brenzligen Situationen stets noch kurz vor der Linie klären. Doch es stimmt: Wir müssen jetzt wieder nach vorne schauen, den Ball in die Spitze bringen und die Regierung mit unseren Stürmern attackieren und ihre Politik kontrollieren.

Serge Wilmes hat im Interview mit RTL beklagt, dass dem neuen CSV-Chef, Frank Engel, ein Plan fehle. Hat die CSV keine Strategie?
Frank Engel ist jetzt gerade einmal drei Wochen im Amt. Ich glaube, wir müssen ihm Zeit zugestehen, damit er einen Plan oder ein Projekt entwickeln kann. Zunächst ist er damit beschäftigt, die EU-Liste der CSV zu erstellen.

Wann steht denn die EU-Liste der CSV?
Wir hoffen, dass es bald so weit ist, also noch in diesem Monat, aber da müssen Sie Frank Engel fragen.

Die Stimmung in der CSV gilt jedoch als schlecht, manche sprechen von Lagerbildung. Sie hingegen haben gesagt, dass es in einer Volkspartei halt gelegentlich „menschelt“. Wie wollen Sie dieses „Menscheln“ in den Griff bekommen?
Es ist doch ganz normal, dass in einer Volkspartei diskutiert wird und wir unterschiedlicher Meinung sind. Aber die Dinge sollten schon intern bleiben. Nun sind Interna nach außen gebracht worden. Das ist nicht gut, ich hätte es nicht so gemacht, aber wir müssen jetzt nach vorne blicken.

Es müssen also keine Auswechslungen vorgenommen werden?
Nein, ich sage ganz klar: Wir brauchen Frank Engel als starken Präsidenten, aber auch Serge Wilmes als Schöffen der Stadt Luxemburg und Abgeordneten im Parlament. Nur wenn wir nach außen alle an einem Strang ziehen und uns nicht mehr mit uns selbst beschäftigen, können wir die Regierung unter Druck setzen.

Über welche Seite wollen Sie denn angreifen: rechts, links oder durch die Mitte?
Ein erstes Feld, was wir bestimmt haben, ist die Familienpolitik.

Also durch die Mitte?
Ja, genau. Möglichst breit durch die Mitte.

Gerade in der Familienpolitik und Kinderbetreuung hat das aktuelle Mitte-links-Bündnis doch eine eigene Handschrift, die auf hohe Akzeptanz bei den Bürgern stößt.
Nicht ganz. Denn die Regierung hat ein Modell für Familien vernachlässigt: Elternteile, die zu Hause bleiben und die Kindererziehung selbst übernehmen wollen. Die Regierung sieht dieses Modell nicht vor. Das wollen wir ändern.

Die Familienpolitik unter Ministerin Corinne Cahen (DP) setzt vielmehr darauf, dass beide Elternteile arbeitstätig sind und die Kinderbetreuung von staatlichen Pädagogen übernommen wird.
Ja. Und das wollen wir auch nicht grundlegend ändern. Wir wollen den Bürgern schon die Wahl lassen. Ich bin selbst auch arbeitstätig und alleinerziehende Mutter. Aber wir wollen als CSV eben auch den Familien die Möglichkeit geben, die Kinderbetreuung selbst zu übernehmen.

Und wer soll das bezahlen? Immerhin fehlen dem nicht arbeitsfähigen Elternteil dann Beitragszahlungen für die Rente.
So weit sind wir noch nicht. Aber der Großteil muss wohl die staatliche Hand übernehmen.

Mit Familienpolitik gewinnt man aber noch keine Wahlen.
Sicher. Aber wir wollen auch in Sozial-, Umwelt, Gesundheits- oder Bildungspolitik unsere Konzepte setzen. Mir ist jedoch wichtig, dass wir nicht pauschal an allen Fronten kämpfen, als Hansdampf in allen Gassen, sondern gezielt vorgehen. Das wird eine Menge Arbeit, und dafür brauchen wir das gesamte Team der CSV und die 21 Spieler im Parlament.

Der frühere CSV-Präsident Marc Spautz hat etwas überraschend kürzlich gefordert, das Parlament mitsamt Mitarbeitern deutlich zu stärken. Ist das ein Lerneffekt aus Jahren der Opposition?
Ja, das muss man klar so sagen. Die Regierung hat einen ganzen Stab von Experten und Juristen, um sich in Dossiers einzuarbeiten. Die Opposition muss dort schon mit deutlich begrenzteren Mitteln auskommen.

Sie würden also auch eine Stärkung des Parlaments begrüßen?
Absolut. Damit wir unserer Rolle der Regierungskontrolle gerecht werden, wäre eine Aufstockung der Fraktionsmitarbeiter von großer Bedeutung. Doch nicht nur das, auch die Kommissionssitzungen müssten transparenter werden.

Die CSV will, dass die Kommissionssitzungen öffentlich sind?
Ich habe es noch nicht bis zum Schluss durchdacht, aber ich denke, dass die Vorteile überwiegen. Was wir zunächst tun sollten: In den Berichten kenntlich machen, welcher Politiker was gesagt hat.

Ist es für die CSV nicht gerade besonders schwer, politisch zu punkten: Die Konjunktur brummt, die Regierung wirkt eingespielt und kann Geschenke verteilen, nach denen die Bürger noch nicht einmal gefragt haben?
Wir können uns glücklich schätzen, dass es unserem Land wirtschaftlich gerade so gut geht. Aber ich stelle doch fest, dass die Regierung mit der Gießkanne regiert, jenseits von sozialer Selektivität. Die soziale Schere geht weiter auseinander, auch wegen dieser Politik. Das ist nicht verantwortungsvoll, und laut Prognosen steht ein Einbruch der Konjunktur bevor. Und ja, wir sind vielleicht in der undankbaren Rolle des Mahners, aber ich glaube, es ist die nachhaltigere Rolle im Interesse des Landes.

roger wohlfart
3. März 2019 - 16.52

Frau Hansen ist es doch egal, wer unter ihr CSV Präsident ist!