/ Mäppchen, Heft und Tablet: So funktionieren die iPad-Klassen in Diekirch
Das „Lycée classique de Diekirch“ (LCD) war 2015 eine der ersten Schulen Luxemburgs, die das Experiment „iPad-Klassen“ gestartet haben. Aus den ursprünglich drei Klassen sind mittlerweile sieben geworden, aus den 16 Lehrern 45. Claude Moyen ist als Lehrer im LCD Befürworter digitaler Lernmethoden und verrät uns, was der Unterricht mit Tablet bietet.
Von Misch Pautsch
„Die Zeit hält niemand auf“, warnt Erich Kästner 1969 die Menschen, die sich weigern, Fortschritt zu akzeptieren. Ein Zitat, das sich die Schulen Luxemburgs scheinbar zu Herzen genommen haben: Die Welt wird digitaler und die Fähigkeit, sich in diesem digitalen Raum zurechtzufinden, zunehmend eine Notwendigkeit. iPad-Klassen versuchen, genau dies zu erreichen und gleichzeitig den Unterricht für alle Beteiligten interessanter und flexibler zu gestalten.
Obwohl die jüngsten Generationen „digital natives“ sind, bedeutet dies noch lange nicht, dass sie auch instinktiv wissen, wie sie die Möglichkeiten, die die digitale Welt ihnen bietet, am besten und möglichst sicher nutzen können, wie Claude Moyen erklärt: „E-Mails verfassen, Passwörter managen, mit den grundlegenden Programmen wie Word oder Powerpoint umgehen bereitet vielen jungen Menschen immer noch Schwierigkeiten. Auch der potenziellen Gefahren, die soziale Medien und das Veröffentlichen privater Daten bedeuten können, sind sich viele Leute nicht bewusst.“
Essenzielle digitale Kompetenzen
In einem ersten Schritt werden den Schülern also heutzutage essenzielle digitale Kompetenzen vermittelt, die zunehmend zentrale Pfeiler der Allgemeinbildung sind. „Eine Situation, die mir den Erfolg der Idee deutlich gemacht hat, war, als eine unserer 7e-Klassen einen Kuchen verkaufen wollte und von sich aus Excel benutzte, um zu organisieren, wer wann am Verkaufsstand sein kann. Die Schüler haben also kein Problem damit, das Gelernte automatisch in ihre eigenen Aktivitäten mit einzubauen.“ Vorträge halten fällt den Klassen allgemein deutlich einfacher als vorher, da sie mit Powerpoint vertrauter sind. Solche Programme werden einfach in den normalen Arbeitsfluss mit eingebaut, statt nur ausnahmsweise verwendet zu werden.
Vorbei sind auch die Tage, als das Lehrpersonal noch Informatikräume reservieren oder Fernseher in den Klassenzimmer schieben musste. „Man muss sich eine Klasse mit je 25 Kameras, Tonstudios, Bild- und Videobearbeitungsprogrammen und Bibliotheken vorstellen. Jeder einzelne Schüler hat die unendlichen Ressourcen des Internets jederzeit zur Hand.“ Alleine das erlaubt pädagogische Möglichkeiten, die es vorher nicht gab: „Wir können spontan im Kurs einen Abstecher in eine Thematik machen, die vorher nicht geplant war. Jeder Schüler kann die Arbeit, die er gerade macht, an die Leinwand projizieren und Probleme mit allen diskutieren.“
Hörübungen und mündliche Aufgaben
Auch Hörübungen und mündliche Aufgaben werden durch die Geräte beliebig oft wiederholbar. „Der Lernprozess wird deutlich differenzierter, individueller. Viele Schüler erstellen sich gegenseitig Video-Tutorien, in denen sie sich Dinge erklären. Bekanntlich gibt es keinen besseren Beweis dafür, dass etwas verstanden wurde, wenn man es auch anderen erklären kann.“ Der oft vernachlässigte mündliche Teil des Sprachunterrichts werde einfacher, da die Schüler sich selbst aufzeichnen und abhören können. „Generell werden all die Dinge, die uns bisher logistische Schwierigkeiten bereitet haben, deutlich einfacher.“
Speziell für den Unterricht entworfene Apps helfen unterdessen dabei, einst gefürchtete Aktivitäten wie das Auswendiglernen von Verben durch „Gamification“ zu vereinfachen. Spielerische Elemente – Punkte, Highscores, Rankings, Levels, Meilensteine – werden mit sonst eher trockenen Unterrichtseinheiten verwoben, um für Motivation zu sorgen. Gleichzeitig können sich Lehrer und Schüler die Statistiken ansehen und die Leistung dadurch besser beurteilen.
Das heißt jedoch nicht, dass Tafel, Kreide, Heft und Buch ausgesorgt haben: „Für mich bedeutet Digitalisation nie ‚anstatt von‘, sondern immer ‚zusätzlich zu dem Altbewährten‘. Ich benutze immer noch die Tafel, Aufgaben werden weiterhin auf Papier abgegeben und während unterschiedliche Schulen und Länder verschiedene Ziele verfolgen, haben wir im Moment keineswegs vor, zur papierlosen Schule zu werden“, so der Kunstlehrer. Disziplinprobleme gebe es mit diesen Klassen nicht mehr als in anderen auch. Welche Apps auf den Geräten installiert sind, wird von der Schule vorgegeben und die Tablets werden nach den Unterrichtseinheiten, für die sie gebraucht werden, wieder weggepackt. „Es ist also nicht so, als ob sich die Schüler hinter den Bildschirmen verstecken können.“
Im LCD werden im kommenden Schuljahr eine weitere Klasse und 15 Lehrer iPads in ihren Unterricht mit einbinden.
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