Lügenkampagne gegen Juncker: Orban sorgt für Streit in der EVP

Lügenkampagne gegen Juncker: Orban sorgt für Streit in der EVP

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

EU-Kommissionschef Juncker fordert nach heftigen Attacken aus Budapest den Rauswurf der ungarischen Regierungspartei aus der Europäischen Volkspartei (EVP). Doch der EVP-Spitzenkandidat bei den Europawahlen, Manfred Weber, zögert.

Von unserem Korrespondenten Eric Bonse, Brüssel

Knapp hundert Tage vor der Europawahl wird die konservative europäische Parteienfamilie um Spitzenkandidat Manfred Weber von einem heftigen Streit erschüttert. Auslöser ist eine Attacke des rechtslastigen ungarischen Regierungschefs Viktor Orban auf die EU. Orban zielt erstmals direkt auf Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker – und der schlägt ungewohnt hart zurück.

Orbans Kampagne verbreite Unwahrheiten und sei nichts anderes als „Desinformation“, erklärte Junckers Sprecher Margaritis Schinas. „Es gibt zwischen Herrn Orban und mir keinerlei Schnittmengen“, stellte der Kommissionspräsident persönlich klar. Daher sei er der Meinung, „dass sein Platz nicht in der Europäischen Volkspartei ist“. Orbans Fidesz-Partei solle aus der EVP geworfen werden.

Tatsächlich ist kaum vorstellbar, dass Juncker und Orban weiter Mitglieder derselben Parteienfamilie bleiben. Orbans Regierung zeigt Juncker und den US-Milliardär George Soros auf einem Plakat im Stürmer-Stil und behauptet, beide würden illegale Einwanderung nach Europa und Ungarn fördern. „Sie wollen die verpflichtende Aufnahmequote“, schrieb die Regierung auf Facebook.

In Wahrheit hat die EU-Kommission ihre Pläne für eine verbindliche Quote, die auf deutsches Drängen zurückgingen, schon vor mehr als einem Jahr ad acta gelegt. Juncker arbeitet auch nicht an Plänen, die Einwanderung mit humanitären Visa zu erleichtern, wie die Orban-Regierung behauptet. „All das ist unwahr, und wir lassen keine Unwahrheiten mehr durchgehen“, so Schinas.

EVP-Spitze zögert mit Rauswurf

Doch reicht es aus, „Fake News“ aus Ungarn zurückzuweisen? Oder muss sich die EVP von Orbans Fidesz-Partei trennen, wie dies Juncker fordert? „Mein Freund Manfred Weber wird sich auch die Frage stellen, ob er diese Stimmen überhaupt braucht“, erklärte der Kommissionschef. Juncker selbst war 2014 gegen den Willen von Orban gewählt worden; die Fidesz hatte ihm keine Stimmen gegeben.

Doch bei der Europawahl 2019 braucht Weber jede Stimme. Nach einer am Montag veröffentlichten Wahlprojektion könnte die EVP zwar wieder stärkste Partei werden. Doch für eine große Koalition mit den Sozialdemokraten, die Juncker 2014 getragen hat, dürfte es diesmal nicht reichen. Weber wird nach der Prognose auf zusätzliche Stimmen angewiesen sein, um Kommissionschef zu werden.

Ist das der Grund, weshalb der CSU-Politiker zu Orbans Schmutzkampagne schweigt? Weber wies die Angriffe auf Juncker jedenfalls nicht selbst zurück. Er begnügte sich damit, einen Tweet von EVP-Präsident Joseph Daul weiterzuverbreiten. Daul sprach darin von einer „Verleumdung“ Junckers und erinnerte Orban daran, dass er alle EU-Entscheidungen in Brüssel mitgetragen habe. Doch einen Rauswurf von Orbans Partei aus der EVP hat Daul nicht angedroht. Die konservative Parteienfamilie ist offenbar nicht bereit, Junckers Forderung zu erfüllen. Auch Spitzenkandidat Weber hat bisher keine Konsequenzen gezogen. Dies trägt ihm nun den Vorwurf ein, vor Orban einzuknicken. Vor allem Grüne und Liberale versuchen, den Streit im konservativen Lager anzuheizen.

Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold nannte die Anti-Juncker-Kampagne „niederträchtig“. Er forderte Weber auf, Orbans Fidesz-Partei endlich aus der EVP-Fraktion zu werfen. Der Chef der liberalen Fraktion im EU-Parlament, Guy Verhofstadt, bezeichnete die ungarische Initiative als „Schande“. Die EVP müsse sich von Orban trennen; sonst sei ein Bündnis nach der Europawahl undenkbar.