Luxemburg: „Keine Alternative zum Wachstum“

Luxemburg: „Keine Alternative zum Wachstum“
Jede Woche entstehen in Luxemburg rund 250 neue Arbeitsplätze. Doch was die Volkswirtschaft und die Steuereinnahmen ankurbelt, macht u.a. Wohnungssuchenden das Leben schwer

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Die Debatten um das Thema Wirtschaftswachstum sind in Luxemburg ein Dauerbrenner. Für die Handelskammer ist es jedoch kein wirkliches Thema. Es gebe keine Alternative zum Wachstum, so Direktor Carlo Thelen.

Einmal pro Monat schreibt der Direktor der Luxemburger Handelskammer auf seiner Internet-Seite (www.carlothelenblog.lu) einen Kommentar zu Themen, die die Wirtschaft und das Land bewegen.
Im November war das „Wachstum“ an der Reihe.

Im Gegensatz zu den anderen Monaten hat Carlo Thelen seinen November-Bericht nicht auf Französisch, sondern auf Luxemburgisch geschrieben. Ganz klar, dass sein Text nicht an wirtschaftliche Fachexperten, sondern an die wahlberechtigte Bevölkerung gerichtet ist.

Das Wort „Wachstum“ erhalte neuerdings immer mehr einen negativen Beigeschmack, klagt er diese Woche auf seiner Internet-Seite.

Es sei wohl richtig, dass Wachstum nicht automatisch mit einer Verbesserung der Lebensqualität einhergehe, schreibt er. Jedoch sei das Wachstum eine „wichtige Voraussetzung“, um das glückliche Zusammenleben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Nur mit Wachstum könnten Gesundheits-, Sicherheits- oder Kulturdienstleistungen gefördert werden. „Wachstum erlaubt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und erlaubt, jungen Menschen eine Zukunftsperspektive zu geben.“

 150 Autos mehr pro Woche

Negatives Wachstum hingegen, wie die Welt es in den Jahren 2008/2009 erlebte, führe hingegen zu sozialen Unruhen, zu Frust und schließlich zum Aufkommen von Populismus.

„Es gibt somit keine Alternative zum Wachstum“, lautet seine Überzeugung. „Ein von der Politik diktiertes Abbremsen der demografischen oder wirtschaftlichen Dynamik des Landes (…) ist in unserer Gesellschaft nicht denkbar.“
Dass das schnelle Wachstum Schwierigkeiten (tägliche Staus, hohe Immobilienpreise, Umweltbelastung) mit sich bringt, erkennt er. So schreibt er, dass die rund 250 neuen Jobs, die wöchentlich derzeit im Land entstehen, potenziell 150 zusätzliche Autos pro Woche auf den Straßen bedeuten.

Foto: Editpress/Alain Rischard

Carlo Thelen, Direktor der Luxemburger Handelskammer

Die Lösung der Probleme sieht Carlo Thelen in einem anderen Schlagwort: dem qualitativen Wachstum. Darunter versteht er ein Wachstum, das auf Produktivitäts-Steigerungen basiert. Er hofft, dass der technologische Fortschritt es den Unternehmen und der Gesellschaft – mittels neuen Arbeits- und Konsummodellen – möglich machen wird, mit weniger Mitteln mehr Reichtum zu erwirtschaften.

Er fordert, dass Wachstum „begleitet“ werden muss, um nachhaltig zu sein. Er lobt die Anstrengungen, die Regierung und Privatwirtschaft im Rahmen der Rifkin-Studie gemacht haben. Der Prozess habe konkrete Resultate vorzuweisen: Etwa der konsequente Ausbau von erneuerbaren Energien, der Elektromobilität, das Projekt „High performance computing“ sowie ein Gesetz zur dezentralen Energie-Produktion, das es Konsumenten ermögliche, zu Strom-Produzenten zu werden. Selbst die Bio-Landwirtschaft habe durch die Studie einen neuen Schub erhalten, schreibt er.

Ziel der Veränderungen sei es, dass Verbraucher und Betriebe durch neue Wege und neue Technologien Möglichkeiten finden, um weniger Ressourcen zu verbrauchen und mit weniger Mitteln zu produzieren. Das komme sowohl der Umwelt als auch unserer Lebensqualität zugute, so der Direktor der Handelskammer. „Wir müssen es langfristig fertigbringen, das Wachstum und den Einsatz von Ressourcen voneinander zu entkoppeln.“

Zum Ende seines Texts geht er wieder das Thema Beschäftigung an. Immerhin dürfen sich Angestellte fragen, was mit ihnen passiert, wenn Prozesse effizienter werden und weniger Mittel (eben auch Personal) in den Einsatz kommen sollen. Carlo Thelen will den Leser beruhigen und schreibt: „Die Erhöhung von Produktivität und Effizienz durch den technologischen Fortschritt hat historisch gesehen nicht zu weniger, sondern zu mehr Beschäftigung geführt.“

Doch wie dieses neue Mehr an Beschäftigten dann aber die täglichen Staus verkleinern und die Immobilienpreise im Zaum halten soll, erwähnt er nicht. Auch schreibt er nichts über die mögliche Verteilung des neuen Wohlstands. Übrig bleibt nur die Schlussfolgerung, dass „es keine Alternative zum Wachstum gibt“.